Hamburg. Seit zwei Jahren ohne Wettkampf – HSV-Weitspringer Sebastian Bayer trainiert für sein Comeback zur EM 2018

Der Kinobesuch war mal wieder etwas für die Seele. Montagabend war Sebastian Bayer quasi Stargast im Hamburger Programmkino Abaton. Gezeigt wurde der Dokumentarfilm „Die Norm – Ist dabei sein wirklich alles?“ Fünf Athleten waren vor den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro 2016 über 20 Monate lang von einem Filmteam bei ihren Vorbereitungen begleitet worden. Bayer, Ex-Europameister im Weitsprung und Noch-Inhaber des europäischen Hallenrekords mit 8,71 Metern, war einer von ihnen. Er verpasste am Ende den Start bei Olympia in Brasilien wegen einer Verletzung. Wieder einer Verletzung.

Doch der ehemalige Weltklasse- Weitspringer, inzwischen 30 Jahre alt und Vater eines acht Monate alten Sohnes, will noch nicht lassen von der Droge Erfolg, von der Motivation Leistungssport. Der Mann, der sich seine gesamte Leichtathletikkarriere hindurch mit körperlichen Beschwerden und Verletzungen plagen musste, fühlt sich noch nicht bereit für Plan B. Für ein Leben abseits der öffentlichen Beachtung, der Rekorde und dem selbst auferlegten Leistungsdruck. „Mein großes Ziel ist die Heim-Europameisterschaft 2018 in Berlin“, sagt er. „Ich will es mir und all jenen, die an mich glauben, aber vor allem auch meinen Kritikern zeigen, dass ich es noch einmal schaffen kann.“

Ein Knorpelschaden im Knie war es zuletzt, den er operativ behandeln ließ. Nun ist er am Olympiastützpunkt im Reha-Training, quält sich rund 20 Stunden pro Woche, erhöht alle 14 Tage die Belastungsintensität und hofft, den schwächelnden Körper noch einmal in jenen Zustand zu trainieren, der ihn, den überaus begabten Athleten, zu einer Höchstleistung befähigt. Gerade eben hat er die Trainingseinheit für diesen Tag beendet, ist auf dem Heimweg nach Hummelsbüttel zur Lebensgefährtin Julia Reusch und zum kleinen Sohn. „Ohne ihn wäre ich im vergangenen Jahr in ein sehr tiefes Loch gefallen“, erzählt er. „Als Vater hat man andere Aufgaben. Der Kleine hat mir extrem geholfen.“

2014 bei den Europameisterschaften in Zürich bestritt Bayer seinen bisher letzten Wettkampf. 2015 zog er sich eine Fußverletzung zu, vor Olympia setzte ihn ein Muskelfaserriss im Oberschenkel außer Gefecht, nun verweigert das Knie den Dienst. Aber aufhören? Aufgeben? „Ja, es liegen viele Steine im Weg“, sagt er. „Aber ich fühle mich unvollendet, wenn ich es nicht wenigstens noch mal versuche.“

Bis zum Herbst dieses Jahres hat er noch Zeit. Dann entscheidet die Bundeswehr, ob es sich lohnt, weiterhin auf den Sportsoldaten Bayer zu setzen. Oder ob es nicht wirtschaftlicher ist, die finanzielle Unterstützung einem jüngeren, aussichtsreicheren Athleten zu gewähren. Andere Sympathisanten haben schon aufgegeben. Sein Ausrüstervertrag ist aufgelöst, ebenso der mit dem HSV. Die fetten Jahre, als er, der erfolgreiche deutsche Vorzeigeathlet, mit der Grundsicherung, Prämien und Sponsorenverträgen vergleichsweise gut verdiente, sind vorbei. „Aber der HSV und ich, wir sind noch in Gesprächen“, sagt er. Dass ihn manchmal Frust überkomme, nicht mehr umworben zu sein, versuche er auszublenden. An sich zu glauben, gehöre zum Sportler-Gen. Und dann ist da ja auch noch Uwe Florczak, der Bundestrainer und sein Heimtrainer. „Er glaubt an mich und das Projekt“, sagt Bayer.

Klappt es nicht mit dem Comeback, hofft er auf den Klinikkonzern Asklepios, „großartige Unterstützer des Sports in der Stadt“. Und weil ihm ein noch nicht näher geplanter beruflicher Einstieg in den Gesundheitssektor vorschwebt, kann er sich eine zukünftige Zusammenarbeit gut vorstellen. Aber erst einmal gilt: Berlin, Berlin, der Bayer will nach Berlin.