HamBurg. Der FC St. Pauli zeigt beim 0:0 gegen Hannover 96 lange eine starke Leistung und braucht am Ende doch Glück

Alexander Berthold

Eine recht kurze und unruhige Nacht hatte Bernd Nehrig hinter sich, als er am Sonntag das Regenerationstraining auf dem Gelände an der Kollaustraße absolvierte. „Nach so einem Spiel bin ich immer ziemlich aufgedreht. Man spürt seine Muskeln und Gelenke und denkt dazu noch an verschiedene Situationen im Spiel“, verriet der Mittelfeldspieler des FC St. Pauli am Tag nach dem 0:0 im Heimspiel gegen Hannover 96.

Auch wenn das Endergebnis suggerieren mag, das Zweitliga-Nordderby sei angesichts der fehlenden Treffer langweilig gewesen, so traf jedenfalls in der zweiten Halbzeit das Gegenteil zu. Es gab vielmehr etliche Szenen, die Anlass boten, sie noch einmal Revue passieren zu lassen. Als Beispiele seien die Pfostenschüsse von St. Paulis Torjäger Aziz Bouhaddouz (57. Minute) und Hannovers Waldemar Anton (82.) genannt. Oder auch Lennart Thys Kopfball (72.), mit dem er an seinem ehemaligen Kollegen, Hannovers Torwart Philipp Tschauner, scheiterte, und Philipp Ziereis’ Rettungsaktion (81.) nach einem Torschuss des eingewechselten 96-Stürmers Niklas Füllkrug. Da auch noch Hannovers Torjäger Martin Harnik seine einzige große Torchance (82.) ungenutzt ließ, war das 0:0 das logische Ergebnis.

Dennoch fiel es den Spielern und Verantwortlichen des FC St. Pauli nicht gerade leicht, dieses Unentschieden
adäquat einzuordnen. War es die verpasste Chance, gegen einen 80 Minuten keineswegs wie ein Aufstiegskandidat auftretenden Gegner zu besiegen und damit einen Befreiungsschlag im Kampf um den Klassenverbleib zu landen? Diese Interpretation wäre die richtige gewesen, hätte das Spiel tatsächlich nur 80 Minuten gedauert. „Wir haben die ersten 20 bis 25 Minuten der zweiten Halbzeit richtig dominiert und eine Topmannschaft in die eigene Hälfte zurückdrängen können. Dazu hatten wir gute Möglichkeiten. Leider haben wir den Führungstreffer nicht erzielt“, sagte St. Paulis Trainer Ewald Lienen.

Aber auch das, was in der Schlussphase passierte, beschrieb Lienen durchaus treffend. „Es war schon Hardcore, dass wir das überstanden haben. Bei Harnik war es wohl seine alte Verbundenheit mit dem Norden, dass er seine Torchance nicht genutzt hat“, sagte er über den Österreicher, der in der Jugend – gemeinsam mit Max Kruse – beim SC Vier- und Marschlande gespielt hatte. „Eine Niederlage wäre für uns aber auch schon bitter gewesen nach dem Einsatz“, sagte der Trainer weiter.

Daher konnte er sich am Ende auch damit anfreunden, einen Punkt ergattert zu haben, zumal sein Team damit den am Ende rettenden 15. Tabellenplatz verteidigte. Karlsruhes Heimniederlage gegen Düsseldorf und Aues 1:1 in Bochum ließen das eigene Remis gegen den prominent und hochpreisig besetzten Gegner noch ein wenig wertvoller werden. „Jeder Punkt ist für uns wichtig. Wir wissen, dass es vielleicht bis zum Schluss eng wird“, sagte Lienen weiter. Im Vergleich zur 1:2-Heimniederlage gegen Aufstiegsanwärter Union Berlin sei sein Team deutlich mehr auf Augenhöhe gewesen.

„Ich musste manche Jungs am Ende ein bisschen bremsen, damit wir nicht völlig durchdrehen. Es war in den letzten zehn Minuten ein offener Schlagabtausch“, sagte St. Paulis Kapitän und Innenverteidiger Sören Gonther. „Für uns ist jeder Punkt wichtig. Deshalb ist es auch gut für unser Selbstvertrauen, wenn wir gegen einen offensiv so stark besetzten Gegner hinten zu null spielen“, sagte er weiter.

Gonther erinnerte zudem daran, welche Entwicklung sein Team in den vergangenen Wochen genommen hat. „Wenn uns in der Winterpause jemand gesagt hätte, dass wir jetzt mit dieser Punktzahl Tabellen-15. sind, hätte das jeder von uns unterschrieben“, sagte er. Tatsächlich war St. Pauli vor Beginn der Rückrunde noch Schlusslicht und hatte mit elf Punkten 14 Zähler weniger als jetzt. „Deshalb gehen wir jetzt auch mit einem guten Gefühl in die Länderspielpause und wissen dabei aber auch, dass wir danach mit dem Auswärtsspiel in Aue die nächste ganz schwere Aufgabe vor uns haben“, schaute der Kapitän bereits voraus.

„Man muss es erst einmal hinbekommen, einen Gegner wie Hannover so im Griff zu haben. Das hat aber auch Kraft gekostet. Aber wenn man aggressiv und gut in den Zweikämpfen drin ist, spielt man automatisch auch besser Fußball. Es ist auf jeden Fall ein gewonnener Punkt für uns. Hannover will schließlich unbedingt nach oben. Das haben wir ihnen ein bisschen vermiest“, zog auch Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann ein positives Fazit.

Auch Torwart Philipp Heerwagen, der in seinem inzwischen elften Spiel in Folge zum fünften Mal kein Gegentor zuließ, wertete das Unentschieden gegen Hannover als Erfolg. „Es ist ein Punkt, der uns dem Klassenerhalt wieder ein kleines Stück näherbringt“, sagte der Routinier.

Am Sonntagmittag verriet Kollege Bernd Nehrig zumindest zum Teil, wie er sich vom emotional aufreibenden Spiel gegen Hannover erholen will: „Heute bleibe ich auf der Couch und morgen werde ich am See angeln.“