München/Hamburg. Nach dem 0:8 von München hat der HSV nur drei Tage Zeit, um das traumatische Erlebnis zu verarbeiten

Der Sonntag begann für Markus Gisdol mit einer guten Nachricht. Nachdem der HSV-Trainer am Tag nach der 0:8-Niederlage beim FC Bayern München seine Mannschaft versammelte und ihr die Analyse vor Augen führte, erkundigte er sich nach den Blessuren seiner Spieler. Das Ergebnis der Fragerunde: nichts. Keine Wehwehchen, keine neuen Verletzungen. Für das DFB-Pokalspiel am Mittwoch gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr) muss Gisdol nur um den an der Schulter verletzten Kyriakos Papadopoulos bangen.

Das Schlechte an dieser Erkenntnis: Sie ist die Folge eines Spiels, in dem sich der HSV gar nicht wirklich verletzten konnte. Ohne Gegenwehr, ohne Zweikampfverhalten, ohne Einsatz und ohne Leidenschaft hatten sich die Hamburger am Sonnabend in ihr Schicksal ergeben. „Wir kamen immer einen Schritt zu spät. Wir kamen nicht in die Zweikämpfe. Das war unerträglich“, sagte Torhüter René Adler. Symptomatisch: Die Bayern hatten zwar fast durchgehend den Ball (70 Prozent), begingen aber trotzdem mehr Fouls als der HSV (15:11). „Wir haben heute wieder eindeutig gesehen, dass wir ohne Kampf und Zweikampfhärte gegen die Bayern nicht bestehen können. Das ist brutal bitter.“

Noch zwei Wochen zuvor hatte sich der HSV durch das 3:0 bei Bayernverfolger RB Leipzig in der Liga wieder Respekt erarbeitet. Davon ist nach der neuerlichen Blamage von München nahezu nichts übrig geblieben. „Wir haben uns heute wieder alles eingerissen, was wir uns in den vergangenen Wochen an Ansehen außerhalb von Hamburg aufgebaut hatten“, sagte Adler. Zudem ist der HSV nach dem Sieg von Rivale Werder Bremen wieder auf den Relegationsrang zurückgefallen.

Nicht weniger schlimm: Einmal mehr hat sich der HSV in Fußball-Deutschland zum Gespött gemacht. Viele andere Mannschaften haben in den vergangenen Jahren mitunter hohe Niederlagen in München hinnehmen müssen – auch in der Champions League. Doch Ergebnisse wie 0:8 oder 2:9 schafft in der Bundesliga nur der HSV. „Gespött hin, Gespött her. Es haben schon viele Leute über uns gelacht, und wir sind trotzdem zurückgekommen“, sagte Mergim Mavraj.

Für die Hamburger geht es nun darum, das traumatische Erlebnis von München so schnell wie möglich aus den Köpfen zu kriegen. In der Vergangenheit ist dem HSV dieses Kunststück meist gut gelungen. In der vergangenen Saison folgte nach dem 0:5 am ersten Spieltag ein 3:2-Sieg gegen Stuttgart. Vor zwei Jahren ging es eine Woche nach dem 0:8 im Volkspark gegen Borussia Mönchengladbach. Der HSV zeigte eine gute Reaktion und musste erst in der Nachspielzeit den 1:1-Ausgleich hinnehmen.

Die Geschichte wiederholt sich. Am Mittwoch muss der HSV wieder gegen die Borussia ran. „Auch wenn es schwerfällt, geht es jetzt darum, schnell wieder den Kopf gerade zu ziehen“, sagte Gisdol unmittelbar nach dem Spiel bei den Bayern. Der Trainer steht vor der Herausforderung, das Negativerlebnis von München schnell wieder in positive Energie umzuwandeln. „Wir werden über das Spiel deutlich sprechen, dann aber auch einen dicken Strich drunter machen“, sagte Gisdol am Sonnabend – und erledigte diesen Plan am Sonntag.

An diesem Montagnachmittag beginnt für den HSV bereits die Vorbereitung auf den DFB-Pokal. „Unsere Mannschaft hat Charakter. Wir sind kein Team, das sich aufgibt“, sagte Sportchef Jens Todt am Sonntag im Gespräch mit dem Abendblatt. Nach einer unruhigen Nacht suchte Todt am Tag danach nach Erklärungen. „Die Mannschaft hat schnell gemerkt, dass an diesem Tag nicht viel drin ist. Dann ist ihr zwischenzeitlich das Herz in die Hose gerutscht, und die Beine wurden schwer. Man spürt dann eine Lähmung“, sagte Todt.

Und genau diese Lähmung muss der HSV nun schnell abschütteln. „Natürlich besteht die Gefahr, dass du das ein Stück weit mehr mit dir rumträgst“, sagte Trainer Gisdol. „Aber eines hat uns in der Vergangenheit immer ausgezeichnet: Dass wir auch heftige Rückschläge verarbeiten konnten und sehr schnell wieder in der Spur waren.“

In den Aussagen seiner Spieler spiegelte sich diese Auffassung. „Wir kriegen keinen Knacks. Dafür gibt es keinen Grund“, sagte Mavraj und erinnerte an die 0:3-Niederlage in Ingolstadt vor vier Wochen, auf die der HSV einen 1:0-Sieg gegen Leverkusen folgen ließ. „Nach Ingolstadt gab es noch viel schlimmere Fragen. Auch darauf haben wir Antworten geliefert“, sagte Mavraj.

Der Verteidiger zeigte sich verbal bereits kurz nach dem Spiel in München bemerkenswert angriffslustig. „Spätestens morgen müssen wir bereit sein, Gladbach aus unserem Stadion zu hauen“, sagte Mavraj. Worte, die man eben so sagt nach einer 0:8-Niederlage.