Hamburg. FC St. Pauli nutzt beim 2:0 gegen Dresden die Platzverhältnisse für sich. Ärger um Transparent der Ultra-Fans

Alexander Berthold

Voller Freude und Zufriedenheit schlenderte Roger Hasenbein, langjähriges Aufsichtsratmitglied des FC St. Pauli, gut eine Stunde nach dem Abpfiff durch das Millerntor-Stadion. „Endlich haben wir zu Hause wieder gewonnen und sind in der Tabelle auch noch zwei Plätze geklettert. So kann es gern weitergehen“, sagte er und gab damit ziemlich genau die Stimmungslage wieder, die auch die anderen St.-Pauli-Anhänger unter den 29.546 Zuschauern nach dem 2:0-Sieg gegen Dynamo Dresden empfanden.

Das Team von Cheftrainer Ewald Lienen hatte zuvor gegen den bisher in dieser Saison so starken Aufsteiger Dynamo Dresden seinen erst zweiten Heimerfolg gelandet – mehr als fünf Monate nach dem 2:1 gegen Arminia Bielefeld, also das Team, das am kommenden Sonntag erneut der Gegner sein wird – dann aber auswärts.

Am Ende waren sich alle Beteiligten darüber einig, dass sie den Zuschauern keine sonderlich ansehnliche Fußballkunst geboten hatten. Dies allerdings war auf der holprigen Spielfläche, die kaum noch die Bezeichnung Rasen verdient, auch praktisch gar nicht möglich. „Wir haben die Bedingungen so angenommen, wie sie eben sind“, beschrieb der zur zweiten Halbzeit für den seitlich am Schienbein verletzten Mittelfeldspieler Bernd Nehrig eingewechselte Christopher Buchtmann seine Einstellung und die seiner Kollegen. „Wir kannten den Platz in- und auswendig, auch weil wir am Donnerstag hier trainiert hatten“, berichtete der wieder einmal starke Innenverteidiger Lasse Sobiech. „Grundsätzlich wollen wir ja auch immer mehr spielerische Qualitäten zeigen, aber heute wussten wir ganz genau, das es nicht darum gehen kann, von hinten schön herauszuspielen“, sagte er weiter. Gleichzeitig wussten die St. Paulianer, dass ihr Gegner es bevorzugt, sich von hinten nach vorn zu kombinieren. Da dies auf dem Boden nur zufällig hätte gelingen können, war es St. Paulis Devise, Fehler zu provozieren.

Dieses Kalkül ging denn auch bei beiden Treffern auf. So missglückte Niklas Hauptmann ein Rückpass derart, dass dieser Ball zu einer Steilvorlage für St. Paulis Kyoungrok Choi wurde, der mit einem gezielten Flachschuss die 1:0-Führung erzielte (28. Minute). Spätestens nach diesem Treffer konnte sich Trainer Lienen bestätigt fühlen, auf Choi anstelle des kurzfristig wegen einer leichten Zerrung ausgefallenen Mats Möller Daehli gesetzt zu haben. Auch Buchtmann wäre für die zentral offensive Position im zentralen, offensiven Mittelfeld infrage bekommen.

Auch St. Paulis Treffer zur vorentscheidenden 2:0-Führung entsprang einem Dresdner Ballverlust. In diesem Fall waren es der eingewechselte Lennart Thy und Waldemar Sobota, die in Gemeinschaftsarbeit Dynamo-Verteidiger Giuliano Modica das Spielgerät abnehmen und zu Aziz Bouhaddouz spielen konnten. Der nach seiner Afrika-Cup-Teilnahme und folgender Erkältung erstmals in diesem Jahr einsatzfähige Stürmer passte den Ball weiter zu dem vor dem Tor frei stehenden Cenk Sahin. Der Türke bewahrte die Ruhe und schoss gezielt unten rechts ins Dresdner Tor.

Immer, wenn Sahin für St. Pauli trifft, springt am Ende ein Sieg heraus. Vier Mal (Bielefeld, Fürth, Braunschweig, Dresden) war dies in dieser Saison der Fall. „Um daraus eine Gesetzmäßigkeit abzuleiten, ist das noch nicht oft genug passiert“, sagte später Trainer Lienen. Vorher hatte der 22 Jahre alte Sahin versprochen: „Wenn es so sein sollte, dass wir nur siegen, wenn ich treffe, werde ich noch mehr versuchen, jede Woche zu treffen.“

Unterdessen war es während des Spiels zu unschönen Szenen auf der Südtribüne gekommen. Fans des FC St. Pauli hielten mit Anspielung auf die Luftangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg mehrere geschmacklose Banner hoch. „Schon eure Eltern haben für Dresden gebrannt“ und „Gegen den doitschen Opfermythos“ prangte dort in großen Lettern. An diesem Montag jährt sich die Bombardierung zum 72. Mal. Darüber hinaus war der Schriftzug „Seht, dort drüben, wo sie noch mit Pferden den Acker pflügen, laden sie herzlich zu ihren Märschen und Fackelzügen“ zu lesen. Dies sollte offenbar auf die Pegida-Demos hinweisen.

In den sozialen Netzwerken erhielt St. Pauli heftige Kritik für die Plakate. Auch Michael Born fand deutliche Worte. „Das geht am guten Geschmack vorbei“, sagte der Geschäftsführer von Dynamo Dresden, deren Fans ebenfalls kritikwürdige Plakate hochhielten. Am Abend entschuldigte sich der Kiezclub für die Vorkommnisse. „Auch wenn der FC St. Pauli sich von der These des Opfermythos, der in der Vergangenheit speziell von Nationalisten und Rechtspopulisten propagiert wurde, klar distanziert und einen kritischen Umgang mit der deutschen Geschichte ausdrücklich begrüßt und fordert, ist mit den Worten auf dem Spruchband eine Grenze überschritten worden, werden dort doch die Toten der Luftangriffe auf Dresden verhöhnt. Für das Verhalten seiner Anhänger möchte sich der FC St. Pauli bei Dynamo Dresden, seinen Fans und allen Angehörigen der Opfer der Angriffe vor 72 Jahren entschuldigen“, hieß es in einem Statement des Vereins.