Frankfurt/M. Trotz des schwachen 0:0 gegen Frankfurt gibt es beim HSV Grund zur Freude: Trainer Markus Gisdol soll in der Länderspielpause verlängern

Die lange Busfahrt am späten Sonnabend zurück nach Hamburg blieb Markus Gisdol erspart. Der HSV-Trainer, der seinen Spielern nach dem wenig vergnüglichen 0:0 gegen die Eintracht einen umso vergnüglicheren Mannschaftsabend in Frankfurt am Main mit Rückflug am Sonntagmorgen gewährte, blieb zunächst auch selbst vor Ort. Lediglich Gisdols Trainer- und Mitarbeiterteam nahm die nächtliche Busfahrt aus der Mainmetropole nach Hamburg auf sich. Der Chef, der den Sonntag bei der Familie in der schwäbischen Heimat genoss, hatte dagegen eine gute Ausrede: Trainertagung an diesem Montag in Mainz.

In der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz dürfte manch ein Kollege heute das Gespräch mit Gisdol suchen. Dabei lieferte aber weniger die unansehnliche Partie in Frankfurt großartigen Gesprächsstoff. Dafür umso mehr die beeindruckende Gesamtperformance des Gisdol-Teams der vergangenen Monate. „Der HSV ist wieder sehr, sehr stark“, lobte am Sonnabend auch Frankfurts Trainer Niko Kovac. Zweimal sehr. Viel mehr sehr geht nicht.

Kovacs Lob überraschte nur deswegen, weil der HSV ausgerechnet am Wochenende sehr, sehr unansehnlich spielte. Als einen „soliden, dreckigen Arbeitspunkt“ fasste René Adler die 90 Minuten zusammen. Kapitän Gotoku Sakai, ganz der Japaner, bemängelte „die fehlende Sauberkeit“, und Dennis Diekmeier sagte gerade heraus: „Es war nicht das schönste Fußballspiel.“

Doch auch das erste nicht so schöne HSV-Spiel seit der epischen 0:8-Pleite in München konnte den Gesamteindruck nicht trüben: „Wer hätte im Dezember gedacht, dass wir heute 27 Punkte haben?“, fragte Frankfurt-Rückkehrer Heribert Bruchhagen rhetorisch. Tatsächlich ist der HSV der Rückrunde mit dem HSV der Hinrunde kaum noch zu vergleichen. So fanden sich die Hamburger nach dem erschütternden 0:3 im Hinspiel gegen die Eintracht mit 2:15 Toren und zwei kümmerlichen Punkten abgeschlagen am Tabellenende wieder. Eine Halbserie später ist der Immer-noch-16. – trotz des Rumpelauftritts in der Commerzbank Arena – bis auf zwei Punkte an den Tabellenzwölften (Mainz) herangerückt. „Wir sind wieder konkurrenzfähig“, freute sich Gisdol.

Ehre wem Ehre gebührt. So ist man sich in Hamburg längst einig, dass es besonders Gisdols Verdienst ist, dass der HSV in der besagten Halbserie 25 von insgesamt 27 Punkten holte. „Wir sind hochzufrieden“, sagte Bruchhagen am Sonntag im Sport1-Doppelpass, und stellte erneut eine baldige Verlängerung von Gisdols auslaufenden Vertrags in Aussicht: „Mehr geht doch nicht, dass beide Parteien erklären: Wir wollen zusammenarbeiten. Nur der Zeitpunkt ist ungewiss. Aber er wird sicherlich kommen.“

Was Bruchhagen nicht sagte, aber in Hamburg ein offenes Geheimnis ist: Bereits in der Länderspielpause soll Gisdol seinen im Sommer auslaufenden Vertrag bis 2019 verlängern. Nach Abendblatt-Informationen haben sich beide Parteien nach mehreren Gesprächen grundsätzlich geeinigt, nun soll Gisdols Kölner Anwalt Stefan Seitz lediglich noch Detailfragen prüfen.

Mit Detailfragen oder besser einer Detailfrage musste sich der 47 Jahre alte Fußballlehrer auch am späten Sonnabend nach dem torlosen Remis in Frankfurt herumschlagen: Elfmeter oder kein Elfmeter? „Da hätte sich niemand beschwert, wenn es da Elfmeter gegeben hätte“, kommentierte Gisdol die Szene des Tages noch vorsichtig. David Abraham hatte Filip Kostic nach einer Stunde derart plump im eigenen Sechzehner von den Beinen geholt, dass neben den HSV-Profis Dennis Diekmeier („klarer Elfer“), Gideon Jung („glasklarer Elfer“) und René Adler („ganz klarer Elfer“) sogar Frankfurts Kovac („Wenn der Schiedsrichter gepfiffen hätte, wäre das ein Elfmeter“) die fragwürdige Entscheidung von Schiedsrichter Benjamin Cortus anzweifelte.

Der Rest des Spiels ist dagegen schnell erzählt: „Beide Mannschaften haben versucht, sich gegenseitig nicht ins Spiel kommen zu lassen“, sagte Gisdol. Beiden Mannschaften ist das ganz vortrefflich gelungen, sagen wir. Das Resultat war ein nur schwer zu ertragenes Hin und Her, bei dem vor allem Kollege Zufall die Rolle des Protagonisten übernahm. Der HSV versuchte es meistens erfolglos mit der „Langer-Hafer-Taktik“. Die Frankfurter, bei denen Innenverteidiger Marco Russ nach neun Monaten und überstandener Krebserkrankung ein erfolgreiches Startelfcomeback feierte, konterten ebenso erfolglos mit, nun ja, Konterfußball.

„Mit Schönspielerei geht es im Abstiegskampf nicht“, gab Dennis Diekmeier zu Bedenken. Nach 90 Minuten mit anderthalb HSV-Torchancen, einer Fehlpassquote von knapp 50 Prozent und lediglich fünf HSV-Torschüssen waren am Ende dann doch die meisten Hamburger recht zufrieden mit dem Punkt. „Die Mannschaft musste zuletzt eine Energieleistung nach der anderen abliefern“, merkte Sportchef Jens Todt an. „Jetzt können wir uns ein bisschen erholen.“

Vier Tage Kurzurlaub will sich der Sportdirektor gönnen, ehe es auch für ihn wieder vorbei ist mit der Erholung. Schließlich steht in der Länderspielpause Gisdols Verlängerung auf der Agenda. „Ja“, antworte Todt auf Nachfrage, um direkt wieder in den „Alles-kann-nichts-muss“-Modus zu wechseln: „Die Länderspielpause ist aber auch gut geeignet, um mal durchzupusten.“

Dabei gab Gisdol unmittelbar nach dem Spiel zu, dass ihm die Pause nach drei Spielen in Serie ohne Niederlage gar nicht gelegen kommt. „Wenn es so gut läuft, dann wäre es gut, wenn man die Pause verschieben könnte“, sagte der Trainer, der aber einräumen musste, dass irgendwann auch er an seine Grenzen stößt: „Das bekommen wir leider nicht organisiert.“