Hamburg. Unter neuer Trägerschaft sollen die Hamburg Gymnastics wachsen, ohne den speziellen Charakter einzubüßen

Auf die Unterstützung ihrer Liebsten kann Emelie Beckmann am Freitag und Sonnabend nur bedingt zählen. Natürlich wird die Zwölfjährige von den Familienmitgliedern zu den Hamburg Gymnastics in die Sporthalle Wandsbek begleitet. Aber sie haben dort selbst alle Hände voll zu tun, als dass sie sich ausschließlich um das Wohlbefinden der Turnerin von der HT 16 kümmern könnten. Der Vater ist als Wettkampfarzt im Einsatz, die Schwester als Kampfrichterin, und die Mutter hilft beim Catering aus und schmiert fleißig Brötchen.

Familiär geht es zu bei den Hamburg Gymnastics, dem internationalen Teamwettkampf für talentierte Gerätturnerinnen, daran hat sich auch bei der achten Auflage nichts geändert. Nur dass die Turnfamilie etwas größer geworden ist. Die Topsportvereine, ein Zusammenschluss von 27 Großclubs aus der Metropolregion, haben die Trägerschaft vom Verband für Turnen und Freizeit (VTF) übernommen und die Veranstaltung somit vor dem Aus bewahrt. Das schien im Frühjahr bereits besiegelt zu sein, nachdem sich das Organisationsteam um Petra Schulz zurückgezogen hatte. Der Vorwurf: der VTF unterstütze die ehrenamtlichen Kräfte nicht ausreichend.

Darüber kann Schulz jetzt nicht mehr klagen, im Gegenteil: „Die Topsportvereine sind sehr engagiert und bringen sich ein.“ Das Team von der Zenith Elite Gymnastics Academy in Texas etwa wurde am Mittwoch vom SV Eidelstedt in Empfang genommen, am Donnerstag hatte es einen Auftritt in der Grundschule Lohkampstraße. Auch beim Wettkampf können die US-Girls auf die Unterstützung ihrer Hamburger Patinnen zählen.

„Wir hoffen, dass das Vorbildwirkung hat und wir in den kommenden Jahren weitere Patenschaften aufbauen können“, sagt Schulz. Ulrich Lopatta, Vorsitzender des Walddörfer SV und Vorstandsmitglied der Topsportvereine, ist sich sicher, „dass die Veranstaltung dem Turnen in den beteiligten Clubs Auftrieb geben wird“. Schon jetzt sei die Nachfrage so groß, dass sein Club gerade eine neue Kindergruppe aufgemacht habe.

Ob das nun allein den Gymnastics zu verdanken ist oder auch der Begeisterung um die deutschen Turnriegen bei den Olympischen Spielen in Rio im August, lässt sich schwerlich klären. Tatsache ist, dass ein wenig olympischer Glanz erstmals auch auf die Gymnastics abstrahlt. Elisabeth Seitz, in Rio Vierte am Stufenbarren, reist aus Hannover an, wo sie gerade einen Bundeswehrlehrgang absolviert, und steht am Freitag (17 bis 18 Uhr) für eine Autogrammstunde zur Verfügung. Eine besondere Begegnung auch für Emelie Beckmann und ihre gleichaltrige Freundin Jule Oeltjen, die beide für das Junior-Team Topsport Moreau Hamburg antreten. Bei den deutschen Meisterschaften im Juni in der Sporthalle Hamburg hatten sie Seitz noch von der Zuschauertribüne aus bestaunt.

Zwei Teilnehmerinnen der Spiele greifen sogar aktiv ein: Irina Sazonova (25), Isländerin russischer Abstammung, verstärkt das Hamburger Senior-Team. In Rio belegte sie im Mehrkampf den 40. Platz unter 61 Starterinnen. Die Niederländerin Vera van Pol (22) schaffte es mit der niederländischen Mannschaft bei den Spielen ins Finale und dort auf Platz sieben, unmittelbar hinter Deutschland. Bei den Gymnastics tritt van Pol für das Team Turnz Amsterdam an. Ihre Landsfrau Eythora Thorsdottir, als Olympianeunte zweitbeste Europäerin, zog ihre Meldung kurzfristig zurück.

Lopatta hofft die Gymnastics in den kommenden Jahren weiter aufwerten zu können. Ziel sei, in den Kreis der Hamburger Top-Ten-Veranstaltungen aufzurücken – zu ihnen gehören etwa der Marathon, die Cyclassics und das Rothenbaum-Tennisturnier. Es wäre mit einer Förderung in Höhe von 50.000 Euro verbunden – was das Budget verdoppeln würde. „Damit könnten wir ganz andere Sprünge machen“, sagt Lopatta. Zuvor aber, das wurde dem Veranstaltungsteam von der Sportpolitik signalisiert, sei weiteres Wachstum notwendig: mehr Zuschauer, größere sportliche Bedeutung.

Einstweilen müssen sich die Gymnastics auf ihre Stärken verlassen: das originelle Format, das bunte Showprogramm und die besondere Atmosphäre in der Halle. „Bei uns werden die Turnerinnen gefeiert wie Stars“, sagt Schulz, „deshalb kommen sie so gern zu uns.“ Die letzte Nachmeldung erreichte sie aus Dortmund. Die dortige KTV hatte die Bundesliga-Relegation am Wochenende in Cottbus verpasst – und sei darüber gar nicht mehr so traurig. Schulz: „Sie haben gesagt, bei uns ist es sowieso viel schöner.“