Boris Becker mit kurioser Erklärung für das Viertelfinal-Aus des Hamburger Tennisspielers Mischa Zverev gegen Roger Federer.

Melbourne. Sein Traum ist geplatzt, doch die Anerkennung bleibt: Für den Hamburger Tennisspieler Mischa Zverev (29) ist das Abenteuer bei den Australian Open beendet. Zwei Tage nach seinem Coup im Achtelfinale gegen den top gesetzten Briten Andy Murray erwies sich Roger Federer beim 1:6, 5:7, 2:6 im Viertelfinale als eine Nummer zu groß für den älteren Bruder von Alexander Zverev, der neben Papa Alexander senior und Mutter Irena in der Box saß. Nach nur 1:32 Stunden verwandelte "Fedex" seinen ersten Matchball in der mit 15.000 Zuschauern ausverkauften Rod-Laver-Arena.

Nachdem er im ersten Satz keine Chance hatte, schnupperte Zverev, der immer wieder ans Netz ging und schnelle Punkte forcierte, im zweiten Satz an einer weiteren Überraschung im Turnier, als er bereits mit einem Break führte. Doch Federer, dem in dieser Phase einige Fehler unterliefen, kämpfte sich im Stile eines Großmeisters zurück, egalisierte zum 5:5 und holte sich anschließend den vorentscheidenden Satz. Zverev wehrte sich zwar tapfer, wurde aber von Publikumsliebling Federer immer wieder am Netz passiert.

Becker mit kurioser Erklärung für Niederlage

Tennis-Experte Boris Becker war bis vor Kurzem Trainer von Novak Djokovic
Tennis-Experte Boris Becker war bis vor Kurzem Trainer von Novak Djokovic © imago | BPI

"Mischa hätte diesen Satz gewinnen können", urteilte Eurosport-Experte Boris Becker über den zweiten Satz. "Er hat einige wichtige Punkte gewonnen und war so richtig im Spiel drin." Der frühere Weltranglistenerste meinte allerdings auch, eine gewisse Ehrfurcht bei Zverev erkannt zu haben. "Möglicherweise hatte er zu sehr damit zu kämpfen, dass er gegen sein Kindheits-Idol antrat", sagte Becker.

Zverev: Ich hatte den besten Platz

Zverev stellte hingegen die Leistung seines Kontrahenten heraus und sah für sich keine Siegchance. „Ich hatte einen guten Sitzplatz bei der Show von Federer. Wie er heute gespielt hat, war außergewöhnlich. Als ich auf der anderen Seite des Netzes stand, hatte ich das Gefühl, dass ich bewundern konnte, wie er spielt. Die Bälle von ihm kommen anders an als bei anderen Spielern. Er ist noch immer einzigartig“, sagte er bei "Sky". „Er hat es mir nicht so erlaubt, mein bestes Tennis zu zeigen. Roger ist für mich immer noch der beste Spieler. Ich traue ihm viel zu und hoffe, dass er den Titel vielleicht mit nach Hause nehmen kann.“

Insgesamt 439-mal tauchte der in Moskau geborene Hamburger in seinen fünf Partien in Melbourne am Netz auf, im Schnitt also knapp 88-mal pro Match. In der Begegnung mit Federer erreichte er den Schnitt nur deshalb nicht (75), weil sich der Schweizer nicht mehr als drei Sätze Zeit nehmen mochte. Rechts und links rauschten die Returns und Passierbälle an Zverev vorbei, vor allem im ersten Satz. Das Verhältnis zwischen Siegschlägen und unerzwungenen Fehlern gibt oft einen guten Hinweis auf die Qualität eines Spiels, und dieses Verhältnis sah bei Zverev mit 30:13 weiß Gott nicht schlecht aus. Aber Federers Wert von 65:13 war abenteuerlich gut.

Interessant war Zverevs Antwort auf die Frage, wie man den Leuten denn erklären könne, warum er zwei Tage zuvor gegen die Nummer eins, Andy Murray, gewonnen, gegen Federer, der im Moment nur auf Platz 17 steht, aber in drei Sätzen verloren habe. „Andy kann nicht so beschleunigen mit dem Handgelenk. Federer kann im letzten Moment die Richtung ändern, das ist viel schwerer zu lesen. Außerdem hat er ungefähr acht verschiedene Aufschläge, und sein zweiter Aufschlag ist besser und schneller.“

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Federer freut sich für Zverev

Noch auf dem Court zollte der Schweizer seinem Gegner in einem kurzen Interview Respekt. „Ich habe mich für ihn gefreut, es ist toll, dass er nach seinen schwierigen Verletzungen wieder da ist“, so der 17-malige Grand-Slam-Sieger. Der 35-jährige Federer, der die Australian Open schon viermal gewann, trifft im Halbfinale am Donnerstag auf seinen Landsmann Stan Wawrinka, der seine gute Form beim 7:6 (7:2), 6:4, 6:3 gegen den Franzosen Jo-Wilfried Tsonga (Nr. 12) unter Beweis stellte.

Roger Federer riss die Arme hoch. Nun kommt es zum Duell mit seinem Landsmann Wawrinka
Roger Federer riss die Arme hoch. Nun kommt es zum Duell mit seinem Landsmann Wawrinka © REUTERS | ISSEI KATO

Vor den Australian Open war Zverev, Nummer 50 der Weltrangliste, bei einem Grand-Slam-Turnier noch nie über die dritte Runde hinausgekommen. In der neuen Weltrangliste wird er nächsten Montag auf Platz 35 stehen, als drittbester Deutscher nach seinem zehn Jahre jüngeren Bruder Alexander (22) und Philipp Kohlschreiber (29). Die australischen Medien hatten Zverev, der nach vielen Verletzungen 2015 nur noch die Nummer 1067 der Weltrangliste war, in den vergangenen Tagen besonders für seine offensive Spielweise gelobt. Er wirke "wie ein erfrischendes Relikt aus der Vergangenheit", schrieb die Tageszeitung The Australian.

„Das Turnier war im Endeffekt doch ganz schön für mich, es waren zehn schöne Tage in Australien. Ich habe es genossen, auch wenn ich heute gegen Roger verloren habe. Aber das kann passieren - gegen Roger in einem Grand-Slam-Viertelfinale. Ich habe viele Glückwünsche bekommen von vielen Spielern", sagte Zverev bei "Sky". "Bei mir hat sich nichts verändert, ich bin immer noch der gleiche Spieler. Vielleicht habe ich jetzt ein bisschen mehr Selbstvertrauen, wenn ich auf dem Platz stehe und gegen bestimmte Gegner spiele. Ich hoffe, dass ich das mitnehmen kann in die Saison.“