Mit dem neuen HSV-Chef Bruchhagen kehrt ein bescheidener Ton ein. Erfolglose Gegenbeispiele gibt es genug

Er wollte sie unbedingt vermeiden. Große Töne zum Amtsantritt? Bedeutungsschwangere und gefühlsduselige Ankündigungen? Nicht mit Heribert Bruchhagen. „Aus der Ruhe erwächst eine sportliche Konsolidierung. Da bin ich ganz sicher“, sagte Bruchhagen nach seinen ersten Tagen in Hamburg. Auch für die sportlichen Ziele wählte er bescheidene Worte. „Der HSV hat das spielerische Potenzial für einen gehobenen Mittelfeldplatz.“ 24 Jahre und vier Monate sind diese Worte jetzt alt. Bruchhagen sprach sie aus, nachdem er im Sommer 1992 das Amt des Managers beim HSV übernommen hatte.

An diesem Donnerstag, eine Woche nach seinem zweiten Amtsantritt beim HSV, hörte sich das ziemlich ähnlich an, nachdem der neue Clubchef die Reporter mit einem kurzen „hallo“ begrüßte. „Der Sport steht im Vordergrund“, lautete Bruchhagens Botschaft bei sämtlichen Fragen nach Transfergerüchten, alten und neuen Sportdirektoren oder einflussreichen Investoren. Kein Anflug von Versprechungen, emotionalen Bekenntnissen oder Erinnerungen an die ach so tolle Vergangenheit.

Im hyperventilierenden Hamburger Umfeld ist diese Haltung ziemlich neu. Und sie könnte dem HSV ziemlich guttun. Hätte sich Bruchhagen nicht schon vor 24 Jahren in ähnlicher Art geäußert, man hätte auf die Idee kommen können, er hätte etwas gelernt von all den Trainern, Sportchefs und Vorstandsvorsitzenden, die sich bei ihren Präsentationen im Presseraum des HSV im Volksparkstadion in steter Regelmäßigkeit die Klinke in die Hand gaben.

Dabei waren die Worte sicherlich gut gemeint, mit denen sich die neuen Mitarbeiter der Öffentlichkeit vorstellten. So sprach Dietmar Beiersdorfer bei seinem Amtsantritt im Juli 2014 von seinem „Baby“ HSV, das er hegen und pflegen wolle. Beiersdorfer träumte davon, einen „ganz normalen Fußballclub“ führen zu können. Nun hinterlässt der 53-Jährige einen HSV, bei dem nicht weniger herrschte als der ganz normale Wahnsinn. Er hinterlässt ein Leitbild, in dem sich der HSV als ständiger Teilnehmer an den internationalen Wettbewerben definiert.

Träumereien, die schon Beiersdorfers Vorgänger Carl Jarchow krachend um die Ohren flogen. Als der FDP-Politiker im Juni 2011 nach der kommissarischen Tätigkeit einen langfristigen Vertrag als Clubchef beim HSV unterschrieb, sprach er offen von einem Dreijahresplan – für die Champions League. Spätestens in der Saison 2013/14 wollte man sich wieder für das Konzert auf der großen europäischen Fußballbühne qualifizieren. Das Ergebnis ist bekannt: Im Mai 2014 rettete sich der HSV in der Relegation bei Greuther Fürth nur durch das Unvermögen des Gegners vor dem erstmaligen Abstieg.

Nicht müde wurde neues Führungspersonal beim HSV in der Vergangenheit zu betonen, dass der Verein noch immer zu den großen Adressen im deutschen Fußball gehöre. Manch ein Trainer brachte auch das nötige Selbstbewusstsein mit, um diesen Anspruch zu untermauern. Besonders heraus stach dabei Trainer Thorsten Fink im Oktober 2011 mit seiner Einschätzung, er sei „ein Typ wie Klopp“. Der damalige Sportchef Frank Arnesen nannte den HSV beim Dienstbeginn einen „fantastischen Club“.

Und auch der jetzige Trainer Markus Gisdol ließ sich bei seiner Präsen­tation zu der Aussage hinreißen, die Stadt Hamburg und der HSV seien „ein Brett“. Wie hölzern dieses Brett sein kann, hatte er spätestens nach der vierten Niederlage im fünften Spiel erkannt. Seitdem hat Gisdol einen spürbar anderen Ton angeschlagen.

Bruchhagen macht das von Beginn an anders. Als er am Donnerstag gefragt wurde, in welchen Bereichen er den HSV gut aufgestellt sehe, nannte er nur zwei Dinge: die Begeisterungsfähigkeit der Fans und die Verwurzelung des HSV in der Region. Ziemlich wenig für einen Club, der sich langfristig wieder unter den besten Fünf in Deutschland etablieren will. „Über die Ruhe zur sportlichen Konsolidierung“ – Bruchhagens Worte aus dem August 1992 sind beim HSV so angebracht wie selten zuvor.