Hamburg. Der HSV-Verteidiger dürfte in München Papadopoulosersetzen – und sich im Sommer aller Voraussicht nach einen neuen Club suchen

Am Wochenende war Johan Djourou endlich wieder obenauf. Und das gleich doppelt. Erst auf dem Platz, als er kurzfristig gegen Freiburg für den an der Schulter verletzten Kyriakos Papadopoulos einspringen musste und seine Sache sehr ordentlich machte. Und dann noch auf diesem Foto des gewonnenen Luftduells, das er bei Instagram postete (siehe rechts). „Wir bleiben dran! Immer weiter kämpfen“, schrieb Djourou dazu und fügte noch zwei angespannte Bizepsmuskeln zur Verdeutlichung hinzu.

Es gibt kaum einen HSV-Profi, der in den sozialen Netzen derart offensiv ist wie der Defensivmann. Djourou mit seiner Tochter beim Kuscheln auf Instagram, ein Valentinsgruß („Let’s share love“) auf Twitter, und auf Facebook ein paar Fußball-philosophische Gedanken: „Wir machen Menschen zu schreien, springen, lächeln oder weinen und wir spielen nur Fußball. Wir machen sie glücklich oder manchmal traurig, aber sie sind immer bei uns! Was für eine Unterstützung. Danke. Die Schönheit des Fußball.“ Dem spaßigen Schweizer geht es gut in seiner Snapchat-Instagram-WhatsApp-Welt.

In der realen Welt ist das anders.

Der Innenverteidiger des HSV scheint enttäuscht, ein bisschen verbittert und möglicherweise sogar beleidigt. So genau weiß man das nicht. Denn der 30-Jährige, der fast täglich irgendwelche Sprüche in sein Handy schreibt, redet nicht. Nicht mehr. Bereits seit Monaten schweigt der Nationalspieler, der zunächst von Trainer Markus Gisdol als Kapitän abgesetzt und nach den Winterverpflichtungen von Papadopoulos und Mergim Mavraj auch noch vom Stamm- zum Ersatzspieler degradiert wurde.

„Ich weiß nicht genau, warum Johan öffentlich nicht reden mag“, sagt Sportchef Jens Todt. „Was ich aber ganz genau weiß, ist, wie professionell Johan mit seiner Rolle innerhalb der Mannschaft umgeht. Im Training verhält er sich absolut vorbildlich. Wenn der Trainer ihn braucht, dann ist er auch da.“

Und der Trainer braucht ihn. Brauchte ihn zunächst am vergangenen Sonnabend gegen Freiburg. Und braucht ihn aller Voraussicht nach am kommenden Sonnabend gegen Bayern München. Als Ersatz von Papadopoulos, der sich am trainingsfreien Montag an seiner lädierten Schulter behandeln ließ und dessen Einsatz beim Rekordmeister als eher unwahrscheinlich gilt.

„Mit Johan, Mergim und Papa haben wir nun drei Innenverteidiger, von denen wir zwei jederzeit bedenkenlos spielen lassen können“, lobte Gisdol noch vor der Papadopoulos-Verletzung. Die Worte sind ernst gemeint. So ernst, dass Gisdol und Todt gemeinsam ihr Veto einlegten, als es am 31. Januar kurz vor dem Ende der Transferfrist plötzlich noch ein lukratives Last-minute-Angebot für Djourou gab. Crystal Palace wollte den früheren Arsenal-Profi unbedingt in die Premier League zurückholen, erhielt aber eine Absage aus Hamburg – und lieh stattdessen Mamadou Sakho vom FC Liverpool aus.

Doch Djourous geplatzter Wechsel nach England könnte im Sommer nachgeholt werden. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, heißt es ja so schön. „Wir werden erst Vertragsgespräche führen, wenn wir gerettet sind“, sagt Sportchef Todt – und hat das Djourou auch persönlich mitgeteilt. Der Schweizer hat im Vieraugengespräch seine Bereitschaft erklärt, trotzdem alles für den HSV zu geben, bei einer lukrativen Offerte aber nicht auf ein HSV-Gegenangebot nach dem Klassenerhalt warten zu wollen.

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit könnte als Erklärung für die bevorstehende Zukunft dienen. Djourou ist seit dreieinhalb Jahren beim HSV. Sieben Trainer, drei Sportchefs und zwei Vorstandsvorsitzende hat der gebürtige Ivorer seitdem erlebt. Zweimal musste er in die Relegation, einmal rettete sich der HSV am vorletzten Spieltag. Spieler kamen und gingen. Nur Djourou blieb immer, verlor – und musste anschließend auch noch Heiko-Westermann-mäßig die Niederlagen erklären.

So auch am 5. November, als der HSV 2:5 gegen Dortmund unterging. Djourou war schlecht, spielte einen desaströsen Fehlpass vor dem 0:2 und suchte auch nach der Partie nicht nach Entschuldigungen. Dann sagte er aber, dass die Dreierkette, für die sich Trainer Gisdol erstmals entschieden hatte, neu gewesen sei für die Mannschaft. „Es fehlten die Automatismen“, so Djourou.

Zwei Sätze. Keine Kritik, nur der Versuch einer Erklärung. Und doch waren sie der Anfang vom Ende. Für Djourou als Kapitän – und für das zuvor gute Verhältnis der Journalisten zu Djourou.

Eine gute Woche später benannte Gisdol den Japaner Gotoku Sakai zum neuen Kapitän – und forderte öffentlich mindestens zwei neue Innenverteidiger in der Winterpause. Djourou, der sich wenige Monate zuvor trotz des Pfeifferschen Drüsenfiebers für den HSV auf dem Platz gequält hatte, verstand die Welt nicht mehr – und flüchtete sich ab sofort in die digitale Welt.

Spätestens am Sonnabend soll Djourou nun die Rückkehr in die große Welt des Fußballs feiern. Allianz-Arena. Die Bayern. Dreimal spielte er dort mit dem HSV. Dreimal verlor er. 1:16 Tore. „Das Leben wird nicht einfacher“, postete Djourou letztens bei Instagram. „Nur ich werde immer stärker.“