Hamburg. Hamburgs Trainer Gisdol hebt den Niederländer auf eine Stufe mit Ronaldo. Geht sein Plan gegen Bayern auf?

Die Frage war noch gar nicht zu Ende formuliert, da schüttelte Markus Gisdol bereits mit dem Kopf. „Nein“, sagte der HSV-Trainer schließlich. Er habe keine Angst. Was im Hinspiel passiert ist? Interessiert ihn nicht. Was in den vergangenen Jahren passiert ist? Interessiert ihn schon mal gar nicht. Vor dem Spiel des HSV beim FC Bayern München am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) kam Gisdol dennoch nicht um die Zahlen der Vergangenheit herum. Sieben Heimspiele in Folge haben die Bayern seit 2010 gegen den HSV gewonnen. 37:3 Tore haben sie dabei erzielt. Und Gisdol? Den interessiert das nicht.

Es spricht für den Hamburger Trainer, dass er sich vor dem Spiel beim Abonnementsmeister aus München nicht einfach so in sein Schicksal ergeben will. „Wir haben den notwendigen Mut“, sagte Gisdol am Donnerstag. Nach vier Pflichtspielen in Folge ohne Niederlage mit drei Siegen fliegt der HSV mit Selbstvertrauen nach München – auch wenn sich Gisdol trotz aller Angstlosigkeit der scheinbar unlösbaren Aufgabe bewusst ist. „Aktuell trennen uns Welten“, sagt er.

Vor allem aber trennen die beiden Clubs auf nahezu allen Positionen Weltklassespieler. Und aus diesem Weltklasseensemble ragte zuletzt mal wieder ein Mann heraus, der auf seine alten Tage einfach nicht langsamer werden will: Arjen Robben. Insbesondere bei der 5:1-Gala vor neun Tagen in der Champions League gegen den FC Arsenal gab es mal wieder diesen einen großen Robben-Moment. Eine Tempoverschärfung von rechts, ein Schuss mit links, ein Treffer in die lange Ecke. Ein Robben-Tor. „Ich hab schon ab und an solche Treffer gemacht“, sagte der Niederländer in seiner typisch verschmitzten Robben-Art.

HSV-Fans kennen diese Tore besonders gut. Dass die Hamburger in den vergangenen Jahren in München regelmäßig ein bayerisches Schützenfest erlebten, hatte viel zu tun mit diesen typischen Robben-Bewegungen. Acht Tore und vier Vorlagen gelangen dem 33-Jährigen in seinen letzten fünf Heimspielen gegen den HSV. Die Ergebnisse dabei: 5:0, 6:0, 9:2, 8:0, 5:0. Rechtzeitig zum Spiel am Wochenende ist Robben nun wieder in Topform. Und Gisdol? Der hat noch immer keine Angst. Dafür aber großen Respekt.

„Es gibt Weltklassespieler, die kannst du nicht immer stoppen“, sagte Gisdol am Donnerstag und nannte Robben in einem Atemzug mit Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. „Diese Spieler haben so ein Repertoire und so ein Tempo drauf, dass du das nicht immer über 90 Minuten gut verteidigen kannst.“ Auch die Münchner Douglas Costa und Franck Ribéry zählt Gisdol zu diesen „Weltklasse-Außenspielern“. Ribéry, der mit fünf Toren und sieben Vorlagen eine ähnlich gute HSV-Bilanz aufweist wie Robben, ist nach seiner Muskelverletzung am Wochenende ebenfalls wieder einsatzfähig.

Für den HSV wird es eine Herkulesaufgabe, die Flügelstürmer der Bayern aus dem Spiel zu nehmen. Wie Gisdol die Aufgabe meistern will, deutete er im Training an. Da ließ er die Außenspieler bei Ballbesitz direkt mit zwei Mann attackieren. „Eins-zu-eins-Situationen gegen Robben oder Ribéry kann ein einzelner Spieler nicht lösen. Da brauchst du schon Unterstützung“, sagte Gisdol am Donnerstag.

Hoffnung schöpft der HSV aus dem bisherigen Saisonverlauf. Die Bayern führen die Tabelle zwar schon wieder mit fünf Punkten Vorsprung an, doch insbesondere in den Heimspielen wirkte der Meister nicht immer meisterlich. „Einige Spieler haben im Umschaltspiel nach hinten Probleme mit der Geschwindigkeit“, sagte Lothar Matthäus der „Bild“-Zeitung. „Da kann der HSV mit seinen schnellen Offensivspielern wie Müller oder Wood etwas erreichen.“ Matthäus empfiehlt dem HSV, auf eine Fünferkette oder ein System mit drei defensiven Mittelfeldspielern umzustellen.

„Natürlich hast du als Trainer solche Überlegungen“, sagte Gisdol. Man dürfe eben nur nicht mit Angst in das Spiel gehen. Aber auch nicht mit zu viel Risiko. „Wer denkt, dass wir die Situation mit einem extrem risikoreichen Spiel ausnutzen können, der macht einen großen Fehler.“ Einen Fehler, den der HSV in seiner jüngsten Vergangenheit bei den Bayern ein wenig zu häufig machte.