Hamburg. Der HSV und Wolfsburg ließen in der Winterpause keinen Stein auf dem anderen. Um sich trotzdem bestmöglich auf die runderneuerte und plötzlich völlig unbekannte VfL-Mannschaft vorzubereiten, setzt Trainer Markus Gisdol auf Papadopoulos, weitere Neuzugänge – und auf einen Spion

Es war schon relativ spät, als am Montagabend noch immer Licht in der HSV-Geschäftsstelle im ersten Stock des Volksparkstadions brannte. Weil der designierte Neu-Hamburger Kyriakos Papadopoulos zuvor am Nachmittag ausführlich und nach bestem Gewissen auf Herz und Nieren (sowie Knie und Schulter) im UKE durchleuchtet wurde, dauerte es bis in die frühen Abendstunden, ehe man Vollzug vermelden konnte. „Es freut mich, dass es mit dem Wechsel geklappt hat. Der HSV ist ein großer Verein. Ich hoffe, ich kann dem Club und der Mannschaft helfen, ihre Ziele zu erreichen“, sagte der Grieche, der einen Vertrag bis Saisonende unterschrieben hat.

Mit Papadopoulos, dem Sportchef Jens Todt bereits am Mittag die Schönheiten des Volksparkstadions zeigte, und Mergim Mavraj nimmt das Gesicht der neuen HSV-Mannschaft nun langsam Gestalt an. Einschränkend sollte an dieser Stelle ein „sehr“ eingefügt werden: sehr langsam. Denn vier Tage vor dem Wiederbeginn der Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg am kommenden Sonnabend sollen noch immer mindestens zwei Verstärkungen kommen – im Falle von mehreren Abgängen in der Offensive (Aaron Hunt, Nabil Bahoui, Alen Halilovic) möglicherweise sogar drei. „Es wird noch etwas passieren“, kündigte unlängst Todt an, der zudem daran erinnerte, dass das sogenannte Transferfenster im Winter ja noch bis zum 31. Januar geöffnet sei.

Einmal kräftig durchlüften – das haben Wolfsburgs Verantwortliche hinter sich. Der neue VfL-Sportchef Olaf Rebbe hat bereits viermal auf dem Winter-Transfermarkt zugeschlagen: Yunus Malli (12,5 Millionen Euro), Riechedly Bazoer (12 Millionen Euro), Paul-Georges Ntep (5 Millionen Euro) und Victor Osimhen (3,5 Millionen Euro) kaufte der Nachfolger von Klaus Allofs für insgesamt 33 Millionen Euro ein. „Der VfL ist nicht mehr in der Besetzung des letzten Spiels vor der Winterpause. Die Mannschaft ist kaum wiederzuerkennen“, sagt HSV-Trainer Markus Gisdol. „In wenigen Wochen wurde viel verändert.“

In wenigen Wochen wurde viel verändert – in wenigen Monaten wurde nahezu alles geändert. So ist es gerade einmal knapp acht Monate her, dass der VfL Wolfsburg und der HSV das letzte Mal aufeinandergetroffen sind. Geht man aber die Protagonisten des Wolfsburger 1:0-Auswärtssiegs vom 7. Mai der Reihe nach durch, dann fällt schnell auf, dass in beiden Clubs kaum einer der Hauptdarsteller übrig geblieben ist. Beide Trainer wurden gewechselt (Gisdol für Labbadia hier, Ismaël für Hecking dort), die Chefetage wurde ausgetauscht (hier kamen Todt und Bruchhagen für Beiersdorfer, dort ersetzte Rebbe den entlassenen Allofs), und auch die Mannschaften wurden kräftig durchgerüttelt. So dürften lediglich fünf Hamburger (Djourou, Sakai, Ostrzolek, Holtby, Gregoritsch) von damals auch jetzt wieder in der Startelf stehen, beim VfL sind es sogar nur zwei Profis: Paul Seguin und Luiz Gustavo.

„So eine Personalrochade macht es natürlich schwierig, den Gegner angemessen zu analysieren“, sagt HSV-Trainer Gisdol, der Überraschungen ähnlich schätzt wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Doch während der regelmäßige Zahnarztbesuch alternativlos sein mag, gilt das bei allen Unwägbarkeiten keineswegs für eine angemessene Vorbereitung auf das „Königsspiel“ (O-Ton Bruchhagen) gegen den Abstiegskonkurrenten aus Wolfsburg. „Unsere Leute haben sich natürlich trotzdem mit dem Gegner beschäftigt“, sagt Gisdol ein wenig geheimnisvoll.

So war es bislang auch streng geheim, dass sich der detailversessene HSV-Coach dazu entschloss, einen eigenen Trainingsspion für die runderneuerte Wolfsburg-Mannschaft abzustellen. Gisdol schickte HSV-Mitarbeiter Sören Quittkat für eine Woche ins Trainingslager des VfL Wolfsburg nach La Manga (Spanien), wo sich der mit Notizblock und Kugelschreiber bestens ausgestattete HSV-Analyst am Rand fleißig Notizen machte. So viel Akribie fiel natürlich auch Wolfsburgs Trainer Valérien Ismaël auf, der aber gelassen reagierte. Das Beobachten des Trainings des Gegners sei in der Bundesliga längst normal, sagte der Franzose, der andeutete, dass man selbstverständlich auch einen eigenen Mann vor Ort in Dubai im HSV-Trainingslager gehabt habe. Dieser wurde auf der streng bewachten Anlage des Kronprinzen zwar nicht einmal gesichtet, aber sei’s drum.

Letztendlich, da dürften sich Gisdol und Ismaël einig sein, wird es am kommenden Sonnabend weniger auf die ausdauernde Arbeit der Spione neben als vielmehr auf die überzeugende Arbeit der Profis auf dem Platz ankommen. Und ob Papadopoulos auf diesem schon in der Autostadt seine Visitenkarte abgeben wird, ist unwahrscheinlich. Der Grieche hat seine Knieverletzung auskuriert, ist aber noch nicht bei 100 Prozent. „Ich bin fit und freue mich darauf, ins Training einsteigen zu können“, sagte „Papa“, dessen erste öffentliche Einheit an diesem Dienstag um zehn Uhr stattfindet. Spione, aus Wolfsburg oder sonst woher, sind herzlich willkommen.