Hamburg. Wenn der HSV auf Leverkusen trifft, spielen die Emotionen mit. Beide Clubs stehen unter großem Druck

Kyriakos Papadopoulos legt nach dem Training noch eine Extraschicht ein. Nicolai Müller schlägt eine Flanke nach der nächsten in den Strafraum, der wuchtige Innenverteidiger köpft die Bälle aus elf Metern in das leere Tor. Es läuft die Vorbereitung auf das Spiel zwischen dem HSV und Bayer Leverkusen an diesem Freitag (20.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker). Und Papadopoulos läuft richtig heiß. „Jaaaaa mann“, ruft der Innenverteidiger nach jedem Treffer.

Der Grieche weiß, worauf es im Duell zwischen Hamburg und Leverkusen im Volkspark ankommen wird: Emotionen. „Die Partien gegen Bayer waren in der Vergangenheit immer sehr intensiv und umkämpft – das weiß ich noch sehr gut von der anderen Seite des Platzes“, sagt Papadopoulos. Der Winter-Neuzugang steht vor seinem ersten Heimspiel im HSV-Trikot. Und das gleich gegen den Club, bei dem er noch bis 2020 unter Vertrag steht.

Papadopoulos war für Bayer dabei, als sich die Begegnungen zwischen dem HSV und Leverkusen in den vergangenen Jahren zu einem Spiel mit Derby-Charakter entwickelt haben. Viel zu tun hatte die hitzige Atmosphäre in den letzten zwei Partien in Hamburg mit der Rückkehr von Hakan Calhanoglu, den die Hamburger Zuschauer nach dem unwürdigen Wechsel im Sommer 2014 mit einer noch unwürdigeren Art empfingen. Diesmal fehlt Calhanoglu aufgrund der Sperre durch die Fifa (siehe Bericht rechts).

Die aufgeheizte Stimmung um den türkischen Nationalspieler übertrug sich in den letzten Duellen auch auf den Rasen. Vor allem das 1:0 vor zweieinhalb Jahren hatte mit Fußball nur wenig zu tun. Der HSV mauerte und befreite sich durch das Siegtor von Rafael van der Vaart aus der Abstiegszone. Bayer-Coach Roger Schmidt erinnert sich. „Damals gab es viele Szenen und Zweikämpfe, die kritisch und an der Grenze waren. Wir haben uns vom Fußballspielen abbringen lassen und verloren, weil wir keinen kühlen Kopf bewahrt haben“, sagt Schmidt.

In der vergangenen Saison erkämpfte sich der HSV gegen Bayer ein 0:0, weil René Adler gegen seinen Ex-Club mehrfach weltklasse parierte, darunter auch gegen einen Kopfball von Papadopoulos. Ob der wiedergenesene Adler an diesem Freitag in das HSV-Tor zurückkehren wird und Christian Mathenia wieder auf die Bank verdrängt, wollte Markus Gisdol am Donnerstag noch nicht verraten. In jedem Fall erwartet der HSV-Coach ein ähnlich intensives Duell wie in den Vorjahren. „Leverkusen ist eine der besten Pressingmannschaften. Ein Gegner, der dir keine Luft lässt. Es geht oftmals darum, wer sich in den engen Zweikämpfen im Mittelfeld behauptet.“

Nach einem enttäuschenden Saisonverlauf stehen sowohl der HSV als auch Leverkusen unter Druck. Die Hamburger drohen den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze zu verlieren, Bayer an die Europa-League-Ränge. Vieles erinnert an die Ausgangslage vor drei Jahren. Auch damals schaffte der HSV am 29. Spieltag der Saison 2013/14 durch einen Heimsieg gegen Leverkusen den Sprung von Platz 17 auf 16. Calhanoglu traf noch für den HSV, Heiko Westermann kurz vor Schluss mit einem Traumtor zum 2:1. Leverkusen entließ Trainer Sami Hyypiä und der HSV rettete sich in die Relegation – auch dank der bedingungslosen Unterstützung der Zuschauer.

Drei weitere enttäuschende Jahre später scheint der uneingeschränkte Rückhalt etwas verloren zu gehen. Nur 43.000 Karten wurden bislang für das Spiel verkauft. Dem HSV droht eine Woche nach der ernüchternden 1:3-Niederlage in Ingolstadt die Saison-
Minuskulisse. Gisdol hofft trotzdem auf die Fans, die den HSV zuletzt zu zwei Siegen im Volkspark trugen. „Wir haben noch neun Heimspiele. Da müssen wir mit unseren Fans zusammen alles reinhauen“, sagt Gisdol.

Worte, die auch in Leverkusen angekommen sind. Trainer Schmidt hofft, dass sein Team in Hamburg die Nerven bewahrt. „Wir müssen sachlich bleiben und diszipliniert spielen.“ Doch eines weiß auch Schmidt: „Fußball ohne Emotionen geht nicht.“