Oberstdorf. Deutschlands bester Skispringer Severin Freund kämpft vor dem Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf um seine Form

Er lächelt nicht so verschmitzt, wie Martin Schmitt das früher tat. Er ist kein Poster-Boy wie Sven Hannawald vor 15 Jahren. Eines aber ist auch Severin Freund zu seiner Zeit: Deutschlands bester Skispringer. Eigentlich. Denn da war diese Hüftoperation im Frühjahr. Zwar schien er sich davon überraschend schnell erholt zu haben, doch der Alte ist er noch nicht. Das zeigt sich ausgerechnet jetzt, vor den wichtigsten Terminen der Saison, vor der Vierschanzentournee, die an diesem Donnerstag startet.

Natürlich weiß er das selbst, aber er gibt sich so entspannt, wie es meistens seine Art ist: „Ich muss am Gefühl für das Skispringen arbeiten. Dabei hilft mir jeder Sprung“, sagt er vor der Qualifikation zum Auftaktspringen in Oberstdorf (16.45 Uhr/ZDF und Eurosport). Eilig hat es der 28-Jährige, er will keine Zeit bei seiner Vorbereitung verlieren. Nur schnell ein paar Fragen beantworten, dann zurück zur Mannschaft. Wie er da mit seiner grauen Jogginghose und der pflasterfarbenen Kappe durch den Kurpark in Richtung Teamhotel huscht, sieht er aus wie ein Reha-Patient. Aber über diesen Status ist er selbstverständlich längst hinaus.

Es ist eine ungewohnte Erfahrung für Freund, bei der Tournee nicht topfit antreten zu können. Bundestrainer Werner Schuster hält es aber für möglich, dass der 28-Jährige vom Heimvorteil in Oberstdorf profitieren könnte. 25.000 Zuschauer werden an der ausverkauften Schattenbergschanze erwartet, um ihn nach vorn zu tragen. „Severin kennt diese Schanze, sie liegt ihm“, sagt er. Das hat er kurz vor Weihnachten wieder beobachtet, als sie hier noch eine Last-Minute-Schicht einlegten.

In den vergangenen Jahren arbeitete Ur-Bayer Freund an seinem Ruf, ein zuverlässiger Podestspringer zu sein. Doch zuletzt gab es einige, die ihn immer wieder überholten, sogar aus dem eigenen Team. Bei den Weltcups in Lillehammer und Engelberg beispielsweise, wo er hinter seinen Möglichkeiten blieb und Markus Eisenbichler, 25-jähriger Aufsteiger aus deutscher Sicht, freundlich grüßend vorbeizog. Zufall oder Tendenz? Das wird sich zeigen.

Severin Freund war mit überschaubar großen Ambitionen in den Winter gestartet, wegen der fast fünfmonatigen Pause nach der Hüftoperation, die er unter anderem zur Hochzeit mit seiner Caren genutzt hatte. Die Szene staunte nicht schlecht. Weniger über die Hochzeit, denn er gilt als grundsolider Bursche. Mehr über seine ersten Weltcup-Resultate nach der Verletzung. Beim Auftakt in Kuusamo gelangen dem Routinier prompt die Plätze eins und zwei. Auch wenn es danach nicht mehr so lief: In der Gesamtwertung profitiert er bis heute davon, er liegt auf Rang fünf hinter dem führenden Slowenen Domen Prevc, dem Norweger Daniel Andre Tande, dem Österreicher Stefan Kraft und dem Polen Kamil Stoch.

„Ich bin mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden“, sagt Severin Freund und erklärt, dass Leistungsschwankungen nach einem so großen Eingriff normal seien. Ernster wird sein Blick, wenn er über die Zeit erzählt, die er nach der Operation auf Besserung wartend auf dem Sofa verbracht habe. Fünf Wochen Krücken, mit einer Bewegungsmaschine für die Hüfte. „Das war das Schlimmste überhaupt, sehr zäh.“ Dann das langsame Laufen, die Reha, der erste Sprung, die Erkenntnis, das Fliegen nicht verlernt zu haben. „Ich habe einige entscheidende Schritte gemacht, aber es fehlt noch etwas“, sagt der Skispringer und vermeidet es, seinen aktuellen Leistungsstand in Prozent auszudrücken.

Im vergangenen Jahr hat Freund das Auftaktspringen in Oberstdorf gewonnen und ist bei der Tournee Zweiter hinter dem Slowenen Peter Prevc geworden. Und heute? „Ich kann die guten Sprünge nicht herbeizaubern. Nach der Tournee ist die Saison aber auch noch nicht vorbei“, sagt er, und da lächelt jemand ganz verschmitzt. Es ist Martin Schmitt. Er hat als interessierter Beobachter mitgehört.

Junioren-Weltmeister David Siegel muss wegen einer Sprunggelenksverletzung für die Vierschanzentournee absagen.