Die Übertragung der Handball-WM über Youtube ist erst der Anfang. Immer neue Anbieter drängen in den Markt. Eine große Herausforderung für den Journalismus

Heute wird mediale Sportgeschichte geschrieben: Bei der Handball-WM in Frankreich sorgt ein Sponsor für Liveübertragungen der deutschen Spiele. Zuvor konnte sich keiner der traditionellen Fernsehanbieter mit dem katarischen Rechteinhaber beIN-Sports auf einen Vertrag einigen – nun streamt die Deutsche Kreditbank (DKB) über YouTube das Signal ins Internet.

Das Sportfernsehen der Zukunft?

Das Beispiel zeigt, wie stark die Mediensport-Landschaft aufseiten der Anbieter, aber auch der Rezipienten in Bewegung ist. Klassische Verbreitungswege, traditionelle Rechte, erprobte Präsentationsformen – all dies gilt nicht mehr und ist auf dem Prüfstand. Fazit: Die Lage wird unübersichtlich.

Ein Überblick.

Rechtedifferenzierung: Neben TV-Sendern buhlen zukünftig auch Unternehmen wie Facebook, Twitter oder Google bei der Rechtevergabe um den Sportkuchen, der in immer kleinere Stückchen aufgeteilt wird. Wettkampf live hebt das Image und sorgt für Zuschauer oder, genauer, Nutzer, in deren Umfeld mit Werbung Geld verdient werden kann. Dass DAZN, eine Tochter der englischen Performgroup, in der nächsten Rechteperiode einen Teil der Fußballbundesliga ins Portfolio geholt hat, ist erst der Anfang.

Neue Player: Die Olympischen Spiele werden in Deutschland zukünftig nur bei Eurosport/Discovery zu sehen sein. Damit wird der Sport zunehmend zum medialen Selbstverwerter. Der HSV beschäftigt eine mit der Sportredaktion des Abendblatts in der Größe vergleichbare Redaktion. Verbände produzieren über Host Broadcaster ihre Wettkämpfe und kontrollieren die TV-Bilder. Das IOC startete nach den Spielen in Rio eine Online-Plattform, den Olympic Channel, in organisatorischer und personeller Kooperation mit Eurosport. Alles also auf Kosten der Unabhängigkeit.

Veränderte Publika: Nur bei Länderspielen sitzt noch die Familie vor dem Fernseher. Erste Anzeichen eines nachlassenden Mediensport-Interesses in den USA, aber auch in Deutschland sollten die Anbieter wachsam werden lassen. Eine nachwachsende Generation der multimedialen Onliner versagt sich zunehmend tradierten Rezeptionsgewohnheiten und Geräten; das Smartphone wird zum alleinigen Display der Sport-Medienwelt.

Verstärkte Interaktion: Die neuen Nutzer wollen nicht mehr nur zusehen, sondern dabei sein, mitspielen, live erleben. Sport ist das auf sozialen Netzwerken via Second Screening wohl am intensivsten diskutierte Thema. Die interaktive Zukunft heißt jedoch VR/AR – Virtual oder Augmented Reality. Ohne Features wie 360-Grad-Videos, Angebote für VR-Brillen oder News Games ist Mediensport in der Zukunft kaum vorstellbar.

Wohin führen diese Entwicklungen? Sicher ist ein stetiger Wandel von Technik und Haptik – der Sport war schon immer ein Seismograph für Veränderungen der Medienwelt. Aber vielleicht ist es kaum aufgefallen: Bislang ist in dieser Kolumne nicht einmal das Wort Journalismus gefallen. Tatsächlich kommt ihm eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der medialen Zukunft zu. Denn die neuen Angebote müssen eingeordnet und bewertet werden. Neben dem Transport von Emotionen gehören Fakten unabhängig recherchiert, Informationen kontrolliert. Diskussionen um das russische Staatsdoping oder die Korruption der Fifa belegen die wichtige Funktion des Sportjournalismus.

Die DKB-Kunden finanzieren heute eine Sportübertragung. Eine Bank wird so zu einem Medienunternehmen ohne Lizenz, dies ist auch rechtlich umstritten – Sportjournalismus ist es nicht.