Wiesbaden. Wie sich der neue Formel-1-Weltmeister selbst in Wiesbaden eingeladen hat und der Oberbürgermeister ihm erst nicht glauben wollte

Den Bembel Äppelwoi und den Handkäs konnte Nico Rosberg gerade noch halten – viel mehr ging nach dem Party-Marathon der vergangenen Tage nicht mehr. „Ich bin nicht bei 100 Prozent, vielleicht nur bei 40. Ich habe quasi durchgefeiert, wir haben richtig die Sau rausgelassen. Jetzt brauche ich doch mal ein bisschen Ruhe“, sagte der müde und unrasierte Formel-1-Weltmeister, als er am Mittwochmorgen um kurz vor 10 Uhr in Jeans, T-Shirt und Lederjacke in seiner Geburtsstadt Wiesbaden das Bad in der Menge genoss. „Wir sind Weltmeister!“, rief der 31-Jährige den 500 wartenden Fans zu und erfüllte geduldig die Autogramm- und Selfie-Wünsche.

„Ich bin hier geboren. Ich habe hier vor allem mit meiner Oma und meinem Opa viel Zeit verbracht. Das sind viele schöne Kindheitserinnerungen“, äußerte der Sohn des Finnen Keke Rosberg (Formel-1-Weltmeister 1982) und seiner hessischen Mutter Sina. Spontan hatte sich Rosberg selbst bei Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) zum Empfang eingeladen. Der hielt den Facebook-Post („Hallo, ich würde gern morgen Vormittag bei Ihnen im Rathaus auf einen Handkäs mit Musik vorbeikommen. Mit meiner Familie. Geht das? Mfg Nico“) zunächst für einen Scherz.

„Ich dachte mir: So locker, so cool. Das kann nicht echt sein, das muss ein Fake sein“, erzählte der Politiker. Rosberg musste daraufhin „höchstpersönlich anrufen“, um die Sache aufzuklären. „Ich war dann noch zweieinhalb Minuten in der Warteschleife, um zu verifizieren, dass ich wirklich der Nico bin“, berichtete Rosberg, „das war gar nicht so einfach.“ Ob nach dem berühmten Sohn der Stadt nun auch eine Straße oder ein Autobahnstück benannt wird, ließ der Oberbürgermeister offen.

Niki Lauda, Aufsichtsratschef beim Mercedes-Rennstall, hatte zuvor den Umgang der Deutschen mit ihren Formel-1-Weltmeistern Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Rosberg gerügt. „Sie werden nicht so umarmt und geküsst wie die Fußballer“, sagte der 67-Jährige im „Stern“: „Rennfahrer in Deutschland werden in erster Linie, um es höflich zu sagen, anerkannt wegen ihrer Leistungen. Aber es fehlt irgendwie diese menschliche Nähe, die Wärme.“ Schuld daran sei laut Lauda auch das Verhalten der Fahrer, die in ihren Wahlheimaten Schweiz (Schumacher, Vettel) und Monaco (Rosberg) ihr Privat- und Familienleben vor der Öffentlichkeit verstecken.

Für Rosberg ging es am Nachmittag bereits wieder zurück nach Monte Carlo. „Ich bin in den nächsten drei Wochen jeden Tag in einer anderen Stadt. Aber das mache ich gerne – man wird ja nicht jeden Tag Weltmeister“, sagte er. So steht heute der Besuch in der Mercedes-Fabrik in Brackley/England an, am Freitag gibt es in Wien den WM-Pokal, und am Wochenende hat die Daimler AG ihren Topangestellten nach Stuttgart geladen.

An die neue Formel-1-Saison mochte der Champion noch keinen Gedanken verschwenden. Für seinen geschlagenen Teamkollegen Lewis Hamilton und dessen umstrittene Renntaktik beim Saisonfinale in Abu Dhabi, als der Brite absichtlich langsamer fuhr und Rosberg so bremste, äußerte er jedoch Verständnis. „Ich kann die Teamseite verstehen, wir fahren unter bestimmten Rahmenbedingungen. Gleichzeitig kann ich Lewis verstehen. Ich kann verstehen, dass er auch mal übers Limit geht.“ An ein normales Verhältnis zu seinem aus Jugendtagen einst besten Freund glaubt Rosberg nicht mehr: „Es wird fast unmöglich sein, eine gute Beziehung zu haben. Dazu ist die Rivalität zu groß.“