Barsinghausen. Zwei Monate ist es her, als Werder Bremen den Schwaben verpflichten wollte. Nun soll er den HSV retten

Ein Derby ist ein Derby. Dagegen kann man zunächst einmal nicht viel sagen. Das Ruhrpott-Derby zum Beispiel, sagt Markus Gisdol. Tolle Sache. „Ich kann mich noch gut an diese Schlachten zwischen Schwarz-gelb und Königsblau erinnern“, sagt der frühere Co-Trainer von Schalke. Oder auch das Baden-Württemberg-Derby zwischen Stuttgart und Hoffenheim. Auch super, sagt der Ex-Hoffenheimer. „Derbys sind immer Spiele, in denen es schon in der ganzen Woche zuvor kribbelt“, so Gisdol. „Aber das Duell zwischen dem HSV und Werder Bremen ist schon ein ganz besonderes Derby. Mit dem Nordderby sind so unglaublich viele besondere Geschichten verbunden.“

Eine der besten Nordderby-Geschichten, man mag es kaum glauben, ist seine eigene.

Markus Gisdol sitzt kerzengerade im Saal Niedersachsen des Sporthotels Fuchsbachtal, den Rücken durchgedrückt. Der Trainingsanzug ist blau, auf der Brust ist die HSV-Raute aufgenäht. Als er gebeten wird, mal für einen Moment auszublenden, dass er HSV-Trainer sei und sagen soll, was der Fußballfan Gisdol allgemein vom Nordderby so halte, antwortet der 47-Jährige: „Ich kann nicht für eine einzige Sekunde ausblenden, dass ich HSV-Trainer bin.“

Gisdols Antwort überrascht insofern, als dass er erst seit zwei Monaten in Hamburg in Amt und Würden ist. Zum Einen. Zum Anderen, und das ist Gisdols besondere Derby-Geschichte, hätte nicht viel gefehlt, dass der gebürtige Geislinger an diesem Donnerstag im grünen Trainingsanzug mit der Werder-Raute auf der Brust Rede und Antwort gestanden hätte.

Gerade einmal acht Wochen ist es her, als mit Werder und dem HSV tatsächlich beide Nordclubs nahezu gleichzeitig an Gisdol herangetreten waren. Werder war zunächst der erste Club, der nach einem 1:4 in Gladbach am dritten Spieltag seinen Trainer Victor Skripnik entließ. Erst eine Woche später musste auch HSV-Kollege Bruno Labbadia nach einem 0:1 gegen Bayern gehen. Doch anders als Bremens Verantwortliche zögerte der HSV keine Sekunde, präsentierte bereits einen Tag später Gisdol, der zuvor Gespräche mit beiden Clubs geführt hatte. In Bremen war dem Schwaben ein Zwei- oder Dreijahresvertrag in Aussicht gestellt worden, beim HSV bot man ihm einen Vertrag bis zum Saisonende. Gisdol entschied sich für den kurzfristigen Vertrag – und vor allem für Hamburg.

Knapp zwei Monate später steht Gisdol am Donnerstagnachmittag im gleißenden Flutlicht am Rand des Grüns im August-Wenzel-Stadion. „Los geht’s, Jungs“, ruft der Wahl-Hamburger seinen Spieler zu. 14 Journalisten stehen auf der Tribüne und verfolgen jede Bewegung. Die Medienvertreter sind extra aus Hamburg ins knapp zwei Stunden entfernte Barsinghausen-Trainingslager angereist. Doch das Vergnügen ist kurz. Nach einem Viertelstündchen müssen sie das kleine Stadion an der Kirchdorfer Straße verlassen. Ordner patrouillieren im Gestrüpp um den Platz. „Wir haben hier die Möglichkeit, eng beieinander und nur für uns zu sein“, erklärt Gisdol. „Diese Möglichkeit wollen wir nutzen.“

Ein Nordderby ist ein Nordderby. Das weiß auch Gisdol, obwohl er noch nie bei einem Nordderby im Stadion dabei war. „Diese Paarung hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen“, sagt der Fußballlehrer, der sich aber sicher ist, dass auch das Duell zwischen Platz 18 und Rang 16 seinen Glanz nicht verloren hat. „In diesem Duell steckt so viel Bundesligageschichte drin.“

104 Nordderbys in der Bundesliga hat es gegeben. Sollte der HSV das 105. verlieren, auch das weiß Gisdol, könnte das 106. Duell das vorerst letzte sein. „Es ist kein Endspiel“, beschwichtigt der HSV-Trainer, „es ist aber ein verdammt wichtiges Spiel.“

Es ist ein Derby, ein Gisdol-Derby.