Dubai. Nicht einmal zwei Wochen vor dem Jahresauftakt gegen Wolfsburg bleibt auch in Dubai die HSV-Abwehr eine Großbaustelle.Die Lösung soll – mal wieder – Kühne heißen

Im Nad al Sheba Sports Complex, wo sich der HSV neun Tage lang auf die Rückrunde vorbereiten darf, sorgt eine Vielzahl von Mitarbeitern dafür, dass bloß keine Aufnahmen von den Bauarbeitern und Gerätschaften rund um das stetig wachsende und streng bewachte Sportareal gemacht werden. Genau wie der Rest von Dubai gleicht auch der luxuriöse Trainingskomplex einer Großbaustelle – nur allzu viel sprechen will niemand darüber.

Etwas auskunftsfreudiger sind dagegen die Verantwortlichen des HSV, wenn man nach ihrer Großbaustelle in der Defensive fragt. „Das hätte nun wirklich nicht passieren dürfen“, sagt Markus Gisdol und meint den Trainingsunfall von Gideon Jung, der dem Trainer bereits am ersten Tag von Dubai zu schaffen machte. „So eine saublöde Situation“, sagt Gisdol, als er auf den Zweikampf von Finn Porath und Jung angesprochen wird, der einen sehr schmerzhaften Aufschrei und eine nicht weniger schmerzhafte Diagnose nach sich zog: Außenbanddehnung, zehn Tage Pause. „Das hat uns gerade noch gefehlt“, sagt Gisdol, „ausgerechnet in der Abwehr.“

Die Abwehr also, Hamburgs Großbaustelle seit Saisonbeginn. 31 Gegentore kassierte der HSV in den bisherigen 16 Vorrundenspielen – nur Werder Bremen war um drei Gegentore schlechter. Da war es dann auch keine große Überraschung, dass sich Hamburgs Verantwortliche schon frühzeitig entschlossen, die Winterpause zu großflächigen Umbaumaßnahmen in der Defensive zu nutzen. „Auch quantitativ gibt es Bedarf“, sagte Gisdol im Dezember, als sein Club ohne Sportchef und ohne Vorstandschef mit Zukunft noch ganz andere Sorgen hatte.

Wenige Wochen später sind ein Sportchef (Jens Todt), ein neuer Vorstandschef (Heribert Bruchhagen) und sogar ein neuer Abwehrchef (Mergim Mavraj) da, doch numerisch hat sich Hamburgs Situation in der Defensive auch unabhängig von Jungs Verletzung verschärft: Cléber wurde für 2,5 Millionen Euro verkauft, der als schwierig geltende Emir Spahic freigestellt. Zwei Spieler weg, mit Mavraj nur ein Neuer da. Doch Fußball ist keine Mathematik. „Ich rechne anders“, sagte Gisdol, als er noch vor der Jung-Verletzung aus der Rechnung minus zwei plus eins zu einem erstaunlichen Ergebnis kam: „Wir haben zwei Spieler verloren, mit denen ich nie richtig planen konnte. Aber wir haben einen Spieler gewonnen, der alle Spiele in der Hinrunde machte. Für mich macht das unter dem Strich plus eins.“

Wenige Tage und ein fataler Zweikampf später ist vom Zwischenergebnis „plus eins“ nicht mehr viel übrig. „Gideons Ausfall ist sehr unglücklich für uns“, sagt Gisdol, „nun muss der Jens ran.“

Bruchhagen trifft an diesem Montag auf Kühne

Der Jens sitzt am späten Sonntagnachmittag in den Katakomben des Al-Maktoum-Stadions und lässt sich von den lokalen Medien befragen. Es geht um das Phänomen RB Leipzig („das macht uns keine Angst“), Hauptsponsor Emirates („sehr wichtig für uns“), den heutigen Test gegen Al-Nasr („wichtiges Spiel“) – und natürlich die Hoffnung auf baldige Abwehrverstärkungen. „Wir haben einige Bälle in der Luft“, antwortet Jens Todt, „aber noch gibt es nichts zu verkünden.“ Kurze Pause. „Und es wird auch in Kürze noch nichts zu verkünden geben.“

In Kürze ist relativ. In Kürze, in nicht einmal zwei Wochen, spielt der HSV zum Jahresauftakt gegen den VfL Wolfsburg, mit nur drei Punkten mehr ein direkter Konkurrent, der sich im Winter millionenschwer verstärkt hat. Mit Yunus Malli (12,5 Millionen Euro), Riechedly Bazoer (12 Millionen Euro) und Victor Osimhen (4,5 Millionen Euro) holten die Wölfe drei Neue für 28 Millionen Euro, trennten sich dafür vom 40-Millionen-Missverständnis Julian Draxler.

Beim HSV heißt der Garant für Millionen nicht Draxler, sondern Kühne. Klaus-Michael Kühne. An diesem Montag soll es das erste Gipfeltreffen zwischen dem Milliardär und Neu-Chef Bruchhagen (siehe unten) in Hamburg geben, ehe sich Dietmar Beiersdorfers Nachfolger am Abend auf den Weg Richtung Dubai macht. Dort wollen Bruchhagen und Todt spätestens am Dienstag den finanziellen Rahmen für weitere Wintertransfers umreißen. Als sicher gilt nur, dass neben einem weiteren Innenverteidiger auch noch ein defensiver Mittelfeldmann – zeitnahe, aber nicht in Kürze – kommen soll.

Kandidaten gibt es mehr als genug: Dortmunds Neven Subotic, Bayerns Holger Badstuber oder auch Hoffenheims Eugen Polanski. Leipzigs Kyriakos Papadopoulos hat von Sportchef Ralf Rangnick die Freigabe für einen Wechsel bekommen. „Papa geht es wieder gut. Wir sind ganz entspannt“, sagt Paul Koutsoliakos, der Berater des zuletzt am Knie verletzten Griechen, dem Abendblatt zu möglichen Anfragen. „Wir führen ständig Gespräche“, sagt wiederum Sportchef Jens Todt, der sich auch im Falle einer In-Kürze-Einigung auf den HSV-Hauptsponsor verlassen kann: Zweimal täglich geht ein Direktflieger von Hamburg nach Dubai.