Hamburg. Neu-HSV-Chef Bruchhagen hat die Amtsgeschäfte von Vorgänger Beiersdorfer übernommen. Das erste Kühne-Treffen findet im Januar statt

Alexander Laux

An diesem Freitag ist Schluss. Endgültig Schluss. Seinen Schreibtisch hat Dietmar Beiersdorfer längst aufgeräumt, seine persönlichen Sachen von zweieinhalb Jahren beim HSV eingepackt. Doch einmal will der geschasste HSV-Vorstandschef noch in seinem Büro im ersten Stock des Stadions vorbeischauen, um mit Nachfolger Heribert Bruchhagen letzte Details der Übergabe zu besprechen, ehe es am Sonnabend mit der Familie in den Ich-will-vorerst-nichts-mehr-vom-HSV-hören-Urlaub nach Miami in Florida geht.

„Dietmar hat keinerlei Eitelkeiten an den Tag gelegt. Er hat mich inhaltlich komplett begleitet. Das zeigt seinen Charakter“, lobt Bruchhagen, für den Beiersdorfers Ende aber vor allem eines ist: ein Beginn. Oder besser: der Beginn.

Hamburgs neuer Vorstandschef hat die vergangenen zweieinhalb Wochen genutzt, um sich einzuarbeiten – und entgegen den allgemeinen Gepflogenheiten des Geschäfts sich einarbeiten zu lassen. Beiersdorfer und Bruchhagen haben eine echte Bürogemeinschaft gebildet: Beiersdorfer nutzte seinen alten Schreibtisch, Bruchhagen breitete sich auf dem Konferenztisch im gemeinsamen Büro aus. Zusammen sind sie durch jede Akte gegangen, haben jeden Spielervertrag gelesen. Bruchhagen hat sich mit den Bereichsleitern getroffen, hat sich über Abläufe informiert, hat seine neuen Mitarbeiter kennengelernt. Kurios: Seine engsten beiden Mitarbeiterinnen sind alte Bekannte. So war Vorstandssekretärin Gabriele Haas schon in seiner Zeit als HSV-Manager Anfang der 90er-Jahre beim HSV, Vorstandssekretärin Jutta Harm hat er seinerzeit selbst eingestellt.

Doch auch für Harm und Haas beginnt am 2. Januar eine neue Zeitrechnung. Mal wieder. Während Beiersdorfer in Übersee den Jahreswechsel feiert und anschließend auf Kuba urlaubt, will es Bruchhagen in der Heimat ein paar Nummern kleiner angehen – um ab dem 2. Januar alleinverantwortlich durchzustarten. „Wir müssen uns in den nächsten vier, fünf Monaten ausschließlich auf den sportlichen Bereich konzentrieren. Dazu gehört, dass wir uns außerhalb des sportlichen Bereichs keine Baustellen schaffen“, sagt Bruchhagen im Gespräch mit dem Abendblatt. „Wir sind in einer prekären Situation, da gilt es, sich vollständig auf den sportlichen Bereich zu konzentrieren.“

Zunächst gilt es nach den zahlreichen Personalwechseln der vergangenen Monate eine funktionsfähige Führungsstruktur zu erarbeiten. Mit potenziellen Sportdirektoren hat Bruchhagen bereits gesprochen, ein Nachfolger des geschassten Marketingvorstands Joachim Hilke soll dagegen nicht kommen. „Mir ist bisher nicht bekannt, dass der Aufsichtsrat nach Herrn Wettstein und mir ein weiteres Vorstandsmitglied plant“, sagt Bruchhagen, der daran erinnert, dass der Aufsichtsrat bei der Besetzung des Vorstands das letzte Wort habe. Und obwohl dieser nach Karl Gernandts Rückzug noch immer keinen neuen Vorsitzenden hat und sich zuletzt wie ein zerstrittener Haufen präsentierte, hält sich Bruchhagen mit einer Bewertung hanseatisch zurück: „Ein Vorstand hat sich zu Aufsichtsratsangelegenheiten nicht zu äußern.“

Der HSV will auf Nachfolger von Vorstand Hilke verzichten

Lieber heute als morgen will Bruchhagen dagegen mit dem von ihm in der Vergangenheit oft kritisierten HSV-Investor Klaus-Michael Kühne Kontakt aufnehmen, mit dem er sich – entgegen anderen Berichten – bislang noch nicht auf Mallorca getroffen habe. Es soll jedoch ein erstes Kennenlerntreffen Anfang Januar in Hamburg geben, ehe er ins Trainingslager nach Dubai reist.

Die Spieler werden Bruchhagen aber schon deutlich früher kennenlernen. Wörtlich und im übertragenen Sinne. Beim Trainingsauftakt am 3. Januar will sich der neue HSV-Chef offiziell vorstellen. Und bestenfalls soll dann neben Mergim Mavraj, der für 1,8 Millionen Euro aus Köln kommt, auch Neuzugang Nummer zwei dabei sein.

Dass dann aber die Zeiten vorbei sein werden, in denen der HSV seine Profis überproportional entlohnt hat, daran hat Bruchhagen keine Zweifel. Besonders die Verträge der Topverdiener Pierre-Michel Lasogga (3,4 Millionen Euro), René Adler (2,7 Millionen Euro), Emir Spahic (2,5 Millionen Euro) und Johan Djourou (1,8 Millionen Euro) dürften dem einstigen Sparfuchs aus Frankfurt ein Dorn im Auge sein. Weitere Winterabgänge neben Cléber, dessen Wechsel zum FC Santos hakt, aber möglichst noch vor Silvester durch sein soll, sind beim Beiersdorfer-Nachfolger deswegen nicht ausgeschlossen.

Öffentlich möchte sich Bruchhagen in den Tagen über den Jahreswechsel noch ein wenig zurückhalten, ehe er die große HSV-Bühne erstmals am 8. Januar betritt. Bei der Gelegenheit wird der frühere HSV-Manager auf der Mitgliederversammlung in der Volksbank-Arena nicht nur Grußworte formulieren, sondern auch seine kurzfristigen HSV-Pläne vorstellen.

Dann dürfte der 68-Jährige auch ein letztes Mal Fragen über die Arbeit seines Vorgängers gestellt bekommen. Der Übergang in diesen Tagen sei in „höchster Kameradschaft“ abgewickelt worden, betont Bruchhagen. Ansonsten wolle er von nun an nur nach vorn schauen. Mit der Retrospektive müsse nun Schluss sein. Endgültig Schluss.