Hamburg. Mit seinem „Kulturmarathon“ möchte Kai Markus Xiong ein Zeichen für die Völkerverständigung setzen

Wenn Kai Markus Xiong am Sonntagmorgen von der Elbphilharmonie aus loslaufen wird, liegt eine 12.000 Kilometer lange Reise vor ihm. Sein Ziel: Shanghai. Von der Hansestadt aus wird er versuchen, in 235 Tagen die Partnerstadt in China zu erreichen. Mit seinem „Kulturmarathon“, für den Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) die Schirmherrschaft übernahm, möchte der Wahlhamburger ein Zeichen für die Völkerverständigung setzen. „Vor dem ersten Schritt habe ich keine Angst, vielleicht vor dem letzten“, sagte Xiong.

Mit Ehefrau Yuman lebt der gebürtige Bayer in Hamburg. Den Nachnamen übernahm Xiong von seiner chinesischen Frau. Gemeinsam haben die beiden einen ein Jahr alten Sohn. Schon seit Kindestagen fasziniert ihn das Reich der Mitte. Vor allem die Seidenstraße, der alte Handelsweg zwischen Europa und Asien, beeindruckt den Hobbyläufer. Deshalb fiel die Wahl des Mottos für das öffentlichkeitswirksame Vorhaben nicht schwer: „Building Bridges“, Brücken bauen.

Ein Freundeskreis mit ausländischen Wurzeln hat ihn früh sensibilisiert für Schubladendenken und Ausgrenzung. „Wir haben häufig negative Vorurteile gegenüber Kulturen, die wir nicht kennen“, sagt er. „Ich möchte mit meinem Lauf die schönen Seiten Chinas und auch der anderen Länder, die ich durchreise, zeigen.“ Über seine Internetseite „runmysilkroad.de“ kann man Xiongs Erlebnisse während der Reise verfolgen.

Die irrwitzig klingende Idee, die ihn durch acht Länder führen wird, kam ihm im April vergangenen Jahres. Schon früher ist der ehemalige Leistungsturner längere Strecken gelaufen – aus Geldmangel. Für das ambitionierte Projekt veranschlagte er ein Budget zwischen 600.000 und 800.000 Euro. Dem gelernten Bankkaufmann und Finanzberater fiel es schwer, so viel Geld aufzutreiben. „Ich bin kein Profisportler, für mich war es schwierig Sponsoren zu finden“, sagt er. Wie gut, dass Ehefrau Yuman, die Eltern und zahlreiche Freunde seine Idee unterstützen.

Die Sponsoren wählte er selber aus. Für ihn war wichtig, dass sie seine Vision eines Supermarathons, der Grenzen überwindet, unterstützen. Mit den Reiseagenturen Caissa und China Tours arbeitete er die Route aus. Sportartikelhersteller 361 Degrees aus China stattet ihn mit passendem Laufmaterial aus. Zwischen 30 und 40 Paar Schuhen wird Xiong während seines Laufs verschleißen, der ihn durch Deutschland, Polen, Weißrussland, Russland, Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan nach China führen wird.

Weil es so viel zu bedenken gibt, hat ihm China Tours den erfahrenen Routenplaner Andreas Flück zur Seite gestellt. Der organisiert normalerweise Autotouren nach China. Für einen Ex­tremläufer musste er sich anderen Her­ausforderungen stellen. „Uns war klar, dass wir in der Planung möglichst keine Fehler machen dürfen“, sagt Flück. Stichwort Lebensgefahr. „Das Durchlaufen der Wüstengebiete Kasachstans und Usbekistans wollten wir aufgrund der schwierigen Bedingungen über lange Strecken verhindern. Ganz vermeiden ließ es sich allerdings nicht. Wegen der Hitze wird Kai Markus in diesen Regionen in der Nacht laufen müssen.“

Xiong ergänzt: „Wenn ich durch extreme Gegenden wie Wüsten oder im 4200 Meter hohen Gebirge laufe, bin ich auf mich allein gestellt. Dass heißt zum Beispiel, dass ich den Weg möglichst auswendig kennen muss. Ich kann mich nicht auf andere verlassen.“ Aus diesem Grund hat er gelernt, sich in Notfällen sogar medizinisch selbst zu versorgen. Ein befreundeter Arzt brachte ihm bei, sich selbst Injektionen zu geben oder offene Wunden zu nähen. „Ja, das habe ich an Suppenhühnchen geübt.“

So ganz auf sich allein gestellt wird Xiong auf seinem langen Weg ins Reich der Mitte dann doch nicht sein. Begleitet wird er von Victor Neubauer, ebenfalls Mitarbeiter von China Tours. Der wird mit seinem privaten Käfer, einem schwarzen 84er-Jahre Mexiko Edition mit angehängtem Camper, jeden Abend an bestimmten Orten auf den Extremläufer warten. Am Tag wollen die beiden zwischen 60 und 80 Kilometer zurücklegen. Das müssen sie auch, um den Zeitplan einzuhalten. Alle neun Tage gibt es eine Verschnaufpause, Xiong und Neubauer wollen dann auf Besichtigungstour gehen.

Dass Bürgermeister Scholz ihn durch die Schirmherrschaft unterstützt, freut ihn sehr. „Ich fühle mich geehrt“, sagt Xiong. Es zeige die Bedeutung des Projektes. Darüber hinaus öffnet es dem 44-Jährigen unerwartete Möglichkeiten der Hilfestellung. „Es könnte durchaus von Vorteil sein, auf ein offizielles Behördenschreiben zurückgreifen zu können, wenn man an den Grenzübergängen mal in Schwierigkeiten geraten sollte.“

Angst hat Kai Markus Xiong angesichts der langen und komplizierten Reise nicht. Er fühlt sich gut trainiert, neben diversen 70-Kilometer-Läufen arbeitete er viel mit einem Psychologen. Nur die Trennung von seiner Familie, die er fast ein Jahr nicht sehen kann, belastet ihn schon jetzt. „So bin ich nun mal. Dass ich nicht da bin, falls etwas passiert, ist meine größte Sorge.“ Am 4. November wird er mehr wissen. Dann will Xiong seine Familie in Shanghai endlich wieder in die Arme schließen.