Hamburg. Bruchhagen überzeugt bei seiner Vorstellung und stellt klar, dass die Suche nach einem Manager Priorität hat. Beiersdorfer muss gehen

Es dauerte ein paar Sekunden, ehe sich die neuen HSV-Herren zum vereinbarten Zeitpunkt um Punkt 9.30 Uhr im ersten Stock des Volksparkstadions zurechtgefunden hatten. Heribert Bruchhagen, Hamburgs neuer Vorstandschef, Till Müller, der neue HSV-Pressesprecher, und Jens Meier, neuer Interims-Aufsichtsratschef, standen etwas unschlüssig vor dem erhöhten Podest. Ziemlich viel neu auf einmal, da sind die Abläufe noch ein wenig gewöhnungsbedürftig. Schließlich nahm sich Bruchhagen, braunes Sakko, weißes Hemd, seidenes Einstecktuch, ein Herz und machte das, wofür er als Nachfolger des geschassten Dietmar Beiersdorfer verpflichtet wurde: Er ging voran. Müller, Meier, aber kein Schulze folgten.

„Ich freue mich, wieder in Hamburg zu sein“, sagte der 68-Jährige, der in seiner Antrittsrede nicht den Eindruck entstehen lassen wollte, nach 48 Jahren im Fußballzirkus zum alten Eisen zu gehören. „Es gibt nichts Schöneres als Bundesligafußball“, sagte der Kurzzeitrentner. „Ich bin schon froh, dass mein Ruhestand nun vorerst ein Ende hat.“

Ob auch die Chaostage beim HSV, die mit der Verkündung von Beiersdorfers Aus am Sonntag begannen, ein Zwischenhoch mit dem Rücktritt als Vorsitzender des Aufsichtsrats von Karl Gernandt (siehe Rand) hatten und in den Überlegungen, den gerade erst freigestellten Beiersdorfer nun als Sportchef zu installieren, gipfelten, ein Ende haben, wird abzuwarten sein. Bruchhagen nutzte seine Vorstellung jedenfalls, um – zumindest ein wenig – für Klarheit zu sorgen. Botschaft Nummer eins: Beiersdorfer wird den HSV entgegen aller Gerüchte zum 30. Dezember verlassen. Botschaft Nummer zwei: Ein neuer Sportchef wird voraussichtlich erst zum Ende des Januars kommen. Botschaft Nummer drei: Mit Horst Heldt, der allgemein als ernsthafter Kandidat gehandelt wurde, habe er noch kein einziges Gespräch darüber geführt. Und die alles andere als unwichtige Botschaft Nummer vier: Investor Klaus-Michael Kühne soll auch weiter ein wichtiger Partner für den HSV bleiben.

Besonders der letzte Punkt war mit Spannung erwartet worden, nachdem der frühere Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt in der Vergangenheit kaum einen Moment ausgelassen hatte, auf die aus seiner Sicht problematische Konstellation mit dem streitbaren Milliardär hinzuweisen. „Ich werde alles dafür tun, ein gutes Verhältnis mit Herrn Kühne zu entwickeln“, sagte nun Bruchhagen, der sich auch den einen oder anderen Satz zurechtgelegt hatte, wie er seine mutmaßliche Rolle rückwärts begründen konnte: „Ich habe immer betont, dass ich es großartig finde, was Herr Kühne für den HSV macht“, sagte Bruchhagen, der die Kühne-Millionen für den HSV als Frankfurts Interessenvertreter in der Vergangenheit nach eigener Aussage natürlich nicht begrüßen konnte. „Aber wer intensiv recherchiert hat, der wird von mir hundertfach die Aussage finden, dass Herr Kühne ein Glücksfall für den HSV ist.“

Nun ja. Auch nach einer sogenannten Intensivrecherche lassen sich in sämtlichen Archiven im Zusammenhang zwischen Kühne und Bruchhagen lediglich die Schlagwörter „Wettbewerbsverzerrung“, „Einflussnahme“ und „50+1-Regel“ finden. Bruchhagens kühne Aussage zum Milliardär lässt sich also keinesfalls verifizieren, so richtig gestört hat es am Mittwochvormittag offenbar aber niemanden. Unter dem Strich weiß der Ex-Pensionär nur zu gut, dass nun auch er auf Kühne und die für den Winter in Aussicht gestellten 20 Millionen Euro angewiesen ist.

Spannend dürfte nun werden, wie der erneuerte HSV die erhofften Millionen einsetzt. Die momentane Konstellation mutet trotz des überzeugenden Auftritts Bruchhagens abenteuerlich an. So würde der gerade freigestellte Beiersdorfer laut Bruchhagen noch bis zum 30. Dezember intensiv an der Realisierung der vorbereiteten Transfers mitwirken, zum Ende des Januars könnte dann ein neuer Sportchef kommen. „Die Sportchefsuche bleibt eine Blackbox“, sagte Bruchhagen, der offenließ, wer sich wie um die Transfers in der Transferperiode (1. bis 31. Januar) kümmern soll. Durchaus ungewöhnlich geht es beim HSV auch in den kommenden Tagen zu. So wird Bruchhagen sich zunächst einmal zurückziehen und sein neues Vorstandsbüro erst am 21. Dezember, also einen Tag nach dem letzten Spiel des Jahres gegen Schalke, beziehen. Den Profis will er sich zum Trainingsauftakt im Januar vorstellen. So weit, so gut. Gewöhnungsbedürftig dürfte für den einen oder anderen sein, dass der Westfale aus Harsewinkel am Sonnabend (in Mainz) und am Dienstag (gegen Schalke) nicht vor Ort sein wird. Wegen vertraglicher Verpflichtungen ist Bruchhagen auch an den letzten beiden Spieltagen für Sky im Einsatz.

Unermüdlich, das betonte Bruchhagen mehrfach, will er in den kommenden Wochen aber vor allem für den „Herrn Gisdol“ im Einsatz sein. Er wolle unbedingt die Transferwünsche von „Herrn Gisdol“ erfüllen, und selbstverständlich müsse auch ein neuer Sportchef zu „Herrn Gisdol“ passen. Er habe bereits 220 Mails erhalten von potenziellen Pressesprechern, Marketingchefs oder auch Sportdirektoren, sagte Bruchhagen, aber noch habe er auf keine einzige geantwortet. „Am wichtigsten ist jetzt zunächst einmal, dass sich der Trainer und die Mannschaft auf das Wesentliche konzentrieren: auf Fußball.“

Gleiches gelte im Übrigen auch für ihn selbst. „Ich muss mich nicht hier hinsetzen und sagen: Ich habe die Raute im Herzen, und Hamburg ist die geilste Stadt der Welt. Das haben Sie doch oft genug gehört“, sagte Bruchhagen. Derartige Sätze sind bei den regelmäßigen HSV-Präsentationen tatsächlich schon lange nichts Neues mehr.