Hamburg. Wenn sich Ingolstadt und der HSV treffen, wird es auch mal „ekelhaft“. Nun geht es um die „Existenz“

Markus Gisdol wirkte ein wenig so, als wolle er direkt in den Ring steigen. Voller Elan betrat der HSV-Trainer am Donnerstag das Pressepodium im Volksparkstadion. Mit selbstbewussten Worten („Wir sind bereit“) sprach er über die schwere Auswärtsaufgabe am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Abendblatt-Liveticker) beim FC Ingolstadt. Angriffslustig ging er in die Offensive („Wir wollen etwas mitnehmen“), er befreite sich aus der Defensive, als es um Emir Spahic und Alen Halilovic (siehe Bericht rechts) ging. Einmal leitete Gisdol den Ball direkt an Ingolstadt weiter („Da müssen sie den gegnerischen Trainer fragen“).

Der gegnerische Trainer, der seit dem 12. November Maik Walpurgis heißt, saß zur selben Zeit 624 Kilometer weiter südlich im Medienraum des Audi Sportparks und nahm den verbalen Trainer-Zweikampf auf. „Wir brennen“, sagte Walpurgis zwei Tage vor dem Duell des Tabellen-17. (12 Punkte) gegen den Tabellen-16. (13 Punkte). „Das Spiel ist für uns ein echtes Highlight. Wir wollen den HSV überholen.“ Seine Worte wählte Walpurgis nicht weniger forsch als sein Hamburger Kollege. Neutrale Beobachter würden von einer Punkteteilung sprechen.

Mit Unentschieden kennen sich die Teams ebenso aus wie mit Zweikämpfen. Nicht nur die letzten zwei Begegnungen zwischen Ingolstadt und Hamburg, die jeweils 1:1 endeten, waren mitunter an und über der Grenze des Erlaubten geführt. Am Sonnabend treffen sich die Clubs, die ligaweit die meisten Fouls begehen. Der HSV (292) ist in dieser Statistik klarer Spitzenreiter, Ingolstadt (267) folgt dahinter.

„Beide Trainer dürften damit nicht ganz glücklich sein“, sagte Gisdol am Donnerstag. Seine Erklärung: „Wenn man den Ball gewinnen will, ist man im Übereifer mal etwas ungeschickt und begeht das eine oder andere Foul.“ Bestes Beispiel war die Gelb-Rote Karte für Albin Ekdal in Wolfsburg, die das 0:1 einleitete. „Wir müssen die unnötigen Platzverweise vermeiden. Das ist jetzt hoffentlich jedem klar“, sagt Gisdol.

Zurückhaltung in Zweikämpfen ist am Sonnabend allerdings nicht angesagt. „Ingolstadt hat sich unter dem neuen Trainer auf seine alten Tugenden besonnen“, sagt Gisdol. „Die Mannschaft spielt aggressiv und kompromisslos. Wir müssen eine große Hürde nehmen.“ Gisdol erwartet ein ähnliches Spiel wie Anfang Dezember in Darmstadt. „Der Ball wird viel in der Luft sein. Es wird viel um den zweiten Ball gehen. In den engen Mittelfeld­situationen müssen wir da sein.“

Der HSV-Trainer hofft, dass neben Kapitän Gotoku Sakai (Steißbeinprellung) auch Nicolai Müller (Beckenprellung) wieder rechtzeitig fit wird. „Er ist mehr als fraglich“, sagte Gisdol. Am Donnerstag konnte der Außenstürmer erneut nur individuell trainieren. Am Sonnabend wäre der Einsatz des Hamburger Topscorers (vier Tore, drei Vorlagen) doppelt wichtig. Kein Spieler in der Bundesliga hat in dieser Saison so viele Zweikämpfe bestritten wie Müller (459). Auf seinem Flügel würde er wieder auf Ingolstadts Mathew Leckie treffen, der ligaweit die meisten Zweikämpfe gewonnen hat (217).

Dass sich Müller zu wehren weiß, belegt eine weitere Statistik. Nur Hoffenheims Sandro Wagner (45 Fouls) wurde in dieser Saison häufiger zurückgepfiffen als der Hamburger (44). Der meistgefoulte Spieler der Liga ist Ingolstadts Stürmer Dario Lezcano. Müller liegt in dieser Liste auf Rang sechs.

Viele Zahlen, die ein ähnliches Spiel erwarten lassen wie vor rund einem Jahr. Damals sprach der damalige HSV-Trainer Bruno Labbadia nach dem 1:1 im Volkspark von einem „Schweinespiel“. Lewis Holtby bezeichnete die Spielweise der Ingolstädter als „ekelhaft“. Der Trainer der Bayern hieß vor einem Jahr noch Ralph Hasenhüttl. Sein Nachfolger Markus Kauczinski holte im August am ersten Spieltag in Hamburg mit einer ähn­lichen Gangart ebenfalls ein 1:1.

Weil in neun weiteren Spielen aber nur noch ein Punkt folgte, musste Kauczinski im November gehen. Unter Walpurgis schaffte Ingolstadt schon drei Siege und stellte den Anschluss an die Nichtabstiegsplätze wieder her. „Wir wollen die Klasse halten und Geschichte schreiben“, sagte Walpurgis.

Der HSV hat die Möglichkeit, mit einem Sieg erstmals seit dem zweiten Spieltag wieder auf einen Nichtabstiegsplatz zu rücken – bei einer Niederlage wäre er Vorletzter. „Die Bedeutung des Spiels muss man nicht herausstellen“, sagte HSV-Chef Heribert Bruchhagen. „Wir wissen, dass wir im Existenzkampf sind. Das Gleiche gilt aber auch für Ingolstadt.“