Hamburg . Der Trainer des FC St. Pauli kündigt vor dem Spiel gegen den Karlsruher SC personelle Härtefälle an

Es war eigentlich schon alles gesagt, Pressesprecher Christoph Pieper blickte noch einmal fragend in die Runde. Kopfschütteln, alles klar – aber da ergriff Ewald Lienen das Wort. Dem Trainer des FC St. Pauli lag am Tag vor dem Abstiegskampf gegen den Karlsruher SC an diesem Montag (20.15 Uhr/Sport1 und Sky) noch etwas auf dem Herzen. „Für uns ist es ein wichtiges Thema, wie die Spieler sich verhalten“, sagte Lienen also ungefragt, „jeder muss Egoismen zurückstellen.“

Zweifel? Was ist da los? Stänkert wer? „Keiner darf sauer sein, wenn er mal nicht spielt“, verkündete Lienen. „Bisher verhalten sich alle top. Aber das muss so bleiben. Wir schaffen es nur gemeinsam.“ Warum der erfahrene Fußballlehrer von sich aus mit diesem Thema anfing und eigentliche Selbstverständlichkeiten extra betonte, blieb ungeklärt. Man kann ja so wenig in die Kabine schauen wie in die Köpfe der Profis. Tatsache ist aber, dass Lienen vor dem Duell mit den punktgleichen Badenern so viele gesunde Spieler wie noch nie in dieser Saison zur Verfügung hat. Und damit vor schwierigen Entscheidungen steht: Wer läuft auf, wer sitzt draußen, wer sitzt auf der Tribüne? „Es wird wieder Härtefälle geben“, kündigte der Trainer an.

Seit Wochen schon schiebt Torwart Robin Himmelmann stumm Frust, weil er nach seiner Verletzung zum Ende der Hinrunde nicht mehr an seinem ursprünglichen Ersatzmann Philipp Heerwagen vorbeikommt. Mannschaftskapitän Sören Gonther hat durch eine Knieverletzung vor Rückrundenstart seinen Stammplatz in der Innenverteidigung verloren. Marc Hornschuh ersetzte ihn in den vergangenen drei Spielen an der Seite von Lasse Sobiech erstklassig. Kein Grund zu Änderungen also. Nun trainierte in dieser Woche aber auch noch erstmals nach langer Zwangspause Verteidiger Philipp Ziereis wieder voll mit. „Er macht einen richtig guten Eindruck“, lobte der Coach.

Im offensiven Mittelfeld ist Winterzugang Mats Möller Daehli, norwegischer Nationalspieler immerhin, nach Muskelblessur wieder auf dem Damm, ebenso Kyoung-Rok Choi. Beide werden Christopher Buchtmann aber wohl nicht verdrängen können. Lennart Thy stand in den vergangenen beiden Partien nicht mehr in der ersten Elf. Auch er ist ein gefühlter Stammspieler. „Wir können als Trainer nicht permanent die Mannschaft verändern, damit jeder zu Spielen kommt“, stellte Lienen klar.

Es ist eben kein Pausenhofkick, sondern Profifußball – und Existenzkampf für den Kiezclub. „Der Konkurrenzkampf im Team ist größer, das ist positiv, alle können sich gegenseitig pushen“, meinte Ewald Lienen.

Der Blick auf die Tabelle vor dem Spiel gegen Karlsruhe verdeutlicht die Notwendigkeit zu einem Dreier. St. Pauli ist 17., kann mit einem Sieg aber auf den rettenden 15. Rang springen. Die aktuelle Form spricht dabei durchaus für die Hamburger. Karlsruhe ist seit drei Spielen sieglos. Der neue Trainer Mirko Slomka konnte nur das erste Rückrundenspiel gegen Bielefeld gewinnen, St. Pauli ist dagegen seit drei Spielen ungeschlagen, hatte beim 1:1 in Bielefeld überlegen gespielt, aber in der 94. Minute noch den Ausgleich kassiert. Zwei wertvolle Punkte weg. „Dass die Stimmung danach nicht besonders war, ist wohl klar“, gab Lienen zu.

Also jetzt Karlsruhe. Lienen blickt in seinen Spiralblock, eng beschrieben mit Notizen auf Fußballfeld-Schemata. Offenbar seine KSC-Kladde. Dann referiert er über die Karlsruher Mannschaft, geht gefühlt jeden einzelnen Mannschaftsteil namentlich durch – „sehr groß; talentiert; guter Abschluss; zweikampfstark; aus der zweiten Wolfsburger Mannschaft geliehen“, und so weiter. Lienen weiß alles. Spielstark sei der KSC, habe eine gute Ballzirkulation. „Ein 4-4-2-System“ würde der Kollege Slomka bevorzugen, „und ein explosives Umschalten in beide Richtungen, da müssen wir aufpassen“. Als HSV-Trainer war Slomka 2014 nie am Millerntor, jetzt will er von der Atmosphäre auch mit seinem Team profitieren: „Wir müssen sie auch als positiv empfinden. Eine gute Stimmung ist meistens gut für beide Teams.“

Für den KSC ist es das erste Montagabendspiel in dieser Saison, für St. Pauli schon das fünfte. Gewonnen haben die Kiezkicker keines davon. „Es ist immer eine Umstellung, wenn man sonst gegen 13 Uhr spielt, man muss den Leistungshöhepunkt Richtung Abend bewegen“, sagte Lienen. Die letzten vier Trainings haben deshalb erst um 17 Uhr stattgefunden. Am Sonnabend testeten sie im Stadion den erst einen Tag vorher verlegten neuen Rollrasen. Der Ball lief gut, auch wenn der Boden durch den Dauerregen weich war. Bis zum Abend hat das neue Geläuf noch mehr Zeit, sich zu legen. Einen Acker wie gegen Dresden wird es also nicht mehr geben. Ballstafetten, schönes Spiel scheinen wieder möglich. „Bei allem Kampf und Einsatz wollen wir auch Fußball spielen. Dafür ist ein guter Rasen entscheidend“, erklärte Lienen. „Wir müssen allerdings jedes Spiel als Endspiel betrachten.“