Als Dagur Sigurdsson 2014 als Bundestrainer antrat, führte er seiner Mannschaft ein 25 Jahre altes Video von den Basketballern der Detroit Pistons vor. So wie sich die legendären Bad Boys damals als Außenseiter zum NBA-Titel warfen, so sollten auch die deutschen Handballer zum Erfolg zurückfinden: indem sie fehlendes Talent durch Teamgeist kompensierten, fehlende Durchschlagskraft im Angriff durch Härte in der Abwehr. Das Konzept ging auf: Deutschland, ein Team überwiegend Namenloser, wurde 2016 sensationell Europameister.

Ein Jahr später hat der Mythos von den Bad Boys ausgedient. Kaum dass es bei der WM in Frankreich das erste Mal ernst wurde, waren die deutschen Handballer mit der Favoritenbürde, die sie als Europameister und Olympiadritter zu tragen hatten, überfordert. Katar, eine Nationalmannschaft mit zugekauften Leistungsträgern, trat in der entscheidenden Phase des Achtelfinales als geordnete Einheit auf, während die „bösen Jungs“ Struktur und Nerven verloren. Mag sein, dass Sigurdsson zur Verunsicherung beigetragen hat, indem er im Turnierverlauf zwei Stars einfliegen ließ, die sich wegen Überlastung aus der Nationalmannschaft abgemeldet hatten.

Ein Gutes hat das WM-Aus vielleicht: Sigurdssons Schatten ist deutlich geschrumpft. Sein Nachfolger wird sich bis zur halben Heim-WM 2019 ein neues Narrativ überlegen müssen.

Seite 26 Das WM-Aus in der Analyse