Hamburg. Der neue Vorstandschef will die weiterhin angespannte Finanzlage in den Griff kriegen. Auf einen möglichen Abstieg ist der Club vorbereitet

Es war nur ein Nebensatz. Ein kurzer Nebensatz. Ein kurzer Nebensatz, der in seiner Kürze viel verrät über die Person Heribert Bruchhagen und seine Pläne mit dem HSV. Als der neue Vorstandsvorsitzende der Hamburger am Donnerstag im Bauch des Volksparkstadions über die Suche nach einem neuen Sportchef sprach und das Anforderungsprofil beschrieb, sagte er eher beiläufig: „Es muss auch wirtschaftlich passen.“ Ein Nebensatz, mit dem Bruchhagen seinen Auftrag beim HSV deutlich macht: Es wird gespart.

Gerade einmal vier Tage ist es her, dass die HSV Fußball AG den kompletten Jahresbericht für das Geschäftsjahr 2015/16 veröffentlichte. Und dabei war weniger das durch eine interne Verschmelzung von Gesellschaften erreichte Bilanzminus von nur 163.000 Euro das aussagekräftige Ergebnis, sondern vielmehr der erneute kalkulierte Fehlbetrag von elf Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr, der durch die jüngste Entlassung von Dietmar Beiersdorfer noch höher ausfallen dürfte.

„Ich kann, will und muss an Stellschrauben drehen, um besser in die Zukunft zu gehen“, sagte Bruchhagen am Donnerstag. „Es gibt Bereiche, in denen wir glänzend aufgestellt sind, und Bereiche, in denen wir nicht marktgerecht agieren.“ Auf die Nachfrage, in welchen Bereichen der HSV den größten Nachholbedarf hätte, antwortete Bruchhagen vielsagend: „Ich saß lange im Lizenzierungsausschuss der DFL ...“

Von 2001 bis 2003 war Bruchhagen Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga. Von 2007 bis 2015 saß er zudem im Vorstand der DFL. Er hat mitbekommen, wie oft der HSV in der jüngeren Clubgeschichte um die Lizenz kämpfen musste. „Es ist meine Aufgabe, beim HSV die Balance zu finden“, sagt Bruchhagen. Und bei diesem Balanceakt hat der 68-Jährige immer auch den 15. März vor Augen. Dann muss Finanzvorstand Frank Wettstein die Lizenzierungsunterlagen bei der DFL einreichen.

Angesichts der sportlichen Situation mit drei Punkten Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz kommt Bruchhagen nicht drumherum, für den Zweitligafall zu planen. „Das ist selbstverständlich und gehört zu den Pflichten“, sagte der neue HSV-Chef. Hinter den Kulissen wäre man in der jetzigen Phase finanziell auf den Abstieg vorbereitet. Und das liegt in erster Linie an den Vertragsmodalitäten der HSV-Profis. Wie das Abendblatt erfuhr, senkt der Club im Zweitligafall die Kaderkosten automatisch. Demnach reduzieren sich die Gehälter der Spieler, deren Verträge seit Sommer 2014 erneuert wurden, bei einem Abstieg um etwa 30 Prozent. Die Gefahr, dass die Topverdiener in der Zweiten Liga ihre Verträge aussitzen, ist damit nicht gegeben.

Will sich der HSV perspektivisch aus der Umklammerung von Investor Klaus-Michael Kühne lösen, muss er aber auch im Falle des Klassenerhalts sparen. Die Kaderkosten liegen beim HSV weiterhin deutlich über dem, was sportlich erreicht wird. Und das, obwohl Kühne nicht nur die Ablösesummen der Sommerneuzugänge zahlte, sondern nach Abendblatt-Informationen in Teilen auch deren Gehälter für die laufende Saison.

In seiner Zeit als Vorstandschef bei Eintracht Frankfurt gelang es Bruchhagen, den Verein innerhalb weniger Jahre zu entschulden. Allerdings lagen die Verbindlichkeiten bei den Hessen zu den Höchstzeiten bei „nur“ 20 Millionen Euro. Beim HSV ist die Zahl in der jüngsten Bilanz zwar von 89 auf 75 Millionen Euro gesunken. Angesichts der Transferinvestitionen im Sommer dürften die Verbindlichkeiten der HSV Fußball AG aktuell wieder auf rund 100 Millionen Euro gestiegen sein.

Entscheidend ist für den HSV allerdings die Fälligkeit der Schulden. Kühne gab dem Club in der Sommertransfer­periode 38 Millionen Euro in Form eines erfolgsabhängigen Darlehens. Das Geld muss der HSV seinem Gesellschafter nur dann zurückzahlen, wenn er sich innerhalb der nächsten sechs Jahre für den internationalen Wettbewerb qualifiziert. Gut möglich also, dass Kühne dieses Geld nie zurückbekommt.

Bruchhagen will sich zeitnah mit Investor Kühne treffen

Dem gekündigten Clubchef Beiersdorfer hatte Kühne im Sommer zugesichert, innerhalb der nächsten Transferperioden bis zu 100 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Ob Nachfolger Bruchhagen, der die Abhängigkeit des HSV von Kühne zu Frankfurter Zeiten häufig kritisiert hatte, diesen Weg mitgehen will, ist noch offen. Am Donnerstag machte er allerdings deutlich, wie wichtig der Geldgeber für den HSV sei. „Ich bin selbstverständlich im Austausch mit Herrn Kühne. Es wird in absehbarer Zeit auch ein Treffen geben“, sagte Bruchhagen.

Bis zum Jahresende wird er noch gemeinsam mit Beiersdorfer in einem Büro sitzen und die vorbereiteten Transfers abwickeln. Gleichzeitig sucht er einen neuen Sportdirektor, der an den Vorstand berichten soll. Den Namen Alexander Rosen, den die „Bild“ als Kandidaten ins Gespräch gebracht hatte, wollte Bruchhagen nicht weiter kommentieren. Rosen steht bei 1899 Hoffenheim unter Vertrag, wo er bis Oktober 2015 mit HSV-Trainer Markus Gisdol zusammenarbeitete.

„Ich schätze Herrn Rosen, und ich bin sicher, dass er sich in Hoffenheim sehr wohlfühlt“, sagte Bruchhagen. „Ich habe auch nicht das Recht, über einen im Amt befindlichen Kollegen ein Urteil abzugeben.“ Möglicherweise wird Bruchhagen noch vor Ende Januar einen Sportchef gefunden haben. Klar macht der neue Clubchef nur eins: Es wird für den HSV auch wirtschaftlich passen.