Garmisch-Partenkirchen. Vierschanzentournee Norweger Daniel-André Tande gewinnt in Garmisch-Partenkirchen, Pole Kamil Stoch übernimmt Gesamtführung

In Garmisch-Partenkirchen hört alles auf Rosi Mittermaier. Eigentlich. Bloß ihr Wunsch, Severin Freund mal wieder ganz vorne zu sehen, ging nicht in Erfüllung. Dafür hätte der beste deutsche Skispringer der vergangenen Jahre gut zehn Meter weiter durch die Luft segeln und unterwegs satte 20 Konkurrenten mehr am Wegesrand stehen lassen müssen. Platz 21 für den Mann, dessen Körper im Moment nicht so will wie der Geist. Umso besser läuft es beim Norweger Daniel-André Tande. Der 22-Jährige holte den Sieg beim prestigeträchtigsten Springen des Jahres, beim Neujahrsspringen der Vierschanzentournee. Er ließ den polnischen Doppelolympiasieger Kamil Stoch sowie den Österreicher Stefan Kraft, der am Freitag den Tourneeauftakt in Oberstdorf gewonnen hatte, mit knappem Abstand hinter sich, lächelte und freute sich.

Und die Deutschen? Hier steht nach der Hälfte der bedeutenden Sprungserie der Bayer Markus Eisenbichler überraschend im Mittelpunkt des Interesses. Nach Platz sechs in Oberstdorf kam er in Garmisch-Partenkirchen nur eine Telemark-Landung entfernt vom Treppchen auf den vierten Rang. Werner Schuster behauptete, damit leben zu können, doch restlos zufrieden wirkte der Bundestrainer dann doch nicht, als er mit etwas Bedenkzeit sagte: „Ich bin glücklich. Wir haben insgesamt einen guten Wettkampf gemacht.“ Schuster sieht sein Team in einer Umbruchphase, „früher konnten sich alle hinter Severin Freund verstecken, das geht jetzt nicht mehr“. Vom Anlauf über den Absprung bis zum Flug klappte bei Eisenbichler, für den die Rolle des Hoffnungsträgers noch neu ist, alles wie aus dem Lehrbuch. Bloß den Abschluss, also der Punkt, auf den die strenge Jury besonders achtet, verwackelte der Siegsdorfer vor den Augen seiner Mutter erneut, für die der 25-Jährige immer noch „der kleine Bub“ ist.

Zwei Springen kommen noch, Innsbruck und Bischofshofen. Ein Gewinner steht jetzt schon fest: Es ist die Große Olympiaschanze von Garmisch-Partenkirchen. Makellos blauer Himmel und feinste Wintersonne, die sanft die Baumwipfel streichelte, hatten sie am Neujahrstag derart malerisch in Szene gesetzt, dass sie auch ohne das Springen ein Hingucker gewesen wäre. Im Rosi-Mittermaier-Land erscheint eben alles eine Spur heiterer und perfekter. Selbst dann, wenn weite Teile der Republik noch ihren Silvesterkater kurieren.

In dieses Bild passte der norwegische Tagessieger Tande genau hinein. Es war erst der zweite Weltcupsieg des jungen Mannes, der noch in seinem Elternhaus wohnt und als einzige große norwegische Hoffnung im Weltcup­zirkus unterwegs ist. „Ich war in meinem Leben wahrscheinlich noch nie so nervös wie vor meinem Sprung im zweiten Durchgang“, sagte er, legte die dicke Wollmütze ab, richtete schon vorher seine stets akkurat liegenden blonden Haare und schien seinen Sahnestart ins neue Jahr zu genießen.

In der Gesamtwertung läuft zur Halbzeit der Tournee alles auf einen Zweikampf zwischen den fast punktgleichen Herren Stoch, derzeit Führender, und Kraft hinaus. Eine Skilänge entfernt dahinter Eisenbichler als bester Deutscher auf Rang vier. Dritter ist Garmisch-Champion Tande. Nach zwei Springen in Deutschland übernimmt nun Österreich.

Und was machte Rosi Mittermaier? Sie winkte noch einmal in das mit 20.000 Besuchern ausverkaufte Skisprungstadion ihrer Heimatstadt und übergab für ein Schlusswort an ihren Mann: „Wir hoffen, dass der Severin seine Form wiederfindet“, sagte Christian Neureuther und ahnte bestimmt schon, dass das bei dieser Tournee wohl nichts mehr werden wird mit ihm.

Drei Dinge können festgehalten werden. Erstens: Nach dem Durchmarsch des Slowenen Peter Prevc im vergangenen Jahr lebt die 65. Ausgabe der Vierschanzentournee von ihrer Spannung. Zweitens: Deutscher Mann der Stunde ist Markus Eisenbichler. Drittens: Im Jahr 2017 ist noch keiner besser gesprungen als der Norweger Daniel-André Tande – und das wird mindestens zwei Tage lang so bleiben.

Dann geht die Vierschanzentournee in Innsbruck weiter mit der Qualifikation am Dienstag und dem dritten Springen am Mittwochnachmittag (jeweils 14 Uhr/ARD und Eurosport).

Vierschanzentournee: 2. Springen in Garmisch: 1. Tande (Norwegen) 289,2 Punkte (138,0 m/142,0 m); 2. Stoch (Polen) 286,0 (135,5/143,0); 3. Kraft (Österreich) 282,4 (137,0/140,0); 4. Eisenbichler (Siegsdorf) 278,9 (136,5/139,5); 5. Domen Prevc (Slowenien) 278,5 (136,0/139,0); ... 8. Leyhe (Willingen) 268,8 (135,5/134,0); 13. Wellinger (Ruhpolding) 259,0 (133,0/131,0); 15. Freitag (Aue) 254,9 (131,0/131,5); 21. Freund (Rastbüchl) 247,7 (128,5/131,5); 26. Wank (Hinterzarten) 239,0 (128,5/130,0); 28. Geiger (Oberstdorf) 236,5 (128,0/126,0). Gesamtwertung nach 2 Wettbewerben: 1. Stoch 591,2 Punkte; 2. Kraft 590,4; 3. Tande 584,6; 4. Eisenbichler 572,0; 5. Zyla (Polen) 570,0; ... 10. Leyhe 538,2; 11. Wellinger (Ruhpolding) 536,0; 13. Freitag 532,1; 22. Freund 508,1; 23. Wank (Hinterzarten) 499,4; 25. Geiger (Oberstdorf) 487,0. Weltcup-Gesamtwertung nach 9 von 27 Wettbewerben: 1. Domen Prevc 590 Punkte; 2. Tande 532; 3. Kraft 491; 4. Stoch 483; 5. Eisenbichler 359.