Hamburg. Handballer besiegen vor 3659 Zuschauern in der Sporthalle Hamburg die HSG Norderstedt HU mit 29:27

Dominik Plaue will künftig den Hans-Jörg Butt machen. Der Keeper der HSV-Handballer feixte über die Siebenmeter-Schwäche seines Teams (fünf von sechs verworfen!) und erinnerte an den elfmeterverwandelnden früheren HSV-Fußballtorwart: „Dies ist eine öffentliche Ankündigung: Lieber Trainer, ich stehe bereit!“ Und dann lachte er gehässig. Der 21-Jährige durfte das, weil er auf der anderen Seite beim Stand von 27:26 einen Siebenmeter mentalstark parierte und der HSV so am Sonntag einen 29:27 (14:13)-Derbysieg gegen die HSG NordHU in der Dritten Liga Nord feierte.

Mit dem elften Erfolg im elften Saisonheimspiel wahren die Hamburger die Chance auf Platz zwei und die Aufstiegsrunde. „Wir haben die Tür zur Relegation jetzt mal angefasst“, sagte Plaue. Er stand vor 3659 Zuschauern in der erstmals in dieser Spielzeit ausverkauften Sporthalle Hamburg nicht als einziger Held des Nachmittags da: Bester HSV-Torschütze war Stand-by-Profi Stefan Schröder mit sieben Treffern. Und trotz einer Bronchitis. Nach der Partie musste sich der 35-Jährige in der Umkleidekabine kurz hinlegen. „Schrödi war heiß wie Frittenfett“, beobachtete Kersten Brumm vom Fanclub21.

Eine typische Schröder-Szene spielte sich in der 20. Minute ab: Dem Rechtsaußen wurde beim Gegenstoß die Hose halb heruntergezogen, aber selbst mit Hose auf halb acht raste er zum gegnerischen Tor und verwandelte cool aus dem linken Handgelenk. Man könnte herumkritteln, dass auch er einen Siebenmeter wegwarf, aber als Führungsspieler der jungen HSV-Wilden war er extrem wichtig gegen die Henstedt-Ulzburger, diese „erfahrene, clevere und stabile Mannschaft“, O-Ton HSV-Präsident Marc Evermann.

Der HSV hatte zweimal hoch geführt: Einmal in der ersten Halbzeit mit 12:7, als es möglich schien, die Tordifferenz aus dem Hinspiel (26:36) wettzumachen und den direkten Vergleich zu gewinnen, der bei Punktgleichheit den Tabellenplatz bestimmt. Dann lag der HSV auch in Hälfte zwei mit 21:17 vorn, „aber beide Male haben wir den Gegner wieder zurück ins Spiel eingeladen“, merkte HSV-Trainer Jens Häusler an. Zwischenzeitlich lagen die Hamburger sogar mit 23:25 zurück.

HSV lag zwischenzeitlich sogar 23:25 zurück

Woran lag’s? Nach dem starken Beginn fing sich der HSV zu viele Gegenstöße, und dann stand auch der Mittelblock Niklas Weller/Lukas Ossenkopp zurzeit stabilisierten HSV-Abwehr nicht mehr ganz so zupackend wie am Anfang. Die Gegenstöße fing man sich auch deshalb, weil die Abschlüsse unpräziser wurden und HU nun mal einen zweitligaerfahrenden Jan Peveling zwischen den Pfosten hat. Die abgeklärten „Frösche“ blieben bei den Rückständen enorm ruhig. Und warteten, angefeuert von ihrem Fanclub „Die Gürteltiere“ (200 mitgereiste mehrheitlich Hen­stedt-Ulzburger und ein paar Norderstedter), mit derbytypischen „Scharmützeln“ (Evermann) auf.

Die zuvor verschickte Pressemitteilung „HU geht am Stock“ mit den ach so vielen Verletzten entpuppte sich als Luftnummer: Spielertrainer Tim Völzke (Schambeinentzündung und Routinier Nico Kibat (Muskelfaserriss am Hüftbeuger) standen im Rückraum sogar in der Startformation. Und vor Spielbeginn ließen sich die Spieler HSG NordHU gleich dreimal vergeblich in die Sporthalle bitten – um dann unter Pfiffen des Hamburger Publikums einzulaufen, wann es ihnen passte. Ein kleines Psychospielchen.

„Es war ein sehr aufregendes, sehr knappes und phasenweise sehr hartes Spiel“, analysierte Evermann. Als „aggressiver Leader“ bei HU fiel einmal mehr der frühere HSVer Robert Schulze auf. Der Kreisläufer sah in der 55. Minute nach seiner dritten Zwei-Minuten-Strafe die Rote Karte.

Ab der 58. Minute saß niemand mehr in der Sporthalle. Und einem kleinen 1,75-Meter-Kerl aus der eigenen Jugend war es vorbehalten, fünf Sekunden vor dem Ende den 29:27-Endstand zu erzielten: dem 19-jährigen Christopher Rix. „Ich habe einfach gedacht: Mach ihn, mach ihn, mach ihn!“, sagte der Linksaußen. Im Jugendsprech sprudelte es aus ihm heraus: „Was die Fans hier abgerissen haben, war mega!“

Ex-Jugendkoordinator Gunnar Sadewater ergatterte keinen richtigen Sitz mehr, nur einen Presseplatz. Nach einer zweimonatigen Reise durch Australien und Südostasien hat er noch vier Wochen Sabbatical vor sich. „Dann trete ich meinen neuen Job an, der nichts mit Handball zu tun hat.“ Er ist gut erholt und nicht wehmütig: „Es macht auch großen Spaß, die Entwicklung des HSV von außen zu verfolgen.“ Youngster Rix ist mittendrin und prophezeit für das schwere Restprogramm: „Wir werden in den acht Spielen die norddeutschen Hütten rocken.“ Für das Heimspiel gegen den TSV Altenholz am 31. März kündigt der Fanliebling an: „Das wird genauso eine Party wie heute! Hamburg hat Bock auf Handball.“