Dubai. Eine Woche vor dem Neustart sind fast alle Positionen vergeben. Im HSV-Tor deutet sich eine Überraschung an

Am Donnerstagmorgen ist das passiert, was in Dubai nie passiert. Oder besser: fast nie. Die Sonne war weg. Zwei Meter weit konnte man aus dem Fenster des HSV-Hotels Meydan schauen, ehe der Blick durch eine Nebelsuppe gestoppt wurde. „Ich war überrascht, als ich die Gardinen aufgemacht habe. So einen starken Nebel habe ich noch nie gesehen“, sagte HSV-Kapitän Gotoku Sakai, nachdem sich pünktlich zum Training die Wolken über der Wüstenstadt verzogen hatten.

Der Weitblick war kurzzeitig abhandengekommen, den Überblick hat Trainer Markus Gisdol aber nicht verloren. 29 Profis hat der Fußballlehrer in die Emirate mitgenommen, von denen beim Jahresauftakt gegen den VfL Wolfsburg gerade einmal elf starten dürfen. So sehen es die internationalen Fußballregeln der Fifa vor. „Es ist gut, wenn wir langsam acht bis neun Spieler für eine mögliche Startelf gefunden haben. Bis zum Spiel gegen Wolfsburg werden dann zwei oder drei Positionen offen bleiben“, sagt Gisdol, der keine Regeländerung beantragen und lieber den letzten Test an diesem Freitag gegen den chinesischen Club Henan Jianye (15 Uhr/MEZ) nutzen will, um eine mögliche Startelf einzuspielen.

Große Überraschungen in der Abwehr und im Mittelfeld sind vorerst nicht zu erwarten. Ganz hinten setzt Gisdol auf die brasilianisch-japanische Verteidigerzange mit Douglas Santos (links) und Kapitän Sakai (rechts). Im Abwehrzentrum ist der Neu-Hamburger Mergim Mavraj gesetzt, daneben darf Ex-Kapitän Johan Djourou den Platzhalter für den noch immer gesuchten Neuzugang Nummer zwei übernehmen. Ähnlich ist die Situation im defensiven Mittelfeld, wo zumindest im Ansatz etwas mehr Spannung als im offensiven Mittelfeld (Müller, Holtby und Kostic) zu erwarten ist: Auf der sogenannten Doppelsechs konnten sich Albin Ekdal und Matthias Ostrzolek einen vorläufigen Startelfplatz erobern – wobei auch hier noch eine Sofortverstärkung kommen soll.

Besonders erstaunlich ist dabei Ostrzoleks neue Rolle. Der gelernte Linksverteidiger, der auf seiner eigentlichen Position nur selten zu gefallen wusste, überzeugte auch in Dubai als Mittelfeldstaubsauger. „Mir ist egal, auf welcher Position ich spiele, solange ich spiele“, floskelte Ostrzolek, der es im defensiven Mittelfeld zum Ende der Hinrunde fast in die Rangliste „Im Blickfeld“ des Fachmagazins „Kicker“ geschafft hätte. Sein Notendurchschnitt (3,3) ist sogar besser als der von Bayernstar Xabi Alonso (3,5) – allerdings muss man für die Rangliste mindestens die Hälfte aller Spiele auf seiner Stammposition gespielt haben.

Nur mit der Hälfte der Spiele will sich einer, der im Sommer nur als Back-up geholt wurde, nicht mehr zufriedengeben: Christian Mathenia. „Natürlich ist es mein Ziel, weiterhin im Kasten zu stehen“, sagt der Torhüter gegenüber NDR 90,3. „Ich will hier unbedingt die Nummer eins werden.“

Mathenia ist auf dem besten Weg, in Dubai vom klassischen Fußball-Darwinismus zu profitieren: Survival of the Fittest. Während Konkurrent René Adler nach überstandener Ellbogenverletzung in den letzten Tagen nun die Adduktoren zwicken, schmeißt sich Ma­thenia unermüdlich in jeden anfliegenden Ball. „Ich habe wieder das Selbstbewusstsein“, sagt der 24-Jährige, dem die Verantwortlichen langfristig die Rolle der Nummer eins zutrauen. „Natürlich freue ich mich, wenn mich der Trainer weiter aufstellt.“

Der sieben Jahre ältere (und deutlich teurere) Adler kann diese Freude nur bedingt teilen. Der frühere Nationaltorhüter will noch immer hoch hin-aus – zuletzt aber nur im übertragenen Sinn. Am Dienstag erklomm Adler den 828 Meter hohen Burj Khalifa, das offiziell höchste Gebäude der Welt. Offizielle Interviewanfragen lehnte der frühere Nationaltorhüter im Trainingslager dagegen ab, er habe keine große Lust, über den Zweikampf um die Nummer eins befragt zu werden. Bei einer interaktiven Runde mit Fans, die ihre Fragen bei Facebook posteten, dauerte es dann aber nicht lange, ehe der Wahl-Harvestehuder genau diese Frage gestellt bekam. Das Thema nerve, antwortete Adler, „ich will ihm nicht zu viel Wichtigkeit beimessen“.

Doch was ist eine Woche vor dem Neustart der Bundesliga wichtig, was ist weniger wichtig? Genau darauf muss sich der detailversessene Gisdol spätestens nach der Rückkehr nach Hamburg konzentrieren. Die Besetzung seines Sturms (Wood oder Gregoritsch) kann der Trainer beeinflussen – die Aufstellung des runderneuerten VfL Wolfsburg dagegen nicht. Kein Bundesligaclub hat sich quantitativ (vier Neuzugänge) und qualitativ (für 33 Millionen Euro) derart verstärkt wie der VfL. „Das ist Gefahr und Chance zugleich“, sagt der nebelerprobte Sakai. „Ein neuer Spieler kann eine Verstärkung sein oder nicht ins Gefüge passen.“ Der Japaner macht eine kurze Pause. „Wir hoffen, dass es bei Wolfsburg einfach noch nicht passt.“