Hamburg. Der Trainer des HSV macht seinem Unmut über die Querelen in der Vereinsführung öffentlich Luft

Markus Gisdol liest Zeitung, soziale Netzwerke sind präsent, Gerüchte und Gerede dringen in die Kabine. Man kann ja nicht einfach die Tür hinter sich zuknallen und alles Äußere draußen lassen. Auch wenn der HSV-Trainer das manchmal gern täte, um sich in Ruhe auf das anspruchsvolle Spiel am Sonnabend gegen Augsburg (15.30 Uhr/Sky und Liveticker bei Abendblatt.de) vorzubereiten.

Aber so ist es nicht. Gisdol arbeitet beim HSV. Da kann man sich von dem Chaos um den angeschlagenen Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und den Aufsichtsrat nicht abkoppeln. Und das nervt. „Natürlich ist es nicht leicht, wenn es immer wieder Störfeuer gibt, die nicht optimal sind“, sagte Gisdol.

Deutlicher konnte der 47-Jährige seine Unzufriedenheit mit der latenten Führungskrise kaum formulieren. Nach etwas mehr als zwei Monaten im Volkspark weiß er längst, wo er gelandet ist. Jetzt wird der zarte sportliche Aufwärtstrend mit drei Spielen ohne Niederlage durch die mögliche Ablösung von Beiersdorfer und ein Engagement von Heribert Bruchhagen (68) als Clubboss gestört. Der einstige Chef von Eintracht Frankfurt, der jetzt als Experte für den Pay-TV-Sender Sky tätig ist, hatte bereits vor Wochen mit Aufsichtsräten gesprochen. Mit der Öffentlichkeit spricht er nicht – und das spricht für ihn. Am Donnerstag wiederholte er: „Ich werde mich zu dem Thema nicht äußern. Nur so viel: Ich fühle mich bei Sky sehr wohl.“

Beiersdorfer muss das Transferfenster vorbereiten

Ein Wechsel an der Clubspitze wäre ohnehin frühestens in der Winterpause hilfreich. Beiersdorfer muss das Transferfenster vom 1. bis zum 31. Januar vorbereiten. Spieler wie Cléber, für den es Angebote aus Brasilien geben soll, Alen Halilovic oder Pierre-Michel Lasogga und Nabil Bahoui könnten an zahlungswillige Interessenten abgegeben werden. Viel wichtiger sind allerdings die von Gisdol gewünschten Verstärkungen für die Abwehr.

„Mit Abgängen beschäftige ich mich nicht“, sagt der HSV-Coach, „nur damit, wie wir die Mannschaft verstärken können.“ Dafür braucht er einen verlässlichen, handlungsstarken Ansprechpartner, nicht einen angeschlagenen Clubchef auf Abruf. „Ich wünsche mir, dass der Gesamtverein die Geschlossenheit entwickelt, die wir im Team geschaffen haben“, appellierte der leitende Angestellte an seine Bosse: „Unser Job ist, das alles auszublenden und von der Mannschaft fernzuhalten.“

Mit einem Dreier gegen Augsburg kann das Team seinen Teil dazu beitragen, etwas mehr vorweihnachtlichen Frieden in den stets nervösen Club zu bringen. Viel deutete im Training der vergangenen Tage darauf hin, dass gegen den FCA zum vierten Mal in Folge die gleiche Startelf aufläuft, obwohl Innenverteidiger Emir Spahic wieder fit ist. „Wir haben als Mannschaft zuletzt sehr gut funktioniert“, sagte Gisdol, „es darf sich aber keinesfalls irgendwelche Leichtfertigkeit einschleichen. Wir müssen bescheiden und demütig bleiben.“ Der Respekt vor den Augsburgern ist zudem sehr groß. „Einen solchen Gegner hatten wir bisher noch nicht, sie sind sehr schwer zu bespielen. Wir werden viel Geduld brauchen“, betonte Gisdol. Nur ein Gegentor hat der FCA in den letzten vier Partien kassiert. Trainer Dirk Schuster rührt dort inzwischen ähnlich erfolgreich Beton an, wie er es im vergangenen Jahr in Darmstadt getan hat. „Sie haben aber auch sehr gute Konterspieler in ihren Reihen“, warnt Gisdol.

Beim HSV macht jedoch die zuletzt klar verbesserte Offensive Mut. Acht Tore in den letzten vier Partien sind schon eine Ansage. Die Mechanismen greifen immer besser ineinander. An der Umschaltbewegung wurde seit Gisdols Amtsantritt intensiv gearbeitet, auch in der vergangenen Trainingswoche gab es regelmäßig Hochgeschwindigkeitsübungen zu Umschalten und Abschlüssen. „Langsam trägt diese Arbeit Früchte“, freut sich der Trainer: „Mittlerweile bekommen wir auch eine gute Balance zwischen unserem Angriffsspiel und dem Verteidigen hin.“

Der erste Heimsieg würde den Abstand auf die rettenden Plätze weiter verringern und auch die Augsburger wieder unten mit reinholen. „Das Spiel bietet uns eine große Chance“, weiß Gisdol. Sportlich, aber auch und vor allem auf etwas mehr Ruhe im Verein.