Hamburg. Um sein Ziel Zweite Liga zu erreichen, muss der Eishockeyprofi vor allem seine Hochnäsigkeit abstellen

Es gibt eine Frage, die die meisten Sportler ungern beantworten. Will man eine Selbsteinschätzung zu Stärken und Schwächen hören, ist die Antwort oft, dass andere das beurteilen müssten. Umso überraschender ist deshalb, wie Lukas Gärtner über sich denkt – und das auch offen ausspricht. „Meine Schwäche ist, dass ich etwas lahmarschig und steif bin. Außerdem unterschätze ich manchmal den Gegner, gehe hochnäsig ins Spiel und werde dafür bestraft“, sagt der 22-Jährige. Eine entwaffnende Ehrlichkeit ist das, die selbstverständlich die Anschlussfrage herausfordert, warum er diese Hochnäsigkeit nicht einfach abstellen kann. Antwort: „Weil das unheimlich schwierig ist, wenn man gegen einen Gegner spielt, von dem man schon vorher weiß, dass man ihn klar schlagen wird.“

Lukas Gärtner ist Abwehrspieler bei den Crocodiles Hamburg in der Eishockey-Oberliga, und tatsächlich hat es in dieser Saison zumindest während der 30 Hauptrundenpartien einige gegeben, in denen die Hamburger ihren Konkurrenten so eindeutig überlegen waren, dass gewisse Konzentrationsmängel nachgesehen werden mussten. Aber wahrscheinlich ist es genau das, was der in Kempen am Niederrhein geborene und in Krefeld aufgewachsene Neu-Hamburger, der im Sommer vom Ligakonkurrenten Füchse Duisburg kam, als seine Schwäche erkannt hat, die Erklärung dafür, warum er nur in der dritthöchsten deutschen Spielklasse auflaufen darf.

Vom Talent her, das sieht eine Reihe Experten ähnlich, könnte der 196-Zentimeter-Turm locker in der DEL2 spielen. Und dort hätte Gärtners Weg schon im vergangenen Jahr hinführen sollen. Die Kassel Huskies hatten Interesse, doch ein zu spät diagnostizierter Bruch der Schulterpfanne im linken Arm, mit dem er wochenlang weiterspielte, vereitelte die Pläne. „Ich lag nach der Operation Ende März einen Monat flach und merkte, dass ich es nicht schaffen würde, für die Zweite Liga fit zu werden“, sagt der Verteidiger, der mit seiner Freundin in Stellingen lebt. Lukas Gärtner saß also in Krefeld auf der Couch und fragte sich, wie er seine sportliche Zukunft gestalten solle, als sein Telefon klingelte. Am anderen Ende war Christoph Schubert, nach dem Aus der Hamburg Freezers als Kapitän zu den Crocodiles gewechselt und dort in die Kaderplanung eingebunden. „Das war ein tolles Gefühl, dass so eine NHL-Legende einen anruft“, sagt er.

Der Lockruf wirkte, Gärtner entschied sich für den Umzug nach Hamburg – und hat diesen Schritt noch keine Sekunde bereut. „Wir haben ein tolles Team, in dem jeder für den anderen kämpft. Mir macht es großen Spaß, ein Teil des Neuaufbaus zu sein“, sagt er.

Die Zweite Liga ist zwar noch immer sein Ziel, immerhin setzt Gärtner, der per Onlineunterricht gerade sein Abitur nachholt, als Profi voll auf die Karte Eishockey. „Aber am liebsten würde ich dieses Ziel mit den Crocodiles erreichen“, sagt er. In diesem Jahr hat der Club sich nicht für die Lizenzierung beworben, man will nichts überstürzen. Aber Gärtner hat seinen Vertrag für die kommende Saison verlängert, „und wer weiß, was dann möglich ist.“

Schon in dieser Saison wollen die Krokodile um den Meistertitel kämpfen, auch ohne den Anreiz des Aufstiegs. Drei Partien, beginnend mit dem Heimspiel gegen Tabellenführer Herner EV an diesem Freitag (20 Uhr, Eisland Farmsen), sind noch in der Meisterrunde zu absolvieren, ehe am 17. März die Play-offs starten, die Hamburg als Tabellenfünfter bereits sicher hat. „Ich glaube, dass wir in den Play-offs eine richtig gute Rolle spielen werden“, sagt Lukas Gärtner. Auf ihn dürfte diese Aussage ebenfalls zutreffen, denn in den Play-offs gibt es keine Gegner mehr, die er unterschätzen könnte.