Sotogrande. St. Paulis Co-Trainer widerspricht der These, er sei schon als potenzieller Nachfolger verpflichtet worden

Olaf Janßen sitzt auf einem Metallgerüst am Rande des großen Trainingsplatzes und gibt lautstark Anweisungen. Das Team des FC St. Pauli ist zuvor per Los in vier Gruppen aufgeteilt worden, jetzt geht es darum, dass jeweils ein Spieler einen Kameraden aus seiner Gruppe durch einen Parcours mit Worten und später mit Klopfzeichen auf den Rücken dirigiert. Die Schwierigkeit dabei: Der zu führende Spieler trägt eine Brille, durch die er nichts sehen kann. Janßen, seit dem 2. November als zusätzlicher Co-Trainer beim Millerntor-Club, erklärt die Spielregeln und ermahnt die jeder Gruppe zugeordneten Schiedsrichter, genau auf Regelverstöße zu achten.

Das Ganze ist eine von mehreren Aufgaben einer „Team-Challenge“, die die St.-Pauli-Profis im Rahmen ihres Trainingslagers in Sotogrande zu absolvieren haben. Dieser Wettbewerb steht, irgendwie logisch, unter dem Motto „Führung“. Es ist offensichtlich, dass der im vergangenen Oktober 50 Jahre alt gewordene Olaf Janßen Spaß an diesem Wettkampf hat. Er erläutert später aber in seinem ersten Mediengespräch seit seinem Amtsantritt, dass es sich dabei keineswegs nur um einen Zeitvertreib handelt. Vielmehr geht es darum, dass die Spieler auf dem Platz mehr miteinander sprechen.

„Die Kommunikation untereinander ist ein ganz wichtiger Baustein. Unter dem Strich kommt es darauf an, Verantwortung zu übernehmen. Wenn ein Spieler etwas ansagt, dann übernimmt er dafür die Verantwortung. Wenn man nichts sagt, hat man auch nichts Falsches gesagt, aber man hat eben auch der Mannschaft nicht so geholfen, wie es sein könnte. Um das zu verbessern, machen wir auch Teambuilding-Maßnahmen“, sagt Janßen.

Die Verpflichtung Olaf Janßens, der zuvor beim VfB Stuttgart unter Vertrag gestanden hatte und die Fußballlehrer-Lizenz besitzt, bot durchaus Raum für Spekulationen. Hat St. Paulis Führung hier vielleicht dem Cheftrainer Ewald Lienen einen zusätzlichen Coach aufs Auge gedrückt? Plant man mit Janßen als Cheftrainer, falls die Negativserie nicht gestoppt wird?

Zweieinhalb Monate nach seinem Dienstantritt will Janßen etwas klarstellen. „Es gab eine Kontaktaufnahme vom Verein. Es hieß, Ewald würde mich gern einmal treffen und sprechen. Da konnte ich mir das noch immer nicht so recht vorstellen. Den Ausschlag gab das Gespräch bei Ewald zu Hause in Hamburg, das bis spät in die Nacht ging. Wir haben einfach gespürt, dass wir in vielen Dingen auf einer Wellenlänge liegen, vor allem welche Veränderungen wir herbeiführen und wie wir das machen wollen“, sagt Janßen und betont: „Wenn Ewald es nicht so sehr gezeigt hätte, dass er mich haben möchte, wäre ich nie in Hamburg gelandet. Dieses Gefühl war, unabhängig von Verträgen, meine Grundbedingung.“

Auch in der normalen Trainingsarbeit hat Olaf Janßen, der Christoph Daum und Morten Olsen als die Trainer nennt, die ihn am meisten geprägt haben, das Kommando übernommen. Ist er also doch der heimliche Chef? Janßen stellt klar: „Es ist eine meiner Aufgaben als Co-Trainer, Ewald möglichst häufig die Möglichkeit zu geben, alles von außen zu betrachten, umso besser Korrekturen vornehmen zu können.“ Ansonsten sei das sichtbare Geschehen auf dem Platz nur ein kleiner Ausschnitt der Trainertätigkeit, die im Grunde fast 24 Stunden am Tag umfasse. Das liege, so Janßen, auch daran, dass man die Planungen immer wieder aufgrund aktueller Ereignisse verändern müsse. Das gilt auch jetzt nach den Testspielsiegen gegen Tianjin Teda (6:2) und den FC Basel (2:1). „Wir müssen jetzt sehen, dass wir nicht in eine Komfortzone zurückfallen“, sagt Janßen.

Stürmer Aziz Bouhaddouz ist mit der Nationalmannschaft Marokkos mit einer Niederlage in den Afrika-Cup gestartet. Der 29-Jährige stand beim 0:1 gegen die Demokratische Republik Kongo 90 Minuten auf dem Platz.