Hamburg. Der Kiezclub will viel mehr sein als ein Fußballverein. Rock ’n’ Roll soll dabei helfen, seine Fanartikel und Werte in den USA zu verbreiten

ROCK ’N’ ROLL FOOTBALL schreit es dir entgegen. Schwarzer Hintergrund, weiße Schrift. Dazu der Totenkopf mit den zwei gekreuzten Knochen. FC St. Pauli – unverkennbar. Und dann ein Zitat des Nachrichtensenders CNN in englischer Sprache: „Einfach der coolste Club im Fußball?“

Was ist da los im Internet? Auf einer amerikanischen Seite? Ein deutscher Zweitligist der Randsportart Soccer? Egal. „St. Paulianer sind überall, wir passen dahin“, sagt Bernd von Geldern, „wir wollen in den USA auch in dunkler Zeit unsere Werte hochhalten.“ Ja, und dabei wenn möglich ein paar T-Shirts oder Kapuzenpullover auf der anderen Seite des Atlantiks verkaufen, will der Club auch. Quasi nebenbei. „Die Nachfrage ist da“, weiß von Geldern.

Der 50-Jährige ist seit Anfang Oktober Geschäftsführer der FC St. Pauli Merchandising GmbH & Co. KG. Das ist eine hundertprozentige Tochter des Vereins, die den spannenden Spagat hinbekommen muss zwischen ertragreichem Geschäft und Glaubwürdigkeit in einem eher kommerzkritischen Umfeld. Seit dem 1. Januar 2016 ist der Club wieder allein im Besitz seiner Marketingrechte. Für 1,26 Millionen Euro hatte er sie von der Firma Upsolut zurückerworben. Ein wichtiger Deal. „Merchandising ist ein starkes Feld der Kommunikation, wir transportieren damit auch unsere Werte.“ Das ist von Geldern wichtig und er sagt das glaubwürdig. Dass Merchandising auch eine sehr wichtige Einnahmequelle ist, ist ja auch kein Geheimnis. „Knapp unterhalb eines zweistelligen Millionenbetrages“ sei der Umsatz 2015 gewesen. Damit belegt der FC St. Pauli Rang sechs in Deutschland – alle Erstligisten mitgerechnet. Rund drei Millionen Euro mehr als Stadtrivale HSV hat St. Pauli umgesetzt. 36 Festangestellte beschäftigt die Merchandising-Gesellschaft und rund 50 Aushilfen. In diesen Tagen – auch der Weihnachtsmann mag St. Pauli – gehen pro Tag fast 600 Gabenpakete raus. „Dezember und Juli, wenn die neuen Trikots kommen, sind die umsatzstärksten Monate“, weiß von Geldern.

Die Sängerin Su Nan trat am Donnerstagabend im St.-Pauli-Shop an der Reeperbahn auf, danach gab es Rock ’n’ Roll mit den Crazy Crackers. Late Night Shopping. Touristen und Flaneure hörten zu, kleideten sich ein, nahmen die Christbaumkugeln mit Totenkopf mit oder den Schoki-Weihnachtsmann. Rabatte, Glücksrad, Glühwein und Gewusel. Der Laden brummte. Dabei ist er nur etwa 400 Meter Luftlinie vom Shop in der Stadion-Südtribüne entfernt. Hat bei gleicher Inneneinrichtung und selbem Angebot aber ein anderes Publikum. Die Fußballfans holen sich im Stadion ihre Trikots und Fanartikel, gerne auch die unveränderlichen Klassiker wie das „Retter“-Shirt. Auf der Reeperbahn sind es mehr die Hamburg-Gäste. „Dort ist es auch ein bisschen Folklore“, sagt von Geldern. Die Fußballbindung ist längst aufgelöst, beide Shops sind mit Hamburger Straßenpflaster und nicht etwa Kunstrasen mit Strafraumlinien ausgelegt. „Die Straße trägt St. Pauli“, ist das Motto. Streetwear die Linie. Cool, hip, independant. Die Marke funktioniert unabhängig vom sportlichen Erfolg.

Und da kommt auch wieder der Rock ’n’ Roll ins Spiel. „Der FC St. Pauli war schon immer mehr als Fußball und er ist seit Jahrzehnten fest verankert in der Welt der Musik“, schreibt der Club. Der FC St. Pauli und das, womit ihn seine engagierten Supporter am Millerntor aufgeladen haben, ist zudem längst ein nationales und internationales Phänomen. Liberalität, die klare Stellungnahme gegen Faschismus, Rassismus, Sexismus und Homophobie werden tatsächlich mit den Totenkopfklamotten ausgedrückt. Auch von den Musikern, die wie ihre Fans für die gleichen Werte stehen. „Es gibt viele Bands, die in den USA auftreten, die unsere Sachen tragen“ erzählt von Geldern.

So kam dann im Laufe der Zeit eins zum anderen. Von Geldern fragte irgendwann den Chef eines US-Plattenlabels, ob man nicht ... einen Onlineshop für die USA ... Überhaupt dort etwas präsenter sein? „Endlich“, habe der gesagt. Also. „FC St. Pauli goes U.S.“ heißt es nun. Ab Januar fährt ein dicker, schwarzer Tourbus mit St.-Pauli-Totenkopf die Bands Less Than Jake und Pepper über die Highways durch die Staaten. Auf den Ankündigungsplakaten für die Konzerte prangt das einmalige Logo ebenso. St. Pauli präsentiert die Tour, am 20. Januar ist Dallas die erste Station, es endet am 28. Oktober in New Orleans. Less Than Jake und Pepper spielen Dub, Reggae und Ska-Punk. Direkt, schmutzig, tanzbar. Passt. Natürlich wird nicht Mariah Carey in den St.-Pauli-Bus steigen und schon gar nicht die Böhsen Onkelz.

Seit dem 1. Dezember ist in den USA unter der Internetadresse https://fcsp-shop.us/ der Onlinestore freigeschaltet. Vom T-Shirt über Allwetterjacken, Mützen bis hin zu Souvenierzeugs wie Schlüsselanhänger und Kaffeebecher ist fast alles zu haben, was es auch in Deutschland gibt. Fast. „Es sind überwiegend Sachen mit dem Totenkopf“, sagt von Geldern, „das zieht in den USA mehr als das Clubwappen.“ Der Begriff St. Pauli ist in den USA ja ohnehin klischeehaft besetzt. Reeperbahn, Rotlicht, Schmuddelkram – dann gibt es noch ein Bier namens „St. Pauli Girl“ dessen Logo ein Mädel im Dirndl (!) „ziert“ und das von einer Brauerei in Bremen für den US-Markt hergestellt wird. Ein bisschen geht es auch darum zu zeigen, was St. Pauli wirklich ist, meint von Geldern: „Wir wollen nicht verwechselt werden – wir sind politisch und musikalisch klar positioniert.“

Die Musikschiene könnte ein großes Ding werden. Auch in Deutschland. So wird die US-Band Suicidal Tendencies im Rahmen ihres Hamburg-Konzerts am 23. Januar im St.-Pauli-Shop auf der Reeperbahn eine Signierstunde geben und unplugged rumjammen. Schon soll es Anfragen von Rage Against The Machine gegeben haben, ob man nicht zusammenarbeiten könne. Das ist dann aber doch noch eine Nummer zu groß. Aber mit den Dropkick Murphys einer Irish-Punk-Band aus Boston mit 1,7 Millionen Followern in den USA wird es was geben. Die Gruppe könnte auch ein Türöffner Richtung Großbritannien und Irland sein, wohin der Club ebenfalls schaut. Auch Richtung Skandinavien wandern schon die – freien – Gedanken. Von Geldern hat richtig Lust auf das neueste St.-Pauli-Baby. Grenzenlos erfolgreich soll es sein. Nichts scheint unmöglich. „Gleich am ersten Tag in den USA haben wir zehn Teile verkauft“, sagt er, „das ist doch cool.“