Oberstdorf. Vor 15 Jahren schrieb Sven Hannawald bei der Vierschanzentournee Sportgeschichte. Jetzt kehrt er als Fernsehexperte zurück

Der letzte Sprung, wieder so ein Riesensatz. Bischofshofen jubelt. Der damalige Bundestrainer Reinhard Hess freut sich wie ein kleines Kind. Er stürzt auf Sven Hannawald, seinen Siegspringer, zu. Hess’ Gesicht zerknautscht vor Emotionen, seine Kappe hängt schief. Alles egal. Ein deutscher Skisprungstar hat Sportgeschichte geschrieben. Als erster und bis heute einziger Athlet gewinnt der damals 27-Jährige 2001/2002 alle vier Springen der Vierschanzentournee. 15 Jahre später kehrt Hannawald nun zurück an die Orte seines größten Triumphs. Im Interview kurz vor der Tournee (29. Dezember bis 6. Januar) spricht er, heute 42, über damals und heute.

Ist es für Sie auch in Ihrer neuen Rolle als Fernsehexperte ein besonderes Gefühl, 15 Jahre nach Ihrem legendären Triumph zur Vierschanzentournee zurückzukommen?

Sven Hannawald: Ich habe mich immer gefreut, wenn ich an die Schanzen zurückgekehrt bin. Auch für den normalen Zuschauer ist es wahnsinnig schön, mitzuerleben, was da abgeht. Aus meiner Sicht war es in der Vergangenheit manchmal etwas komisch, dabei zu sein, aber keine Funktion dort zu haben. Deshalb bin ich froh, nun für das Fernsehen im Einsatz zu sein.

Waren Sie denn seit Ihrem Gesamtsieg regelmäßig live dabei?

Ich habe einige Tourneen verpasst. 2009 war ich kurz vor Ort, um meine Motorsportkarriere bekannt zu machen, vor zwei Jahren war ich privat da. Das war auch eine Erfahrung. Dieses Mal wird einiges so sein wie zu meiner Zeit als Aktiver. Am 28. Dezember die Anreise, dann von Hotel zu Hotel zu fahren, kurze Wege zu haben. Meine Frau Melissa wird mich begleiten.

Sie haben kürzlich geheiratet, werden in wenigen Wochen Vater. Könnte das mit Ihrem Job bei Eurosport kollidieren? Sie sollen ja bei allen wichtigen Springen des Weltcupwinters im Einsatz sein.

Der Geburtstermin ist für Anfang ­Februar ausgerechnet. Es ist abgesprochen, dass ich aussetzen werde, wenn etwas abzusehen ist. Martin (Schmitt, d. Red.) könnte für mich übernehmen.

Ihnen beiden verdankt das deutsche Skispringen seinen größten Boom. Wie ist Ihr Verhältnis heute?

Es ist super. Wir hatten ohnehin nie Probleme miteinander, auch wenn wir sportliche Konkurrenten waren. Keiner wollte glauben, dass wir uns so gut verstehen. Aber so war es, und so ist es heute. Wir haben nun beide Aufgaben bei Eurosport, das ist für uns eine Art Teamspringen. Wir genießen es, uns regelmäßig wiederzusehen. Und wir können uns austauschen. Martin kann mir noch einiges erklären. Er ist länger gesprungen als ich und hat viele Neuerungen mitbekommen.

Aber Sie sind der, der als bislang einziger Springer alle vier Springen einer Tournee gewinnen konnte. Haben Sie Angst um Ihren Rekord?

Ach, in jeder Saison stand ein Springer im Fokus, dem zugetraut wurde, mit mir gleichzuziehen. In diesem Jahr ist es der Slowene Domen Prevc. Ich versuche das alles neutral zu beobachten. Es ist ähnlich wie mit Schanzenrekorden. Wenn die übertroffen werden, ist es zunächst auch ein komisches Gefühl. Auf der anderen Seite werde ich aber sicherlich der erste Gratulant sein, wenn nun jemand alle vier Springen gewinnt.

Sind Sie nach Ihrem Rücktritt im Jahr 2005 noch einmal gesprungen?

Nein. Einen Sicherheitssprung hätte ich sicherlich noch abgespeichert, aber ich möchte es nicht darauf ankommen lassen. Man kann nicht so einfach wieder anfangen. Das ist etwas anderes als beim Tennis oder Fußball.

Wie ist das deutsche Team aufgestellt?

Bei Markus Eisenbichler ist in diesem Winter der Knoten geplatzt. In den ersten Weltcups hat er überzeugt. Das kann auch Severin Freund helfen, weil er nun nicht mehr allein für Deutschland die Kohlen aus dem Feuer holen muss. Severin bekommt nach seiner Verletzung im Sommer nun mehr Zeit für sich. Ich hoffe aber, dass er den Anschluss hält, gerade zum Tourneeauftakt in Oberstdorf, vor heimischem Publikum. Aber ich will ihn nicht zu sehr unter Druck setzen.

Sie sollen auch 2018 bei den Winterspielen in Südkorea für Eurosport arbeiten. Es gab nicht nur Applaus dafür, dass ARD und ZDF aus der Olympia-Live-Berichterstattung aussteigen.

Ich sehe es als Chance für Eurosport. Von Olympischen Spielen zu berichten ist eine große Aufgabe, der Eurosport aber gerecht wird. Bei jeder Veränderung gibt es Kritiker und Skeptiker. Das ist normal. Aber die Zuschauer werden sich daran gewöhnen. Es wollte ja keiner den Öffentlich-Rechtlichen eins auswischen. Eurosport hätte die Berichterstattung sicherlich auch zu dritt übernommen. Jetzt ist daraus ein Exklusivvertrag geworden. Es freut mich, dass ich bei Olympia dabei sein darf.