Hamburg. Philipp Heerwagen und Robin Himmelmann sehen sich als Partner. Trainer Lienen muss einen enttäuschen

Es ist die Frage, die unter den Anhängern des FC St. Pauli in diesen Tagen heiß diskutiert wird. Wer steht am Sonntag (13.30 Uhr) im ersten Zweitliga-Rückrundenspiel gegen den VfB Stuttgart im Tor, Robin Himmelmann (27) oder Philipp Heerwagen (33)? In den vergangenen eineinhalb Jahren hätte sich diese Frage überhaupt nicht gestellt, an Himmelmanns Status als Nummer eins gab es keinen Zweifel. Doch in diesem Winter scheint die Situation anders zu sein, offener als je zuvor.

Der Grund für diese möglicherweise gravierende Veränderung ist in den letzten drei Spielen der Hinrunde zu finden. Im Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern (0:0) am 2. Dezember zog sich Himmelmann schon nach einer halben Stunde bekanntlich einen Muskelfaserriss im linken Oberschenkel zu, Heerwagen kam für ihn genau in dem Moment ins Tor, als es Strafstoß für Kaiserslautern gab. Zoltan Stieber schoss neben das Tor, und auch danach ließ Heerwagen keinen Gegentreffer mehr zu. Dies gelang ihm auch beim 2:0-Sieg in Fürth, ehe es ein 1:1 gegen den VfL Bochum gab. Diese drei Spiele ohne Niederlage und mit einer Ausbeute von fünf Punkten werden beim FC St. Pauli als kleiner Aufschwung gewertet, auch wenn das Team immer noch Tabellenschlusslicht ist.

Der Trend fällt also zumindest zeitlich damit zusammen, dass Heerwagen ins Tor des Kiezclubs kam. Jetzt aber, knapp zwei Monate nach seiner verletzungsbedingten Auswechslung, steht Robin Himmelmann wieder bereit. Am vergangenen Sonnabend bestritt er zum Abschluss des Trainingslagers in Sotogrande gegen den FC Zürich erstmals wieder ein Spiel über 90 Minuten. „Die Woche in Spanien hat mir richtig gutgetan. Es war für mich perfekt, bei den Bedingungen dort wieder richtig ins Training einzusteigen. Auch nach der Spielbelastung ist bei mir nichts aufgetreten“, sagt er.

Ist Himmelmann also wieder so fit, dass er auch in einem Ligaspiel wieder Höchstleistungen zeigen kann? „Ich denke, dass man noch nicht wieder bei 100 Prozent ist, wenn man aus einer Verletzung kommt. Jedes Training bringt mich weiter, aber letztlich braucht man auch einen Spielrhythmus, um auf 100 Prozent zu kommen“, sagt Himmelmann.

Das klingt ein bisschen nach einem Teufelskreis, wenn man davon ausgeht, dass Trainer Ewald Lienen in der aktuellen, brisanten Situation am liebsten nur Akteure einsetzt, die über ihre volle Leistungsstärke verfügen. „Ich fühle mich so gut, dass ich handlungsfähig bin“, sagt Himmelmann, vermeidet es aber, einen Anspruch auf seine Rückkehr ins Tor anzumelden.

Zum Gespräch mit dem Abendblatt über das ebenso spannende wie sensible Thema sind Himmelmann und Heerwagen gemeinsam gekommen. Sie sehen sich gegenseitig vor allem als Partner an, nicht als unerbittliche Konkurrenten. „Wir haben seit zweieinhalb Jahren einen überragenden Umgang miteinander“, beschreibt Himmelmann das Verhältnis. Gerade bei Torhütern ist dies nicht gerade der Normalfall. Sie aber loben sich gegenseitig dafür, sich auch außerhalb des Platzes für den FC St. Pauli einzusetzen.

Daher ist es auch verständlich, dass der erfahrenere Heerwagen nicht ansatzweise die Erwartung äußert, weiter im Tor bleiben zu dürfen, auch wenn dies durchaus berechtigt wäre. „Robin ist zu Recht als Nummer eins in die Saison gegangen. Er hat sich durch seine Leistungen diesen Status verdient, und ich glaube, daran hat sich nichts verändert. Am Ende muss der Trainer entscheiden“, sagt Heerwagen. „Für mich ist es unheimlich wichtig, Trainingspartner zu haben, die einen inspirieren. Das ist hier der Fall. Robin und auch Svend Brodersen helfen mir, in meinem Alter das Feuer am Leben zu halten.“

In seinen mehr als 16 Jahren im Profifußball hat Philipp Heerwagen schon andere Erfahrungen gemacht. „Es gab auch den einen oder anderen Psychokrieg. Aber das hat weder den anderen noch mir irgendeinen Vorteil gebracht. So etwas kostet nur Energie, Zeit und Nerven“, sagt der Keeper, der vor St. Pauli beim VfL Bochum, der SpVgg. Unterhaching und auch bei Bayern München unter Vertrag stand.

Auch wenn er verbal defensiv agiert und fast schon ein Plädoyer für seinen Kollegen Robin Himmelmann hält, wäre es keine Sensation, sollte Philipp Heerwagen am Sonntag die Gunst von Ewald Lienen als Torwart der Startelf genießen. Ihm könnte dabei im Vergleich zu Himmelmann sein wohl noch etwas größerer Einfluss auf die Mannschaft zugutekommen. Bislang hat Cheftrainer Lienen auch den beiden selbst seine Entscheidung noch nicht bekannt gegeben. Dabei geht es schließlich auch nicht nur um das eine Spiel, sondern wohl auch um die Besetzung für die gesamte Rückserie.