Sotogrande. St. Paulis Abwehrchef Lasse Sobiech ist vom erfolgreichen Kampf um den Klassenerhalt überzeugt und erwartet auch von sich selbst mehr

Als Lasse Sobiech am Freitagmorgen ein aktuelles Foto aus Hamburg zugeschickt bekam, musste er doch ein wenig schmunzeln. Während in der Heimat der Winter wieder Einzug gehalten hatte, erwartete den Abwehrchef des FC St. Pauli und seine Kollegen ein weiterer Frühlingstag an der südspanischen Mittelmeerküste. Beim Training am Vor- und Nachmittag ging bisweilen zwar noch ein kühler Wind über den Rasen des Ayala Polo Clubs, dennoch konnten die äußeren Bedingungen auch angesichts der Platzqualität kaum besser sein, um sich auf die Rückrunde der Zweiten Liga vorzubereiten.

„Es ist für das Training, gerade wenn man taktische Dinge einstudieren will, auf jeden Fall ein Vorteil, wenn das Wetter so gut wie hier ist. Und es macht natürlich auch mehr Spaß“, sagt der Innenverteidiger, der am kommenden Mittwoch 26 Jahre alt wird. Mit dem ersten Aspekt spricht er auch gleich einen Schwerpunkt der aktuellen Trainingsarbeit an. „Es ist wichtig, dass wir für die Gegner nicht mehr so greifbar und berechenbar sind, wie wir es in der Hinrunde noch waren. Wir haben da eigentlich nur zwei Dinge gemacht. Jetzt versuchen wir, mehrere Varianten im Spielaufbau und im Angriff zu beherrschen“, sagt Sobiech.

In diesem Zusammenhang habe es durch die Verpflichtung von Olaf Janßen als zusätzlichem Co-Trainer noch einmal einen „Push“ gegeben. „Je variabler und schwieriger bespielbar wir sind, desto eher können wir gleich am Anfang der Rückrunde Stuttgart und Braunschweig gefährden“, sagt er.

Lasse Sobiech war auch schon dabei, als der FC St. Pauli vor zwei Jahren nach der Hinrunde Tabellenschlusslicht war und dank eines Kraftaktes in der Rückrunde mit dem damals neu verpflichteten Ewald Lienen als Trainer am Ende noch den direkten Klassenverbleib realisieren konnte. Jetzt aber warnt der Vize-Kapitän davor, sich leichtfertig auf diese positive Erfahrung zu verlassen. „Die Situation ist jedes Mal doch etwas anders, weil einige andere Spieler da sind und auch das Trainerteam etwas anders ist. Dazu ist auch im Umfeld neu, dass diesmal vor der Saison eine gewisse Euphorie herrschte. Wir dürfen jetzt nicht darauf setzen, dass wir die Situation ja schon kennen und sie erfolgreich bewältigt haben. Wenn wir nur denken, das wird schon wieder klappen, dann ist das der falsche Weg“, warnt er eindringlich.

In einem Punkt aber dürfe man durchaus an die Lage und die Krisenbewältigung vor zwei Jahren denken. „Wir können mitnehmen, dass wir damals enger zusammengerückt sind und es innerhalb der Mannschaft keine Brandherde und keine Krisenstimmung gab“, sagt Sobiech.

Wie die gesamte Mannschaft, so fiel auch Sobiech selbst in der Hinrunde mit seiner Leistung im Vergleich zur starken Saison 2015/16 ab. Durch die Verletzung, die er sich im Heimspiel gegen Braunschweig früh zugezogen hatte, und eine Sperre wegen einer nachträglich geahndeten Unsportlichkeit im Spiel gegen 1860 München fehlte er seinem Team zudem in wichtigen Partien. „Beides hat sicherlich nicht dazu beigetragen, dass man eine Serie solide spielen kann. Deshalb muss auch von mir jetzt in der Rückrunde ein großer Fortschritt kommen. Ein, zwei Tore und mehrere Spiele ohne Gegentor wären schön“, sagt er. Hatte er in den beiden Spielzeiten zuvor noch jeweils vier zum Teil siegbringende Treffer erzielt, so ist er in dieser Saison noch leer ausgegangen. Seine Kopfballstärke konnte er bei eigenen Ecken und Freistößen noch nicht wieder so effektiv einsetzen, dass dies zu einem Treffer geführt hätte.

Doch im Grund sind eigene Tore auch nur ein Randaspekt. „Als Führungsspieler muss ich im Spiel in den Zweikämpfen vorangehen und dazu Konsequenz und Klarheit zeigen. Wenn auf dem Platz zwei, drei Spieler zeigen, wo es in Bezug auf Zweikampfverhalten und taktische Vorgaben hingehen soll, können sich die anderen daran orientieren und mitziehen“, sagt Sobiech

Bei drei Punkten Rückstand auf den rettenden 15. Tabellenplatz und einem extrem schweren Auftaktprogramm wird es notwendig sein, dass die angesprochenen Punkte zügig greifen. Sobiechs vorsichtiger Optimismus im Hinblick auf die zweite Halbserie aber hat auch Gründe, die außerhalb des Spielfeldes liegen. Er sagt daher: „Ich glaube, dass am Ende Charakter und Leidenschaft gewinnen gegen eine vermeintlich höhere individuelle Qualität. In dieser Hinsicht stehen wir ganz weit oben, also ganz woanders als derzeit in der Tabelle der Liga. Wenn man sich unsere Spielertypen anschaut, wie sie bereit sind zu kämpfen, wird das der Grundstein sein, dass wir es schaffen.“

Sobiech räumt aber auch ein, dass ihn bei aller Zuversicht die Lage auch in der heimischen Umgebung weiter beschäftigt. „Mein Umfeld bekommt es schon mit, in welcher Tabellensituation wir sind und wie es bei mir persönlich läuft. Ich kann es auch im Privatleben nicht völlig ausblenden, wenn es dem Verein, meinen Mitspielern und auch mir schlecht geht“, verrät der 1,96 Meter große Hüne, bei dem man sich richtig schlechte Laune kaum vorstellen kann.