Hamburg. Marvin Willoughby, Sportchef des Basketball-Zweitligaclubs Hamburg Towers, über den Besucherboom, neue Sponsoren und ambitionierte Ziele

Elf Siege, 15 Niederlagen – die Hamburg Towers werfen in der Zweiten Basketballbundesliga ProA in dieser Saison ihren eigenen Ansprüchen hinterher. Ein Platz unter den ersten acht, der zur Teilnahme an den Play-offs berechtigt, ist trotz des 81:72-Sieges gegen Heidelberg (siehe Artikel unten) nur noch theoretisch möglich. Nach den jüngsten Investitionen in die Infrastruktur will der Club künftig auch sportlich angreifen. „Unser mittelfristiges Ziel sind die Top acht der Ersten Bundes­liga“, sagt Sportchef Marvin Willoughby (39), einer der vier Gesellschafter des Wilhelmsburger Vereins, im Gespräch mit dem Abendblatt.

Herr Willoughby, sportlich liefern die Towers gerade ihre bisher schlechteste Saison ab, der Zuschauerzuspruch ist dagegen mit rund 3000 Besuchern im Schnitt so hoch wie nie. Sind Niederlagen der Towers reizvoller als Siege?

Marvin Willoughby: Was nicht stimmt, sind die Resultate, nicht die Art, wie wir Basketball spielen. Wir haben weit mehr Körbe als in den beiden Jahren zuvor erzielt, mehr Rebounds geholt, in der Defensive haben wir aber offenbar entscheidende Defizite. Dass nun mehr Zuschauer zu uns kommen, liegt an der hervorragenden Arbeit unserer Geschäftsstelle. Wir haben gelernt, wie wir das Produkt Towers am Markt positionieren können. Weil es offenbar ein geiles Produkt ist, die Zuschauer sich bei uns auch unabhängig vom Spielausgang gut unterhalten fühlen, ist es uns in dieser Saison gelungen, viele neue Leute in die Halle zu locken. Und was erfreulicherweise hinzukommt: Die teuren Plätze sind am schnellsten ausverkauft.

Zu dieser Saison haben Sie Ihre Marketingaktivitäten deutlich erhöht, die Towers haben sogar Spots im Regionalfernsehen geschaltet. Wäre es nicht besser gewesen, mehr Geld in die Mannschaft zu investieren? Ist Erfolg nicht die beste Werbung?

Wir waren in den ersten beiden Jahren mit Platz acht und fünf erfolgreicher, als wir erwartet hatten. Erfolg ist das eine, wenn ihn aber nur wenige wahrnehmen, bewirkt er kaum etwas. Nur etwa zehn Prozent der Hamburger kannten uns vor dieser Saison. Wir waren uns deshalb mit unseren Partnern einig, dass wir die Bekanntheit der Towers nachhaltig erhöhen, uns öffentlich besser darstellen müssen. Das ist uns auch gelungen. Wir haben damit den nächsten wichtigen Schritt in unserer Entwicklung getan. Dadurch ist kein Euro weniger in das Team geflossen, weil diese Kampagnen Gegengeschäfte waren.

Mehr Zuschauer, mehr Sponsoren, die Gesamteinnahmen sind in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Was machen Sie mit dem vielen Geld?

Wir werden in der nächsten Saison unseren Spieleretat erhöhen, um wie viel, steht noch nicht fest. Wir wollen nun auch sportlich angreifen, dort den nächsten Schritt machen. Dafür war eine solide wirtschaftliche Basis nötig. Die haben wir geschaffen. Wir schreiben eine schwarze Null, wir schulden niemandem auch nur einen Cent. Das ist für ein Start-up nach nicht mal drei Jahren ein herausragendes Ergebnis. Natürlich sind wir enttäuscht, weil wir die Play-offs wohl verpassen werden. Realistisch betrachtet haben wir aber entsprechend unseren bescheidenen finanziellen Möglichkeiten abgeschnitten.

Was sind Ihre Ziele für die nächste Saison?

In der nächsten Spielzeit wollen wir am Ende unter den besten vier Mannschaften der ProA stehen!

Woher kommt der plötzliche Ehrgeiz?

Der war stets vorhanden. Wir haben jedoch auch immer klar kommuniziert: Erst müssen die Rahmenbedingungen stimmen, sonst ist Erfolg auf Dauer nicht möglich. Unser mittelfristiges Ziel bleibt, sich unter den besten acht Mannschaften der Ersten Liga zu etablieren. Da wollen wir hin, nicht irgendwann, sondern in den nächsten drei, vier Jahren. Das muss unser Ziel sein, sonst können wir unser Projekt nicht am Laufen halten. So charmant es derzeit sein mag, in der ProA bei vollem Haus ein einzigartiges Event zu feiern, ich kann mir nicht vorstellen, damit dauerhaft in Hamburg reüssieren zu können.

In welchen Bereichen sind die Towers bereits erstligareif?

Die Inselparkhalle erfüllt alle Ansprüche einer Erstliga-Location, der Zuschauerschnitt stimmt, der sportliche Unterbau mit Jugend- und Nachwuchsbundesliga auch. Die Anforderungen der Bundesliga an ein professionelles Management bedienen wir weitgehend. Eins, zwei Leute müssten wir noch anstellen, im Jugendbereich einen weiteren hauptamtlichen Trainer. Das ist alles machbar. Unsere Infrastruktur ist erstligareif, wir wissen, was uns erwartet, was wir zu tun haben. Das war vor zwei Jahren noch nicht der Fall. Wir trauen uns jetzt die Bundesliga zu und gehen entsprechend selbstbewusst an diese Herausforderung heran.

Spielen die Towers demnächst auch wirtschaftlich in der Ersten Liga?

Davon sind wir noch ein Stück weit entfernt. Mit unserem aktuellen Etat (rund 1,2 Millionen Euro, die Red.) gehören wir in der ProA nicht zur oberen Hälfte.

Sie suchen seit drei Jahren einen Hauptsponsor, der rund eine halbe Million Euro zahlt. Haben Sie noch Hoffnung, ein Unternehmen zu finden, das sich mit dieser Summe bei einem Zweitligaverein engagiert, der nicht Fußball spielt und nur im Internet zu sehen ist?

Die Zuversicht ist groß, schließlich bieten wir ein großartiges Gesamtpaket an: Sozial-, Stadtteil- und Jugendarbeit, dazu mit den Towers ein attraktives Spitzenteam in einer attraktiven Sportart mit zahlungskräftigem Publikum. Das ist unser Wilhelmsburger Weg. Wir haben es in den vergangenen drei Jahren geschafft, ein sicheres finanzielles Fundament für unsere Arbeit in allen diesen Bereichen zu legen. Dass wir bislang keinen Hauptsponsor gefunden haben, halte ich für normal. Wir mussten erst einmal beweisen, dass wir keine Luftnummer sind. Wir mussten Vertrauen aufbauen, zeigen, was wir können. Kein Unternehmen geht gern in einen Club als einziger großer Geldgeber. Wenn es dann irgendwann aussteigt, dadurch alles zusammenbricht, ist der Imageschaden riesig. Deshalb ist es strategisch wichtig, eine gesunde Sponsorenstruktur aufzubauen, um die Abhängigkeit von einzelnen Personen und Firmen so gering wie möglich zu halten. Da sind wir auf einem guten Weg.

Fällt es nach der gescheiterten Olympiabewerbung Hamburgs und der Eröffnung der Elbphilharmonie schwerer, Geldgeber für den Sport zu gewinnen?

Mit Kultur mag derzeit vieles einfacher in Hamburg sein. Ich ordne die sozialen Leistungen des Sports für unsere Gesellschaft mindestens als ebenso hoch ein, dazu kommen die gesundheitlichen Aspekte. Jedes Unternehmen, das sich gesellschaftlich engagieren will, kommt am Sport nicht vorbei.

Ihre sportliche Philosophie war bisher, deutschen und lokalen Talenten eine Chance zu geben. Können Sie diese noch aufrechterhalten, wenn die Towers in den nächsten Jahren aufsteigen sollen?

Gerade deshalb müssen wir aufsteigen. Wir haben zuletzt Toptalente wie Louis Olinde, Bazoumana Koné und Lennart Larysz verloren, weil wir wirtschaftlich dazu nicht in der Lage waren, sie zu halten, und ihnen auch keine sportlichen Perspektiven bieten konnten.

Vor dieser Saison haben Sie fast den kompletten Kader ausgetauscht. Steht ein ähnlicher Umbruch bevor?

Dass wir im vergangenen Sommer neun Spieler ersetzen mussten, war nicht geplant. Einige, die wir halten wollten, konnten wir nicht halten, weil ihnen Angebote vorlagen, die unsere finanziellen Möglichkeiten überstiegen. Gern würden wir in der neuen Saison mit mindestens sechs der bisherigen Spieler weitermachen, um endlich mehr Kontinuität in den Kader zu bringen. Erste Gespräche haben bereits stattgefunden.

Gibt es eine Chance, Spielmacher Anthony Canty zu halten?

Er hat in den vergangenen zwei Jahren genau die Entwicklung gemacht, die wir von ihm erwartet haben. Er ist inzwischen einer der besten Spieler der Zweiten Liga, hat dementsprechend seinen Marktwert. Er ist 26 Jahre alt. Er will in die Erste Liga. Da wollen wir auch hin. Das ist doch eine gute Basis für eine weitere Zusammenarbeit.