Dubai. Der neue HSV-Sportchef Jens Todt spricht über die Aufstockung der WM und die kurz- und mittelfristigen Ziele des Bundesliga-Clubs

Die Zukunft ist in Dubai allgegenwärtig. Kaum eine Stadt wächst so schnell wie die Wüstenmetropole, in der sich der HSV bereits zum achten Mal auf die Rückrunde vorbereitet. Wo kann man also besser mit Neu-Sportchef Jens Todt ein Gespräch über die Zukunft des HSV führen als hier. Ein gemeinsamer Blick in die Glaskugel.

Herr Todt, kennen Sie den Film „Zurück in die Zukunft“?

Jens Todt: Selbstverständlich.

Verkürzt gesagt fliegt der Protagonist Marty McFly zunächst in die Vergangenheit, um anschließend die Zukunft zu retten. Mit Ihnen und Heribert Bruchhagen sollen nun ebenfalls zwei neue Verantwortliche mit HSV-Vergangenheit die Club-Zukunft gestalten. Doch bevor wir zur HSV-Zukunft kommen, hätten wir nach der Entscheidung für die WM mit 48 Ländern noch eine allgemeine Frage. Die Fifa-Entscheidung, die China-Millionen, die zunehmende Kommerzialisierung: Muss man sich Sorgen um die Zukunft des Fußballs machen?

Ich bin davon überzeugt, dass die Schraube noch ein wenig weitergedreht wird, ehe man aufwacht und versteht, dass es so eigentlich nicht mehr weiter- geht. Irgendwann wird die Blase platzen. Heute ist es China, morgen ist es vielleicht Indien. Das alles ist aber nicht nachhaltig, genauso wenig wie eine WM mit 48 Mannschaften. Doch noch geht der ganz normale Wahnsinn einfach heiter weiter. Die Fernsehgelder steigen weiter, und in England kann sich ein normaler Fan keine Eintrittskarte mehr leisten. Das wird langfristig nicht funktionieren. Deswegen müssen wir sehr ernsthaft aufpassen, dass wir nicht jeden Wahnsinn einfach so mitmachen.

Schwierig.

Sehr schwierig. Als HSV müssen wir in dieser Gemengelage einen ganz eigenen Weg finden.

Und Sie persönlich?

Und ich persönlich muss mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass ich mich in einer Blase bewege, die nichts mit dem normalen Leben zu tun hat. Wenn ich hier durch unsere riesige Hotellobby gehe, dann komme ich mir manchmal vor, als wenn ich im Flughafenterminal bin. Das ist aber völlig in Ordnung, solange ich mir bewusst bin, dass das nicht wirklich normal ist. Schon morgen kann es peng machen – und dann ist der Traum aus.

Solange das nicht der Fall ist, fangen wir mit der kurzfristigen Zukunft des HSV an: Nach unseren Informationen sollen noch eine Abwehr-Sofortverstärkung, ein weiterer Innenverteidiger und ein spielstarker Sechser kommen. Klingt nach viel Arbeit.

Es ist kein Geheimnis, dass wir in der defensiven Zentrale noch etwas machen wollen. Ob aber wirklich gleich drei Verstärkungen noch kommen, wird die Zukunft zeigen - die kurzfristige Zukunft.

Kein Geheimnis ist auch, dass Dietmar Beiersdorfer schon einige Transfers vorbereitet hatte. Arbeiten Sie seine Liste ab, oder haben Sie auch für die laufende Transferperiode ganz eigene Ideen?

Sowohl als auch. Von den Personalien, die Dietmar Beiersdorfer gemeinsam mit Markus Gisdol vorbereitet hatte, bin auch ich ganz überwiegend überzeugt. Aber natürlich gibt es auch ein paar Ideen, die neu sind. Das Problem ist nur, dass wir keine Zeit haben. Es ist Winter, da gibt es nicht allzu viele Kandidaten, die uns sofort verstärken und schnell zu integrieren sind.

Müssen Sie jedem Berater und jedem Spieler neu erklären, was Ihre Ideen von der Zukunft sind?

Nein. Die Branche weiß ja ganz genau, was beim HSV los ist und was sich geändert hat. Da muss ich nicht in jedem Telefon eine Vorstellungsrunde machen.

Wie hat der Markt auf Ihren Wechsel vom KSC zum HSV reagiert?

Schnell. Ich bekomme täglich rund 80 Mails mit Angeboten von Spielern aus der ganzen Welt. Und natürlich werden mir jetzt Profis aus einer anderen Preisklasse als in Karlsruhe angeboten. Aber wirklich seriös kann man diese ganzen Berater-Angebote natürlich nicht prüfen. Jetzt hat man ja gar nicht mehr die Zeit, die Spieler alle einzeln zu sichten.

Was haben Sie Frieder Gamm gesagt, dem Berater von Neven Subotic, der sich nach unseren Informationen im Dezember schon mit dem HSV quasi einig war, dem Heribert Bruchhagen nun aber gesagt haben soll, dass ihm das Gesamtpaket noch ein wenig zu teuer sei.

Wer sagt denn, dass ich schon mit Herrn Gamm gesprochen habe? (lacht) Aber im Ernst: Ich werde einzelne Namen nicht kommentieren und mich nicht an Spekulationen beteiligen.

Dann kommen wir direkt zur mittelfristigen Zukunft: Klaus-Michael Kühne hat Sie beim Abendblatt-Neujahrsempfang als „relativ unbeschriebenes Blatt“ bezeichnet. Was soll auf dem Blatt Jens Todt am 31. Dezember 2018 stehen, wenn Ihr Vertrag endet?

Mein Ziel ist es, dass wir mittelfristig eine Mannschaft beim HSV mit Spielern zusammenstellen, die nicht mehr ihren letzten, großen Vertrag hier unterschreiben, sondern eher ihren ersten oder zweiten. Wir wollen es schaffen, dass viele Toptalente nach Hamburg kommen – und trotzdem wollen wir uns mit diesen jungen Leuten stabilisieren. Wir wollen nicht mehr permanent mit dem Rücken zur Wand stehen.

Vom Mittelfristigen zum Langfristigen: Kann man im schnelllebigen Profigeschäft überhaupt noch langfristige Pläne über mehrere Jahre machen?

Man kann und sollte das versuchen – obwohl man in aller Regel schnell von der Realität eingeholt wird. Ich kenne keinen Fünfjahresplan im Profifußball, der wirklich aufgegangen ist. Wenn man als Club seine mittelfristigen Ziele erreicht, dann ist es schon mal ein guter Anfang.

Haben Sie schon einmal einen Blick in das Leitbild des HSV geworfen?

Das habe ich, es ist allerdings schon ein paar Monate her. Damals war ich noch beim KSC – und mich hat das einfach interessiert, als alle Medien davon berichtet haben.

Dann werden Sie gelesen haben, dass der HSV langfristig wieder Dauergast in Europa sein will. Ist das ein lobenswertes Ziel? Oder ist das Quatsch?

Natürlich bekenne ich mich zu den langfristigen Zielen des HSV. Aber einen Fehler sollte ich nun wirklich nicht machen: im Januar 2017 über die Rückkehr nach Europa zu sprechen. Denn das wäre wirklich Quatsch.

Können Sie sich mit dem langfristigen Ziel identifizieren, der erste Sportchef seit zehn Jahren zu sein, der seinen Vertrag erfüllt?

Wow! Ist das wirklich so?

Dietmar Beiersdorfer war der letzte Sportchef, der seinen Vertrag verlängerte, ehe er 2009 entlassen wurde.

Das ist wirklich ein aussagekräftiges Detail, das viel über die Vergangenheit des Clubs verrät. Deswegen ist es natürlich mein persönliches Zukunftsziel, länger als bis zum Vertragsende im Dezember 2018 beim HSV zu bleiben.