Hamburg. Der FC St. Pauli scheitert beim 0:1 gegen Stuttgart erneut an seiner Offensivschwäche

Alexander Berthold

„Eigentlich“ schien am Sonntag nach der 0:1-Heimniederlage des FC St. Pauli gegen den VfB Stuttgart die am häufigsten benutzte Vokabel zu sein. „Eigentlich hatte das Spiel keinen Sieger verdient“, sagte etwa Torwart Philipp Heerwagen. „Wenn es 0:0 ausgeht, kann sich keiner beschweren.“ Sein Teamkollege Daniel Buballa hatte auch so einen Satz parat, als er nach dem Abpfiff Rede und Antwort stand. „Eigentlich haben wir vieles von dem umgesetzt, was wir uns in der Vorbereitung erarbeitet haben“, sagte der Linksverteidiger.

Nicht nur eigentlich, sondern auch definitiv, bot der vorerst auf den zweiten Platz vorgerückte Bundesliga-Absteiger aus Stuttgart beim Zweitliga-Schlusslicht aus Hamburg keine wirklich überzeugende und schon gar keine begeisternde Vorstellung. Und doch reichte eben ein gelungenes Zusammenspiel und ein Schuss in den Torwinkel des eingewechselten Carlos Mané (84. Minute), damit der FC St. Pauli seine nun schon elfte Niederlage in dieser Saison und die vierte im eigenen Stadion kassierte. „Wir sind in den ersten 60 Minuten auch mit den Platzverhältnissen besser zurecht gekommen, haben das aber nicht in Tore ummünzen können“, analysierte Heerwagen nach dem Spiel treffend.

Die mangelnde Torgefährlichkeit, die sich schon durch die gesamte Saison zieht, war auch gegen Stuttgart der entscheidende Faktor, warum die St. Paulianer am Ende wieder einmal mit leeren Händen dastanden. Aus ihren hochkarätigen Situationen im gegnerischen Strafraum hätten Buballa (30.) und Cenk Sahin (71.) weit mehr generieren müssen als Schüsse ans Außennetz des VfB-Tores. „Ich wollte den Ball mit links ins kurze Eck schießen. Es wäre wohl besser gewesen, ihn auf meinen rechten Fuß zu legen“, übte Buballa nach dem Spiel Selbstkritik. Auch ein Pass in die Strafraummitte wäre möglich gewesen.

„Es ist schade, dass wir in einigen aussichtsreichen Positionen den letzten Pass nicht gespielt oder überhastet geschossen haben“, stellte auch St. Paulis Trainer Ewald Lienen ernüchtert fest. Daraus schlussfolgerte er: „Wir hätten das Spiel auch gewinnen können. Wer hier das erste Tor schießt, ist dafür in seiner sehr guten Ausgangsposition, weil es für den Gegner danach nicht mehr so leicht ist, sich spielerisch durchzusetzen.“

Allerdings ist die Ausbeute von sechs Torschüssen in einem Heimspiel, ganz gleich gegen welchen Gegner, allein ein Beleg für eine mangelnde Offensivqualität. „Wir müssen einfach durchschlagskräftiger werden. Wir kommen häufig durch, und dann versandet das einfach.“

An diesem gravierenden Manko haben also auch die personellen Nachbesserungen in der Winterpause nichts ändern können – jedenfalls noch nicht. Vor allem der von Werder Bremen auf Leihbasis zurückgeholte Lennart Thy, am Sonntag als einzige Sturmspitze aufgeboten, strahlte überhaupt keine Torgefahr aus. Vielmehr wirkte er im Antritt behäbig, dazu zeigte er kaum einmal sein früher gewohntes, ständiges, laufintensives Stören der gegnerischen Defensivakteure beim Spielaufbau. „Bei Lenny ist noch Luft nach oben. Man merkt, dass er lange nicht gespielt hat“, formulierte Trainer Lienen später seine Kritik an Thy noch sehr moderat. „In der zweiten Halbzeit hat er die Bälle besser behauptet. Leider haben es seine Mitspieler auch oft nicht geschafft, den Ball zu ihm zu bringen.“

Ein verdientes, uneingeschränktes Lob von Lienen erhielt Johannes Flum als zweiter Winterzugang. „Er ist souverän, kopfballstark und dirigiert viel. Es ist wichtig, so eine Persönlichkeit im Mittelfeld zu haben“, sagte der Trainer. „Ruhe und Ballsicherheit auf engem Raum“, attestierte er dem ebenfalls neu verpflichteten Mats Möller Daehli. Der Norweger zeigte einige hübsche Aktionen, war insgesamt aber nicht sonderlich effektiv.

Eine überraschende Entdeckung war der als Innenverteidiger für den erkrankten Kapitän Sören Gonther aufgebotene Südkoreaner Yi-Young Park (22), der schon in den jüngsten Testspielen im Trainingslager überzeugt hatte. „Er hat unaufgeregt gespielt, und das gegen Simon Terodde, einen der besten Stürmer der Liga. Seine Ball­sicherheit und Beidfüßigkeit haben uns überzeugt, ihn heute aufzustellen“, sagte Lienen.

Trotz einiger hoffnungsvoller Ansätze ist festzuhalten, dass sich die sportliche Situation des FC St. Pauli nach dem ersten Spieltag der Rückrunde verschlechtert hat, weil die ebenfalls abstiegsgefährdeten Teams von Aue, Karlsruhe und 1860 München ihre Spiele gewonnen haben. St. Paulis Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt jetzt bereits fünf Punkte, auf den rettenden 15. Rang sogar sechs. „Wir stecken kinntief in der Scheiße“, beschrieb es Mittelfeldspieler Bernd Nehrig. Es ist eine extreme Belastung, aber man sieht, dass wir die Belastung annehmen.“

„Wir müssen nur an uns selber denken. Es kann niemand für uns spielen. Es macht deshalb auch keinen Sinn, nach links oder rechts zu gucken“, sagte Lienen dazu. Innenverteidiger Lasse Sobiech bewertete die Angelegenheit etwas anders: „Wenn man sieht, wie die anderen Mannschaften gespielt haben, muss man sagen, dass es kein guter Spieltag war. Wir müssen die direkten Duelle gewinnen.“