Innsbruck. Heute um 14 Uhr drittes Springen auf der Olympiaschanze in Innsbruck. Die drei Führenden in der Gesamtwertung trennen nur 6,6 Punkte

Die 65. Vierschanzentournee ist umgezogen. Deutschland ist durch, jetzt übernimmt Österreich. Vor dem dritten Springen in Innsbruck (Mittwoch, 14 Uhr/ARD und Eurosport) zeichnen sich die ersten Gewinner und Verlierer der bedeutendsten Skisprungserie des Jahres ab. Eine Einschätzung.

Tops

Markus Eisenbichler. Er ist der Tourneeheld aus deutscher Sicht. Kam aus dem Nichts und nähert sich mit Riesensätzen und einem lehrbuchhaften Flugstil den Treppchenplätzen. Aktuell Platz vier in der Gesamtwertung, das Führungstrio spürt den kalten Atem des ehrgeizigen Oberbayern. Dabei war für den Mann, der erst vor einem Monat zum ersten Mal im Weltcup in die Medaillenränge flog, die Skisprungkarriere schon fast vorbei, bevor sie richtig anfangen konnte. Bei einem Sturz in Oberstdorf hatte er sich vor vier Jahren schwer verletzt — doch er rappelte sich wieder auf. Ohne ihn wären die deutschen Springer in diesen Tagen nur Mitläufer. Mit ihm sind sie weiter im Geschäft. Typisch für Eisenbichler: Seine nach vorne ausgefahrenen Arme, wenn er sich auf einen Sprung konzentriert. So als wolle er oben auf der Schanze eine La-Ola-Welle anzetteln. Die hätte er selbst längst verdient. „Er kann alle schlagen“, sagt Bundestrainer Werner Schuster über seinen besten Mann.
Stefan Leyhe. Der zurückhaltende Athlet aus Willingen ist seit zwei Jahren im Weltcup unterwegs. Mitbekommen hatte das allerdings kaum jemand. Bis zu dieser Vierschanzentournee. Hier hat sich der 24-Jährige einen Ruf als zweiter deutscher Top-Ten-Springer erarbeitet und bleibt dabei bescheiden: „Ich komme gut zurecht, aber um die Spitzenplätze springen andere“, sagt er.
Die Spannung. Vergangenes Jahr der einsame Triumph des Slowenen Peter Prevc. Davor sieben klare österreichische Gesamtsiege in Serie. Und heuer, wie der Innsbrucker sagen würde? Ist die Vierschanzentournee spannend wie lange nicht. Die drei Führenden, Kamil Stoch (Polen/591,2 Punkte), Stefan Kraft (Österreich/590,4) und Daniel-André Tande (Norwegen/584,6), liegen nach zwei Wettbewerben eng wie Schneekristalle beieinander.

Flops

Severin Freund. Dienstag der Tiefpunkt. Mit letzter Kraft quält sich der Tourneezweite des Vorjahres durch die Qualifikation von Innsbruck. 116,5 Meter, kaum mehr als ein Hüpfer. Zu wenig Schwung sogar, um es bis zum Ausgang des Schanzenauslaufs zu schaffen. Es ist ein beschwerlicher Weg für ihn zurück nach oben. In der Gesamtwertung der Vierschanzentournee liegt er auf Platz 22. Denkbar, dass sich der Bayer beim Springen von der Olympiaschanze im Bergisel-Stadion am Mittwoch schwer tun wird. Mit einem Sturz begann vor einem Jahr an dieser Stelle seine Leidenszeit mit Hüft-Operation und fünf Monaten Pause.
Domen Prevc. Was war er nicht alles vor der Tournee: 17-jähriges Wunderkind, unerschrocken, Gipfelstürmer. Und jetzt? Hat auf dem Weg zur Vierschanzentournee irgendwo seine Dominanz liegen lassen. In Oberstdorf landete er so weit hinten, dass man ihn kaum wahrnahm. Nach der Hälfte der Tournee dümpelt er im Mittelfeld herum.
Simon Ammann. Einst sprang er als optische Antwort auf Harry Potter in die Herzen der Wintersportfreunde. Das ist 15 Jahre her. Längst ist sein Zauber verflogen. Inzwischen scheitert der 35-jährige Schweizer — wie zuletzt in Oberstdorf — oft schon in der Quali. Zwangsläufig fragt man sich: Warum nimmt eine Skisprunglegende, die vier olympische Goldmedaillen gesammelt hat, diesen Leidensweg in Kauf?