Hamburg. Die Gründe für den enttäuschenden Saisonstart – und warum der Wiederaufstieg dennoch ein Thema bleibt

Zu den hehren Maßstäben, die Volker Stuhrmann an seine Arbeit anlegt, zählt das Credo, nicht zu lügen. Deshalb wollte der Präsident des Volleyball Teams Hamburg (VTH) auch nicht nach Beschönigungen suchen, um den Status Quo der Zweitligafrauen zu beschreiben, für deren Fortkommen er seit dieser Saison verantwortlich ist. „Der Tabellenstand entspricht nicht den Erwartungen, die wir vor der Saison hatten“, sagt der 69-Jährige. „Das Ziel war, oben mitzuspielen. Deshalb ist der bisherige Saisonverlauf enttäuschend.“

Keine Frage: Vor dem sechsten Saison-Heimspiel an diesem Sonnabend (17 Uhr, CU-Arena) gegen Blau-Weiß Dingden steht die Auswahl von Cheftrainer Ali Hobst mit 13 Punkten aus zehn Partien auf Rang acht der Tabelle, sieben Zähler hinter den Top-vier-Rängen. Am vergangenen Wochenende verlor man gar beim Tabellenletzten Münster 2:3. Das Ziel, sich im ersten Jahr nach dem Ausstieg von Hauptsponsor Aurubis und dem dadurch erzwungenen Abstieg aus der Bundesliga sportlich für die Rückkehr in die Eliteklasse zu qualifizieren, scheint bereits unerreichbar.

Nun war Hamburg schon früher dafür bekannt, sich mit zu hoch gegriffenen Saisonzielen unter Erfolgsdruck zu setzen – und regelmäßig daran zu zerbrechen. Parallelen dazu sind auch in dieser Spielzeit zu erkennen. „Ich habe leider die Leistungsfähigkeit einiger Spielerinnen falsch eingeschätzt“, gibt Stuhrmann zu.

Angesichts der vier aus dem Bundesligakader 2015/16 verbliebenen Leistungsträgerinnen Karine Muijlwijk (28/Diagonalangriff), Saskia Radzuweit (25/Außenangriff), Nina Braack (23/Mittelblock) und Maria Kirsten (20/Zuspiel) hatte Stuhrmann – und mit ihm viele Experten – ein tragfähiges Gerüst vermutet, auf dem sich mit hungrigen Talenten aus Zweit- und Drittligaclubs ein leistungsstarker Aufstiegskandidat aufbauen ließe.

Doch weil die Trainingsumfänge von acht bis zehn wöchentlichen Einheiten in der Bundesliga auf drei bis vier reduziert wurden und zudem die Defizite der Mitspielerinnen auch die Trainingsqualität beeinträchtigen, sind die Leistungen der Topspielerinnen längst nicht mehr bundesligareif.

Es gehört zu einer fairen Beurteilung allerdings dazu, die Widrigkeiten zu benennen, unter denen der Neuaufbau zu leiden hatte. So musste der im Sommer verpflichtete Cheftrainer Fabio Bartolone wegen schwerer Erkrankung noch vor dem Saisonstart Mitte September ersetzt werden. Assistenzcoach Slava Schmidt übernahm, wollte aber keine Dauerlösung sein, so dass Mitte Oktober Hobst verpflichtet wurde.

Präsident Stuhrmann ist von Trainer Ali Hobst überzeugt

Der 43-Jährige ist ein akribischer Fachmann, der das Training intensivierte, von seiner Linie, dem Team seine Vorstellung vom Volleyball einzutrichtern, aber nicht abrücken mag, nur um kurzfristige Ergebnisse zu erzielen. So hatte die Mannschaft in den ersten Wochen einige Probleme, sich auf das anspruchsvolle System einzustellen. „Natürlich ist es hart, in so kurzer Zeit drei Trainer zu haben, die unterschiedliche Vorstellungen haben“, sagt Kapitänin Muijlwijk.

Erschwerend kam hinzu, dass die als Stammzuspielerin eingeplante Maria Kirsten unter dem plötzlichen Tod ihres Vaters vor Saisonstart derart litt, dass sie kaum einsatzfähig war – und mittlerweile ihren Vertrag aufgelöst hat. „Über einen so langen Zeitraum auf einer solchen Schlüsselposition nicht optimal besetzt zu sein, das steckt kein Team leicht weg“, sagt Trainer Hobst. Normalerweise habe man während der Saisonvorbereitung sechs Wochen Zeit, sich aufeinander einzustellen. „Wir haben das im laufenden Betrieb machen müssen. Deshalb sind wir noch immer in der Findungsphase, denn woher soll Konstanz kommen, wenn im Umfeld nichts konstant ist?“, sagt Hobst.

Den Mut haben sie in Neugraben dennoch nicht verloren. „Ich glaube fest, dass Ali der richtige Trainer ist. Wir behalten die Ruhe“, sagt der Präsident. Das neue Saisonziel lautet Platz vier. Damit ließe sich ein Aufstieg rechtfertigen, sollten aus finanziellen Gründen besser platzierte Teams verzichten oder eine Wildcard vergeben werden.

Für beide Optionen hat Stuhrmann in der Vorlizenzierung Bereitschaft erklärt, auch wenn derzeit völlig unklar ist, wie der dann nötige Etat­sprung von aktuell 204.000 auf mindestens 500.000 Euro gelingen soll – obwohl der Zuschauerschnitt mit rund 400 etwas oberhalb des Kalkulierten liegt.

„Sponsoren“, weiß der Präsident, „wollen sportlichen Erfolg. Deshalb hoffe ich, dass unser Saisonstart nicht allzu abschreckend wirkt und unsere Arbeit in den kommenden Wochen belohnt werden wird.“