Innsbruck. Drittes Springen der Vierschanzentournee wird nach einem Durchgang abgebrochen. Norweger Tande gewinnt

Severin Freund? Grippekrank abgereist. Die Österreicher? Mit Magen-Darm-Problemen. Mitfavorit Kamil Stoch aus Polen? Im Probedurchgang auf die Schulter gefallen. Und dann bereitet auch noch das Wetter Kummer. Innsbruck kann gemein sein. Das müssen die besten Skispringer der Welt leidvoll erfahren. Die dritte Station der Vierschanzentournee verdient weder einen Schönheitspreis noch den Fair-Play-Pokal. So richtig glücklich erscheint am Ende nur der Sieger des Tages. Es ist derselbe wie zuvor in Garmisch-Partenkirchen, es ist der Norweger Daniel-André Tande.

Über Nacht ist es ungemütlich geworden in Tirol. Das mögen selbst die Berge nicht mit ansehen und tauchen in den Wolken ab. Renndirektor Walter Hofer wirkt angespannt. Er telefoniert, schaut, spricht, organisiert, verflucht an der Schanze den böigen Wind. Man möchte nicht mit ihm tauschen. Erleichterung setzt erst ein, als auch der letzte Springer sicher im Tal gelandet ist und verkündet wird, dass Tande gewonnen hat. Dieser Arbeitstag ist für die Springer besonders gefährlich, dafür aber auch etwas kürzer. Den zweiten Durchgang sagt die Rennleitung ab, zu riskant. Und: Es gibt kein Flutlicht.

Mit Ausnahme des triumphierenden Norwegers verlieren die Favoriten an diesem Tag den Zweikampf mit den äußeren Bedingungen. Dazu gehört auch Markus Eisenbichler, der als einziger Deutscher noch leise Hoffnungen auf einen Podestplatz gehegt hat, diese aber mit Rang 29 in Innsbruck begraben muss. Er fällt auf den sechsten Platz in der Gesamtwertung zurück. Keiner der Deutschen schafft es am Bergisel in die Top Ten.

Es zeigt sich, dass das Skispringen das Sensibelchen unter den Wintersportarten ist. An diesem grauen Nachmittag gleicht es einem Nervenspiel. Immer wieder schicken die Trainer ihre Springer vom Balken zurück in die Warteposition. Der Österreicher Florian Liegl geht sogar noch weiter. Obwohl die Jury grünes Licht für einen Sprung gibt, nimmt er seinen startbereiten Athleten Stefan Huber komplett aus dem Wettbewerb. Kopfschüttelnd blickt der Trainer dabei auf die flatternde Windanzeige.

Es ist immer wieder ein ähnliches Bild: Wenn die Skispringer endlich von der Schanze geschickt werden, gibt es Wackler in der Luft und Verwehungen am Boden. „Das macht keinen Spaß. Weder den Athleten noch den Trainern. Aber es gibt ja gewisse Zwänge“, sagt der deutsche Bundestrainer Werner Schuster, der mit einer Mischung aus Tapferkeit und Hoffnung sein Fähnchen in den Wind hält. Er möchte für jeden seiner Springer einen der seltenen Momente ausfindig machen, die einen Flug ohne Turbulenzen und ohne eine Bruchlandung in den Auslauf des Bergisel-Stadions ermöglichen. Die gute Nachricht: Alle, die gestartet sind, bleiben unverletzt. Schuster fasst es so zusammen: „Die Leistungen sind okay, die Resultate leider nicht.“

Nach dem Springen entlädt sich vielerorts die Anspannung. Der Schweizer Simon Ammann, einer der erfahrensten Sportler der Tournee, wird am deutlichsten: „Ich bin keine 22 mehr, ich habe Familie. Das Springen war ein Witz.“ Auch Stefan Leyhe aus Willingen, als Elfter bester Deutscher, klingt erleichtert, als er diesen Wettkampf unter „erledigt“ verbuchen kann. „Die Verhältnisse gehen nicht spurlos an einem vorbei“, sagt er.

Ob die Nachwirkungen dieses denkwürdigen Vierschanzentags auch beim Tourneeabschluss in Bischofshofen (Donnerstag, 17 Uhr Qualifikation, Freitag, 17 Uhr Springen/beides ZDF und Eurosport) zu spüren sein werden, wird sich am ehesten am Fall des Polen Kamil Stoch ablesen lassen. Nach seinem Sturz im Probedurchgang ging er unter Schmerzen in den Wettkampf von Innsbruck. Er rettete sich auf Platz vier, fiel in der Gesamtwertung aber auf Platz zwei hinter Tande zurück - vielleicht eine Vorentscheidung.

Die weiblichen Fans an der Schanze wird es freuen. Daniel-André Tande zählt zu den begehrtesten Männern des Weltcups. Es heißt, nicht wenige Mädchen wünschten sich, er würde vom Skispringen zum Turmspringen wechseln. Denn dann wäre mehr von seinem makellosen Körper zu sehen. Doch dazu wird es nicht kommen. Der 22-Jährige fühlt sich in seinem Sport allzu wohl, auch wegen der Vierschanzentournee. „Es ist wieder so ein aufregender Tag für mich. Ich kann mein Glück kaum fassen“, sagt er, der nun als Führender nach Bischofshofen fährt. Knapp hinter ihm lauert Stoch, dann folgt – schon mit größerem Rückstand – der Österreicher Stefan Kraft.