Hamburg. Am letzten Tag der Transferperiode fließen noch einmal die Millionen. Spielervermittler kassieren mit – und ihr Einfluss steigt.

Um es vorwegzunehmen: In den Duden hat es der „Deadlineday“ noch nicht geschafft. Das Wort, das an diesem Dienstag wieder an die Spitze der Twitter-Trends klettern dürfte. Das Synonym für den letzten Tag der Transferperiode. Der „letztmögliche Termin, bis zu dem eine Arbeit getan sein muss“, wie Wikipedia über die „Deadline“ schreibt. Eine Zuschreibung, die auch in dieser Transferperiode wieder zum HSV passt, der in seiner Sechser-Not auf den letzten Drücker den Brasilianer Walace verpflichtet hat.

Wenn an diesem „Deadlineday“ viele Clubs noch verzweifelt versuchen, ihre Kader aufzurüsten, schlägt hinter den Kulissen mal wieder die große Stunde der Spielervermittler. Während die Ausgaben der Vereine für die Fußballer von Jahr zu Jahr steigen, machen die Agenten im Hintergrund das große Geschäft. Im Schatten des Transfermarkts verdienen die Spielerberater so viel Geld wie nie zuvor. Der Handel mit Fußballern erreicht immer größere Dimensionen. Und eine Grenze ist nicht in Sicht.

127 Millionen Euro an Honoraren

In den jüngsten Veröffentlichungen des Deutschen Fußball-Bundes und der Deutschen Fußball Liga aus dem Jahr 2016 ging hervor, dass allein die Bundesligisten 127 Millionen Euro an Honoraren für Berater bezahlten – innerhalb eines Jahres. Das ist fast dreimal so viel Geld wie noch im Jahr 2008. Der Weltverband Fifa hatte die Clubs mit einer Gesetzesänderung vom 1. April 2015 dazu angehalten, die Summen transparent zu machen. Doch verbessert hat sich seitdem kaum etwas. Im Gegenteil.

Hintergrund des verstärkten Wettkampfs auf dem Beratermarkt ist die Tatsache, dass Spielervermittler für ihre Tätigkeit keine Lizenz mehr benötigen. Will ein Agent in Deutschland einen Transfer tätigen, muss er sich lediglich in das DFB-Register eintragen – und dazu reicht als Auflage der Nachweis eines polizeilichen Führungszeugnisses. Die Folge: Nahezu jeder kann Spielerberater werden. Und das auf einem Markt, der immer lukrativer wird.

„Transfermarkt unübersichtlicher geworden“

„Der Transfermarkt ist durch die Regeländerung der Fifa unübersichtlicher und weniger transparent geworden“, sagt Gregor Reiter, Geschäftsführer der Deutschen Fußballspieler-Vermittler-Vereinigung, im Gespräch mit dem Abendblatt. Die Gewerkschaft wurde 2007 mit dem Ziel gegründet, die Geschäfte der Spielerberater zu professionalisieren und mehr Transparenz und Kontrolle zu gewinnen.

Reiter und Präsident Thomas Kroth, einer der erfolgreichsten deutschen Spielerberater, wollen der Branche ein besseres Image geben. Doch der Wegfall der Lizenz hat wieder Räume geöffnet für schwarze Schafe. „Die Entwicklungen zeigen deutlich, dass eine Überwachung notwendig ist. Wir sollten in Deutschland Standards etablieren, welche in Europa als Vorbild dienen können“, sagt Reiter.

„Markt ist aggressiver geworden“

Mit den Entwicklungen meint der Anwalt auch den steigenden Wettbewerb um die Gunst der Nachwuchsfußballer. Wenn in der C-Jugend-Regionalliga die 14 Jahre jungen Talente aufeinandertreffen, sitzen unter den Zuschauern in der Regel schon mehr Agenten als Eltern, die sich um die ersten Verträge mit den Jugendlichen streiten. Motto: Je früher man die Talente für sich gewinnt, umso größer sind später die Chancen auf eine Gewinnbeteiligung bei einem Weiterverkauf. Eltern berichten davon, wie ihre Söhne im Jugendalter von Beratern bei Facebook angeschrieben werden. „Der Markt ist aggressiver geworden“, sagt ein Hamburger Spielerberater, der sich auf Talente konzentriert, aber nicht namentlich genannt werden will.

Während auf dem nationalen Transfermarkt im deutschen Profifußball die großen Agenturen bekannter Spielervermittler wie Volker Struth (SportsTotal) und Roger Wittmann (ROGON) oder von Ex-Profis wie Thomas Strunz (Arena11) oder Christian Nerlinger (SAM Sports) dominieren, bieten sich auf den regionalen Märkten im Jugendfußball gute Möglichkeiten für Einsteiger. Zumal in Deutschland im Gegensatz zu England für Berater im Nachwuchsbereich dieselben Regeln gelten wie im Herrenfußball. Für Abwerbungsversuche gibt es keine Vorschriften.

Unseriöse Abwerbungsversuche

„Ob diese nötig sind, sollte man diskutieren. Die Berater stehen untereinander im Wettbewerb, sodass es auch immer wieder zu Beraterwechseln kommen wird“, sagt Reiter vom DFVV. Zu Problemen komme es aber nur dann, wenn falsche Versprechungen gemacht würden, um den Spieler zu einem Wechsel zu bewegen, der allein den Interessen des neuen Beraters diene. „Alle Beteiligten, DFB, DFL, DFVV, die Vereinigung für Vertragsfußballer und die Clubs sind hier aufgerufen, im Interesse des deutschen Fußballs Aufklärungsarbeit zu leisten.“

Beim HSV wird diese Aufklärung im Nachwuchsleistungszentrum übernommen. Vor unseriösen Abwerbungsversuchen sind die Talente dennoch nicht gefeit. „Wir haben alle Anfragen immer gleich abgeblockt“, sagt Dirk Köhlert, Vater von HSV-Talent Mats Köhlert. Der 18 Jahre junge Juniorennationalspieler, der vor einem Jahr einen Profivertrag unterschrieb, wird seit Kurzem von Thies Bliemeister beraten. Der Hamburger Spielervermittler hat sich in den vergangenen Jahren mit der Betreuung verschiedener Jungstars einen Namen gemacht. Heung-Min Son, Levin Öztunali oder Michael Gregoritsch gehören zu seinen Klienten.

Bliemeister hat Netzwerk nach Südkorea

Bliemeister hat sich auf dem Markt mit seinem Netzwerk nach Südkorea eine Nische geschaffen. Neben Son schafften auch die St. Paulianer Kyoung-Rok Choi und Yi-Young Park, der am Sonntag debütierte, dank Bliemeister den Sprung in den deutschen Profifußball. Mit dem Transfer des ehemaligen HSV-Stürmers Son von Leverkusen zu Tottenham für 30 Millionen Euro landete Bliemeister seinen bislang größten Coup.

Anders als in früheren Jahren erhalten die Spielerberater durch die neuen Fifa-Regeln aber nicht mehr das übliche Honorar von zehn Prozent der Ablöse, sondern eine Provision, die sich am Jahresgehalt des Spielers orientiert. Eine Summe in Höhe von sieben bis elf Prozent hat sich bei den seriös arbeitenden Agenturen durchgesetzt.

255 Berater im DFB-Register

Dass die Berater in den vergangenen Jahren an Einfluss gewonnen haben, ist vielen Clubs zwar ein Dorn im Auge. Doch sie selbst haben die Vermittler starkgemacht. Immer wieder ist zu beobachten, dass Vereine eine große Nähe zu Berateragenturen pflegen. Widerstand gibt es erst, wenn die Agenten ein offizielles Amt übernehmen wollen. So wäre Roman Grill, Berater von Philipp Lahm, 2009 beim HSV beinahe Nachfolger von Dietmar Beiersdorfer als Sportchef geworden. Jörg Neubauer, der unter anderem HSV-Torhüter René Adler berät, wollte sich vor einem Jahr in das Präsidium von Hertha BSC wählen lassen – ohne Erfolg.

Grill und Neubauer gehören zu den erfolgreichsten Spielervermittlern in Deutschland. Im aktuellen Register des DFB haben sich zwar 255 Berater eingetragen, viele von ihnen spielen national aber kaum eine Rolle. Zudem sind die Zugehörigkeiten oft unklar. So wird etwa der deutsch-italienische Agent Franceso di Frisco bei transfermarkt.de als Berater von HSV-Neuzugang Walace angegeben. Wie sich herausstellte, spielte der Ex-Profi bei den Verhandlungen aber gar keine Rolle und erhält entsprechend auch kein Honorar.

Auf Veröffentlichung der Zahlen verzichten

Die Provision geht primär an die Agentur Football Capital. Auf welche Summe die Beraterhonorare des HSV damit in diesem Jahr gestiegen sind, wird man allerdings nicht erfahren. Weil sich andere nationale Verbände nicht an die Fifa-Vorgaben gehalten hätten, teilte DFL-Chef Christian Seifert gerade mit, werde man künftig auf die Veröffentlichung der Zahlen verzichten.