Sotogrande/Marbella. Bei seinen beiden Siegen an einem Tag zeigt der FC St. Pauli positive Entwicklungen. Schwächen bleiben

Am Ende eines anstrengenden Tages war Ewald Lienen zum Scherzen zumute. „Wir sind jetzt gut vorbereitet, auch künftig mittags und abends zu spielen. So kann man dann auch mal sechs Punkte an einem Tag holen“, sagte der Cheftrainer des FC St. Pauli, nachdem seine Mannschaft in zwei verschiedenen Besetzungen zunächst den chinesischen Erstligisten Tianjin Teda in Sotogrande mit 6:2 und viereinhalb Stunden später und gut 50 Kilometer entfernt in Marbella den Schweizer Meister FC Basel mit 2:1 besiegt hatte.

Knapp eine Woche nach einer ernüchternden Vorstellung beim 0:3 im ersten Testspiel des neuen Jahres gegen den VfL Osnabrück zeigten sich sowohl das gegen Tianjin aufgebotene und praktisch durchweg mit jungen Spielern besetzte Team als auch die mit den erfahreneren Profis bestückte, vermeint­liche erste Elf gegen Basel deutlich verbessert. „Uns als Trainerteam hat die Einstellung gefallen, die Aggressivität und die Grundhaltung. Die Spieler haben das umgesetzt, was wir uns erarbeitet haben. Ich meine damit die Automatismen im Spielaufbau und im Spiel gegen den Ball. In beide Richtungen wurde mit Energie und Power gespielt“, sagte Lienen, der in beiden Partien nur dreimal auswechselte, also ganz so, wie es in Punktspielen üblich ist.

Womöglich hätte der FC St. Pauli mit den beiden Vorstellungen vom Sonnabend auch in der Zweiten Liga den einen oder anderen Gegner bezwungen. Auch wenn Trainer Lienen dazu mahnte, Erkenntnisse aus der Vorbereitungszeit mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, so waren drei positive Aspekte doch unverkennbar.

Standards: War in den 17 Spielen der Zweitliga-Hinrunde keines des gerade einmal elf Tore durch einen Freistoß oder eine Ecke entstanden, so fielen am Sonnabend gleich vier der insgesamt acht Treffer auf diese Weise. Gegen den Champions-League-Teilnehmer Basel nutzen Neuzugang Johannes Flum (33. Minute) und Kapitän Sören Gonther (88.) Eckstöße von Ryo Miyaichi und Maurice Litka per Kopf zu einem Treffer. Damit drehte St. Pauli das Spiel nach dem frühen Rückstand durch Renato Steffen (13.). Dies war dem Team in der Hinrunde kein einziges Mal gelungen. Gegen Tianjin führten Freistöße von Dennis Rosin zu Treffern von Joel Keller und Nico Empen. Die gezielte Trainingsarbeit trug hier Früchte.

Johannes Flum: Der Winterneuzugang von Eintracht Frankfurt lieferte gegen Basel einen Eindruck davon ab, dass er eine wichtige Verstärkung sein kann – und zwar unabhängig von seinem Treffer. Hatte er gegen Osnabrück noch wie ein Fremdkörper gewirkt, so konnte der 29 Jahre alte zentrale Mittelfeldspieler nun viele gute Akzente im Spielaufbau setzen. „Er war viel besser als gegen Osnabrück. Dafür sind die Spiele ja auch da. Durch Training kann man sich nicht so heranarbeiten wie durch Spiele. Klar hat er noch Luft nach oben. Das ist ja nach einer so langen Spielpause normal. Aber man sieht, mit welcher Erfahrung er agiert. Er spielt richtig gute Pässe, auch in die Tiefe. Das tut uns gut“, sagte Lienen. „Es gibt einem natürlich Bestätigung, wenn man als Mannschaft gut spielt und man selbst auch noch ein Tor erzielt. Doch wirklich zählen wird alles erst in den Punktspielen“, sagte Flum.

Talente: Im ersten Spiel am Sonnabend gegen Tianjin konnten sich einige der Jungprofis und Nachwuchsspieler profilieren. Dies gilt insbesondere für das Sturmduo Nico Empen (21) und Jan-Marc Schneider (22), das aus gemeinsamen Spielen im U-23-Team aufeinander abgestimmt ist. Empen bereitete beim 6:2 die ersten beiden Tore vor und erzielte das dritte und fünfte selbst. Schneider war der Torschütze zum 1:0, bereitete das 3:0 vor und fiel ansonsten positiv durch motiviert und robust geführte, offensive Zweikämpfe auf. „Was die beiden gezeigt haben, sah klasse aus. Bei Nico merkt man, dass er sich körperlich gut entwickelt und immer spritziger wird. Auch Marc zeigt sich hier klasse“, sagte Lienen.

Bei aller Freude über die beiden Siege, die zwei Wochen vor dem Rückrundenstart gegen den VfB Stuttgart für frisches Selbstvertrauen gesorgt haben, offenbarten die Spiele auch Schwächen. Im ersten Spiel war Christopher Avevor, mit 24 Jahren zweitältester Spieler seines Teams, nicht der erhoffte Stabilisator, sondern ein Risikofaktor. Torwart Svend Brodersen (20) wirkte übermotiviert und unsicher. Er verschuldete so einen Strafstoß. Da Robin Himmelmann noch nicht wieder voll einsatzfähig ist, nimmt Brodersen im Moment die Stellvertreter-Funktion für Philipp Heerwagen ein. Sowohl der aus dem Strafstoß resultierende Treffer zum zwischenzeitlichen 3:2 als auch das Tor von Basel, bei dem Lasse Sobiech schlecht aussah, waren „wieder ärgerliche Gegentore“, wie Trainer Lienen sagte.

FC St. Pauli gegen Tianjin Teda: Brodersen – Park (46. Pahl/63. Choi), Hornschuh, Koglin, Keller – Dudziak (75. Litka), Avevor, Neu­decker, Rosin – Empen, Schneider.FC St. Pauli gegen FC Basel: Heerwagen – Kalla (78. Park), Sobiech, Gonther, Buballa – Nehrig, Flum – Sahin (74. Litka), Sobota (78. Choi), Miyaichi – Thy.