„Ist das noch unser Fußball?“, haben wir im Abendblatt gefragt und versucht, uns im Rahmen einer Serie den tiefgreifenden Veränderungen anzunähern. Man mochte einwenden: Was soll das, der Fußball passt sich (siehe soziale Netzwerke) unserer Gesellschaft an und hat sich sowieso immer weiterentwickelt. Wer erinnert sich an Spiele ohne Einwechselspieler, ohne Rote Karten, an Erstligapartien im Schneematsch? Und was war das für ein Aufschrei, als Eintracht Braunschweig 1972/73 als erstes Teams einen Trikotsponsor präsentierte? Heute ist der liebste Sport der Deutschen so tief verankert in unserem Leben wie nie zuvor, die Stadien sind voll, die Umsätze der Branche steigen rasant.

Die Frage ist bloß: Wie lange noch? Die wichtigste Grundlage des Fußballs, der Wettbewerb, ist aus den Angeln gehoben worden – mit unabsehbaren Folgen. Im Bestreben, das Produkt Fußball (vermeintlich) optimal zu vermarkten, gibt es beispielsweise in der Champions League von der Saison 2018/19 an eine Setzliste für die vier am besten bewerteten Ligen Europas, was den ohnehin reichen Clubs Planungssicherheit garantiert und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass in Zukunft immer Vereine wie Bayern, Real Madrid, Barcelona, Chelsea, Juventus Turin oder Paris St. Germain in den K.-o.-Runden den Titel unter sich ausmachen.

Die Ungleichverteilung der Millionen zeigt sich auch in der Bundesliga, wo der Branchenführer aus München innerhalb von zehn Jahren über eine Milliarde Euro mehr an Erlösen aus der TV-Vermarktung als der Tabellen-18. erwarten darf. Hierarchien werden einbetoniert.

Selbstverständlich kann es auch in Deutschland immer mal wieder Erfolgsstorys eines Außenseiters geben wie in England Leicester City (die nach ihrem Titelgewinn wieder im letzten Tabellendrittel gelandet sind). Ob dies reicht, die Attraktivität der Liga aufrechtzuerhalten, wenn in der Regel derjenige oben mitspielt, der am meisten Geld zur Verfügung hat, muss sich jedoch zeigen. Das Schlimmste wäre, wenn sich beim „Kunden“ das Gefühl der Langeweile einschleicht – und der Gleichgültigkeit.

Standen früher Sportfans auf den Rängen, sitzen im Stadion heute zunehmend Eventbesucher, deren Vereinsliebe geringer ausgeprägt ist. Was passiert, wenn wie erwartet bald Investoren die Mehrheit an deutschen Clubs übernehmen dürfen und für die Rendite kräftig an den Ticketpreisen geschraubt wird?

Profifußball war und ist immer Unterhaltung, die zunehmende Kommerzialisierung, hier sei nur an die 48er-WM erinnert, erscheint jedoch höchst gefährlich. Wenn wir alle, die diesen Sport lieben, das Gefühl haben, dass die Clubs zwar glänzende, aber leere Hüllen sind in einer gigantischen Abzockmaschinerie, könnte das System kippen. Und besonders in unseren unruhigen Zeiten ist die Attraktivität von Massenveranstaltungen kein Automatismus.

Seite 43 Letzter Teil der Fußballserie