Drei WM-Medaillen hat Biathlon-StarDahlmeier schon gewonnen und geht wieder auf die Jagd

Wirklich Ruhe fanden sie am gestrigen WM-Ruhetag nicht. Zwar verzichteten sie auf Training nach den ersten drei kräftezehrenden Wettkämpfen in Hochfilzen. Doch nur Beinehochlegen war auch nicht möglich. Der gemeinsame Ski-Ausrüster bat unter anderem Laura Dahlmeier und Gabriela Koukalova in den Mittagsstunden zum Termin. Gut gelaunt traten sie auf; die Deutsche im blauen Kapuzenpulli und mit sportlichem Zopf, die Tschechin trug ein schickes Oberteil und ihre rotblonden Haare offen.

Koukalovas attraktive Erscheinung ließ den neben ihr sitzenden Norweger Johannes Tignes Bö offensichtlich nicht kalt. Befragt nach seinem Wunsch für den heutigen Valentinstag, umarmte er die 27-Jährige und meinte mit einem Grinsen, mehr brauche er nicht für einen perfekten Tag. Die „schöne Gabi“ konterte daraufhin mit gekonntem Augenaufschlag: „Da musst du noch ein paar Tage warten. Mein Mann ist natürlich ebenfalls hier.“

In das laute Gelächter stimmte auch Dahlmeier ein, die mit der Konkurrentin diesen Biathlon-Winter nach Belieben dominiert. Jeweils fünf Siege stehen nach 17 Einzelrennen für jede zu Buche. Das Ringen um die große Kristallkugel für den Gesamtweltcup hat sich zu einem Zweikampf entwickelt. Und auch den Titelkämpfen in Tirol drücken sie ihren Stempel auf. Den Sprint gewann die Tschechin, Dahlmeier holte Silber. Die Verfolgung entschied die Bayerin für sich, Koukalova jubelte über Bronze. Das nächste Duell steht an diesem Mittwoch im 15-Kilometer-Einzelwettkampf an (14.30 Uhr/ARD und Eurosport live). Beide Frauen gelten als die derzeit komplettesten Biathletinnen. Sie können schnell laufen, bis zum Umfallen kämpfen – und beeindrucken am Schießstand immer wieder mit Abgeklärtheit. Ihre Treffsicherheit in dieser Saison ist nahezu identisch (Dahlmeier 87 Prozent, Koukalova 86).

So sehr sie die Fokussierung auf ihren Sport eint, so unterschiedlich sind sie als Typen. Während die 23-jährige Deutsche als typisches Naturmädel daherkommt, sich selten schminkt und am liebsten Turnschuhe trägt, ist die Frau aus Jablonec so etwas wie das Glamour-Girl im Biathlon-Zirkus: auch während der Rennen top gestylt und mit einem strahlenden Lächeln unterwegs. „Sie ist die schönste Athletin, dazu supernett und immer freundlich“, sagt Dahlmeier, die Zollwachtmeisterin.

Koukalova ist in ihrer Heimat nicht erst seit der Hochzeit mit dem Badminton-Profi Petr Koukal im Mai 2016 zum Star aufgestiegen. Sie macht Fernsehwerbung, ist auf zahlreichen Plakaten zu sehen, modelt und sang schon vor Tausenden Fans bei der WM-Abschlussfeier 2013 in Nove Mesto. Diese Frau, das strahlt sie auch aus, genießt es, im Mittelpunkt zu stehen. Laura Dahlmeier dagegen ist das genaue Gegenteil. Personenkult ist ihr unangenehm. Sie entflieht lieber dem Trubel, verschwand auch auf der Feier nach dem Gewinn der Goldmedaille als erste Athletin, „um ein bisschen abzuschalten und zur Ruhe zu kommen“.

Die findet sie vor allem als Bergsteigerin in der Natur. Jeden Klettersteig zieht sie einer Einkaufsmeile vor, „weil mir Shoppen zu anstrengend ist“. Vergangenes Frühjahr reiste sie für vier Wochen nach Nepal und bestieg zwei Sechstausender. Und auch im Yosemite-Nationalpark in den USA kletterte sie bereits am El Capitan, während die Sportkollegen, mit denen sie dort war, Strand und Wellengang genossen. Zu Hause in Garmisch ist sie oft mit dem Vater unterwegs. Der ist Bereitschaftsleiter bei der Bergwacht und zudem, wie seine Ehefrau, ehemaliger Profi-Mountainbiker. Dass die Tochter mit diesen Sportgenen versehen die Leidenschaft für die Berge geerbt hat, ist kein Zufall.

Dazu passt ihre Ausstrahlung einer Frau, die sich nur durch wenig aus der Ruhe bringen lässt. Dahlmeiers Erklärung dafür ist ebenfalls in der Natur zu finden. „Wenn du in der Wand hängst und runterschaust, dann merkst du, was für ein kleines Wesen du eigentlich bist. Im Vergleich zu diesen Naturgewalten ist ein Biathlonrennen auf einmal gar nichts Großes mehr.“

Lehrgeld hat sie dennoch zahlen müssen. Im August 2014 stürzte sie bei einer Klettertour ab und erlitt eine Knöchelfraktur. Die Bergwacht musste sie abseilen. Der Unfall habe sie noch stärker gemacht, sagte Dahlmeier später. Auch Bundestrainer Gerald Hönig kritisierte das gefährliche Hobby seiner Vorzeige-Athletin nicht. „Nur wer sich auch in der Freizeit überwinden und mit Risiko umgehen kann, der schießt eine Null vor der Schlussrunde und legt beim Laufen noch mal eine Schippe drauf.“

Die Zuschauer, vor allem an den Fernsehgeräten in Deutschland, sind jedenfalls mehr denn je begeistert von den Wettkämpfen der Skijäger. Die WM in Hochfilzen erzielt derzeit Topquoten. Dahlmeiers Verfolgungssieg am vergangenen Sonntag verfolgten im Schnitt 4,18 Millionen Zuschauer, was einen herausragenden Marktanteil von 31,2 Prozent bedeutete. Das Jagdrennen der Männer – mit einem enttäuschenden Abschneiden der Deutschen – sahen in der Spitze sogar 5,64 Millionen Fans.

Deutsche Hardcore-Anhänger fieberten an diesem Nachmittag alternativ mit dem norwegischen Altstar Ole Einar Björndalen mit, der mit 43 Jahren noch einmal Silber gewann. „Der ist in meinem Alter“, behauptete danach ein gewisser Jürgen Klopp (49) in Liverpool. Perfektes Marketing ist, wenn ein deutscher Fußballtrainer in England Fan eines norwegischen Biathleten ist.