Hamburg. Der Ex-Gladbacher und Hamburger Marcell Jansen erklärt vor dem Heimspiel gegen die Borussia, warum der HSV im Volkspark so stark ist

Matthias Ostrzolek und Marcell Jansen haben einiges gemeinsam. Beide wurden geboren in der Me­tropolregion Rhein-Ruhr, beide sind blond, beide gelernte Linksverteidiger. Und auch rhetorisch vereint die beiden die Fähigkeit, auf kurze Fragen erstaunlich lange Antworten zu geben. Als Ostrzolek am Donnerstag nach dem Training gefragt wurde, warum der HSV seit einiger Zeit so erfolgreich seine Heimspiele bestreite, erzählte der 26-Jährige viel von den „fantastischen Fans“, von der „guten Stimmung im Team“ und dem „Spaß“, den es im Volkspark mache. „Die Zuschauer peitschen uns grandios nach vorne“, sagte Ostrzolek.

Tatsächlich hat der HSV im eigenen Stadion seit rund dreieinhalb Monaten so viel Spaß wie lange nicht mehr. 14 Punkte holten die Hamburger aus den vergangenen sechs Bundesliga-Heimspielen. Gelingt am Sonntag (17.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) gegen Borussia Mönchengladbach ein weiterer Sieg, hätte der HSV in sieben Heimspielen in Folge so viele Punkte geholt wie zuletzt im Jahr 2009. Vor acht Jahren schafften die Hamburger sogar 28 Punkte in zehn aufeinanderfolgenden Heimspielen. Der HSV-Trainer hieß damals noch Martin Jol und der Linksverteidiger Marcell Jansen.

Wenn der heute 31-Jährige, der im Sommer 2015 seine Karriere beendet hatte, im Abendblatt über die Hamburger Heimstärke von damals spricht, erzählt er in einer langen Antwort viel von dem „fantastischen Publikum“ und von dem „Spaß, den die Mannschaft hatte“. Jansen, der gebürtige Mönchengladbacher, der bei der Borussia begann und dort zum Nationalspieler reifte, wird am Sonntag mal wieder im Stadion sitzen, wenn seine beiden Ex-Clubs erneut aufeinandertreffen. Jansen sagt: „Was der HSV in Heimspielen macht, sieht als Zuschauer richtig gut aus.“

Als der 45-malige Nationalspieler die neue Heimstärke des HSV zu ergründen versucht, zieht er auch einen Vergleich zur Saison 2008/9. „Wir sind auch unter Martin Jol nicht so sehr über das Fußballerische gekommen. Wir haben sehr gut verteidigt und viele Spiele knapp gewonnen“, erinnert sich Jansen. Das Spiel unter Markus Gisdol sei ähnlich. „Der HSV verteidigt sehr aggressiv gegen den Ball. Dieser Fußball liegt der Mannschaft“, sagt Jansen.

Die Statistik gibt ihm recht. In den vergangenen sechs Heimspielen gab es nur fünf Gegentore, drei Spiele gewann der HSV knapp mit 1:0. Zu Saisonbeginn sah das noch anders aus. Die Mannschaft tat sich unter Trainer Bruno Labbadia insbesondere in den Heimspielen schwer, sich Torchancen zu erarbeiten. Das hat sich geändert. „Aber nicht nur in den Heimspielen“, sagt Ostrzolek. „Wir haben unseren Stil insgesamt verändert. Wir versuchen nicht so extrem das Spiel zu machen, sondern sind auf Pressing und Gegenpressing aus.“

Beispielhaft für diese Spielidee war das Tor am vergangenen Sonntag zum 1:0 gegen Hertha BSC. Bobby Wood hatte im Gegenpressing den Ball im Duell mit Marvin Plattenhardt erobert und so den Siegtreffer durch Albin Ekdal eingeleitet. „Wir wollen den Ball in der gegnerischen Hälfte erobern, um schnell vor dem Tor zu sein. Wir versuchen den Gegner zu jagen. Das machen wir mittlerweile sehr gut“, sagt Ostrzolek.

Trotz der vor allem in Heimspielen funktionierenden neuen Spielphilosophie gegen den Ball geht es für den HSV weiterhin nur gegen den Abstieg, während die Mannschaft vor acht Jahren in der Rückrunde phasenweise noch um die Meisterschaft mitspielte, am Ende aber „nur“ die Europa League schaffte.

In der Saison darauf sollte es im Volkspark zunächst sogar noch besser werden. Der HSV startete mit furiosen Heimsiegen gegen Dortmund (4:1), Köln (3:1), Stuttgart(3:1) und Bayern München (1:0) in die Spielzeit. Der Linksverteidiger hieß immer noch Marcell Jansen, der Trainer mittlerweile Bruno Labbadia. „Damals haben wir den besten Fußball gespielt“, sagt Jansen heute. Und obwohl der HSV auch in der Rückrunde in acht Liga-Heimspielen in Folge ungeschlagen blieb – die bis heute längste Serie –, musste Labbadia gehen.

Dass jener Labbadia nach seiner zweiten Amtszeit als HSV-Trainer im vergangenen September erneut entlassen wurde, hatte seinen Ursprung vor einem Jahr, als der HSV in Heimspielen gegen tief stehende Mannschaften wie Darmstadt spielerischen Stillstand offenbarte. Gegen Teams wie Hertha oder Gladbach gewann der HSV dagegen auch schon vor einem Jahr.

Gladbach ist das derzeit beste Auswärtsteam der Liga

Entsprechend vermutet Marcell Jansen, dass die Hamburger auch am Sonntag wieder eine gute Chance haben, gegen die Borussia zu punkten, obwohl die Mannschaft von Dieter Hecking die jüngsten vier Auswärtsspiele in der Liga alle gewann und in der Rückrundentabelle auf Platz eins steht. „Gladbach ist das Team der Stunde“, sagt Ostrzolek. „Wir müssen höllisch aufpassen, werden uns aber nicht verstecken.“

Und Jansen? Der sagt: „Gadbach liegt den Hamburgern. Der HSV lebt. Jetzt gilt es nachzulegen.“ Besser hätte es Ostrzolek nicht ausdrücken können.