Hamburg. Vor dem Spiel in Mainz spricht Michael Gregoritsch über die Form seines Lebens, das HSV-Chaos, Fußballleaks und Weihnachtsunterhosen

Michael Gregoritsch ist ein Fan von Weihnachten. Sagt er zumindest. Doch bevor es zwei Tage vor Heiligabend in die Heimat geht, will sich der formstarke Stürmer am liebsten noch zweimal selbst beschenken. An diesem Sonnabend (15.30 Uhr/Sky) in Mainz und am Dienstag im letzten Spiel des Jahres gegen Schalke. Zuvor traf sich der 22 Jahre alte Österreicher aber noch mit dem Abendblatt zum Interview. „Moin“, sagt der gebürtige Grazer im besten Hamburgisch und lässt sich in die weiße Ledercouch fallen.

Herr Gregoritsch, entschuldigen Sie unsere Direktheit zu Beginn, aber sind Sie – wie man in Ihrer Heimat so schön sagt – ein bisschen deppert?:

Michael Gregoritsch: Warum?

Sie haben kürzlich betont, dass Sie „liebend gerne“ und so „schnell wie möglich“ beim HSV verlängern möchten. Dies kann man sich nach den letzten Monaten, Wochen und vor allen Tagen schwer vorstellen …

Das können Sie sich aber ruhig vorstellen. Natürlich habe auch ich mitbekommen, was in den letzten Tagen im Club so los war. Den neuen Vorstandsvorsitzenden Herrn Bruchhagen kenne ich jetzt auch nur aus dem Fernsehen. Aber all das hat ja nur wenig mit meiner Grundzufriedenheit hier beim HSV zu tun. Die unglaublichen Emotionen nach dem Heimsieg gegen Augsburg im Stadion sind es viel mehr, die diesen Club so einzigartig machen. Was da beim Tor und nach dem Schlusspfiff los war, das kann dir kaum ein anderer Bundesligaverein bieten.

Markus Gisdol hat die Mannschaft im Kurztrainingslager in Barsinghausen darauf eingeschworen, möglichst keine Nachrichten über den HSV mehr zu konsumieren. Hand aufs Herz: Haben Sie das in den vergangenen Tagen befolgt?

Schon. Ehrlich gesagt lese ich ohnehin nur wenig Zeitung. Meistens werden mir eher irgendwelche Artikel von Freunden per WhatsApp geschickt. Die fragen dann natürlich: Was ist denn da schon wieder los bei euch in Hamburg? Aber damit kann ich gut umgehen. Ich habe die begnadete Fähigkeit, dass ich meinen Kopf gut ausschalten kann.

In den vergangenen Wochen haben wir Erstaunliches festgestellt: Je größer das gefühlte Chaos rund um den HSV, desto besser und stärker waren Ihre Leistungen auf dem Platz. Gibt es da einen kausalen Zusammenhang?

Danke für das Kompliment, aber da gibt es nun wirklich keinen Zusammenhang. Ich hätte da eher die gewagte These, dass es einen Zusammenhang mit gutem und hartem Training und den jetzigen Leistungen gibt. Gerade im körperlichen Bereich habe ich zuletzt ziemlich viel gemacht, setze beispielsweise auch in anderen Sportarten neue Reize. Das tut mir ziemlich gut.

Auf welches Parkett wagen Sie sich noch?

In Schenefeld spiele ich gerne Badminton, Tennis und auch Basketball. Das hilft mir beim Sprungkrafttraining.

Können Sie dunken?

Offiziell hängt der Korb bei 3,05 Meter – in Österreich gibt es aber auch die Höhe von 2,90 Metern. Und in Österreich kann ich ganz gut dunken.

Wenn eine Mannschaft mit unruhigem Umfeld verliert, heißt es immer: Wie soll sich das Team bloß auf Fußball konzentrieren. Ihr Beispiel zeigt doch aber, dass diese These, entschuldigen Sie erneut, deppert ist.

Entscheidend ist aus meiner Sicht nicht das Clubumfeld, sondern das persönliche Umfeld. Privat geht es mir richtig gut, ich bin glücklich – und das hilft mir dann ja auch auf dem Platz. Und was das Umfeld im Verein betrifft: Der Trainer hat es schon ganz gut geschafft, dass es uns mittlerweile nur wenig tangiert, wer da gerade was gesagt hat, wer weg oder wer gerade neu ist. Und seitdem wir das beherzigen, läuft es auch. Bei uns. Und bei mir.

Am Wochenende haben Sie nach dem Sieg gegen Augsburg sogar vom „besten Gregoritsch aller Zeiten“ gesprochen …

Fast. Ich wurde gefragt, ob ich gerade in der Form meines Lebens bin. Da habe ich geantwortet, dass es hoffentlich nicht die Form meines Lebens ist. Denn ich bin ja erst 22 Jahre alt und will noch besser werden. Wenn ich jetzt in der Form meines Lebens wäre, dann würde ja viele Jahre lang gar nichts mehr kommen. Dann kam die Nachfrage, ob es denn die beste Form meines bisherigen Lebens sei. Da habe ich dann zugestimmt – und daraus wurde dann später der „beste Gregoritsch aller Zeiten“.

So schnell geht das manchmal. Vor genau einem Jahr haben wir Sie im Abendblatt-Interview gefragt, ob Sie als 21 Jahre alter Jungprofi schon den Anspruch haben, ein Führungsspieler zu sein. Können Sie sich noch an Ihre Antwort erinnern?

Puh, da müssen Sie mir helfen.

Sie sagten, dass Sie in einer Mannschaft mit René Adler, Johan Djourou, Emir Spahic und Albin Ekdal nach 16 Bundesligaspielen natürlich noch kein Führungsspieler sein könnten. Wie schaut’s nun ein Jahr später nach insgesamt 37 Bundesligaspielen und acht Toren aus?

Mit Gideon Jung und Luca Waldschmidt zusammen bin ich noch immer der Jüngste, der regelmäßig spielt. Richtig viel hat sich also nicht geändert. Aber trotzdem merke ich nach dem Jahr schon, dass meine Meinung in der Kabine auch mehr wahrgenommen wird. Die Jungs hören mir zu, wenn ich was zu sagen habe. Und wenn es Blödsinn ist, dann sagen sie mir, dass es Blödsinn ist. Wenn einer von den Älteren aber auch mal Blödsinn erzählt, dann darf ich mir auch schon rausnehmen, das Ganze – bei allem Respekt - als Blödsinn zu bezeichnen. Ein Lautsprecher bin ich mit meinen 22 Jahren aber natürlich trotzdem nicht.

Sie sagten damals auch, dass man im Paralleluniversum Profifußball manchmal droht, die benötigte Demut zu verlieren. Fühlen Sie sich durch die zahlreichen Berichte aus den Fußballleaks bestätigt?

Ich muss gestehen, dass ich das Thema nur am Rande verfolgt habe. Freiburgs Christian Streich hat ja gerade gesagt, dass er nur begrenzt nachvollziehen kann, warum Fußballer, die so viel haben, immer mehr haben wollen. Dem kann ich nicht widersprechen. Profifußball und die „normale Welt“ – das sind zwei komplett unterschiedliche Welten.

Von Ronaldo weiß man nun, dass er sein Geld auf den British Virgin Islands unversteuert geparkt hat. Dürfen wir Sie mal ganz direkt fragen, was Sie eigentlich mit Ihrem Geld machen?

Ich habe das Glück, dass mein Bruder genau aufpasst, dass ich mein Geld gut anlege. Ich vertraue ihm blind.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Wissen Sie denn im Detail, was Ihr Bruder mit Ihrem Geld macht?

Klar. Ich will ja nicht, dass in zehn Jahren herauskommt, dass der Gregoritsch so und so viele Strohfirmen auf den Cayman Islands oder in der Schweiz hat. (lacht) Da habe ich ein Auge drauf.

Fußballleaks hat zahlreiche Verträge veröffentlicht. Würden Sie sich ärgern, wenn auch Ihre Gehaltszahlen öffentlich werden?

Viele von unseren Vertragsdetails wurden ja im vergangenen Jahr auch von der „Bild“ veröffentlicht. Mein Vertrag war aber glücklicherweise nicht dabei.

Also würden Sie sich ärgern?

Ach, eigentlich nicht. Natürlich würde ich jetzt nicht herausposaunen, was ich genau verdiene. Das macht ja eigentlich niemand. Aber ich hätte auch nichts dagegen, wenn wie in den USA alle Gehaltszahlungen bekannt wären. Mein Eindruck ist, dass es durch diese Transparenz in den USA weniger Neid gibt. Sollte mein Vertrag irgendwann in irgendeiner Zeitung auftauchen, würde mir das keine Kopfzerbrechen bereiten. Da stehen ohnehin keine geheimen Klauseln oder kleingedruckte Kommasätze drin.

Was soll denn in Ihrem nächsten Vertrag drinstehen, den Sie lieber heute als morgen unterschreiben wollen?

HSV sollte da als Vertragspartner gerne drinstehen. Den Geldbetrag klammern wir an dieser Stelle mal lieber aus.

Über Geld haben wir nun ja auch genug gesprochen. Letzte Frage dazu: Wie viel geben Sie für Weihnachtsgeschenke aus?

Ich habe da kein Limit, aber natürlich übertreibe ich auch nicht. Meine Geschenke müssen gar nicht so teuer sein, sie sollen vor allem gut überlegt und gerne auch nützlich sein.

Ein Beispiel?

Letztes Jahr habe ich meinem Bruder einen Sodastream geschenkt. Es ist schön, wenn dann später die Rückmeldung kommt, dass das Geschenk ständig im Einsatz ist.

Was bekommt Ihre Freundin?

Da muss ich mir noch was Gutes einfallen lassen. Wir haben einen gemeinsamen Adventskalender, wo wir immer abwechselnd ein Türchen aufmachen dürfen. Da war ich zuletzt ein bisschen zu einfallslos …

Noch ein Beispiel?

Im letzten Türchen durfte sich meine Freundin über eine Kuchenform freuen. Das war aber ein egoistisches Geschenk, weil ich auch gerne Kuchen esse.

Was haben Sie denn so bekommen?

Schokolade, eine rote Weihnachtsnase, Badesalz und zwei Weihnachtsunterhosen, die ich jetzt immer als Glücksbringer bei den Spielen trage. Und bislang haben die ihr Versprechen gehalten.

Und was wünschen Sie sich zu Weihnachten für den HSV?

Ruhe. Einfach nur Ruhe.