Hamburg. Der Kapitän des FC St. Pauli ist überzeugt davon, dass dem Team wie vor zwei Jahren die Wende gelingt

Sören Gonther ist ein Mann der klaren Worte, keiner dieser Fußballprofis, die viel reden, aber letztlich doch wenig sagen. Da überrascht es nicht, dass der Kapitän des FC St. Pauli auch dann Stellung bezieht, wenn es dem Verein schlecht geht. Der 29-Jährige ist in diesen Wochen ein gefragter Mann beim Kiezclub. Nach außen hin, um die prekäre Situation des Tabellenletzten der Zweiten Liga zu erklären, vor allem aber wird Gonther im Moment im Kreise der Mannschaft gebraucht. Für viele im Team ist der Existenzkampf Neuland, erstmals sind gerade die jungen Spieler mit dem Druck im Profifußball konfrontiert. Welch hohen Stellenwert der Innenverteidiger innerhalb der Mannschaft genießt, zeigte sich im Sommer, als er, obwohl er den Verein Richtung Karlsruhe verlassen wollte und nicht unumstrittener Stammspieler war, erneut zum Spielführer gewählt wurde.

„Ich trage als Kapitän nicht nur für mich die Verantwortung, sondern auch für die anderen Spieler. Dieser Vorbildfunktion bin ich mir bewusst“, sagt Gonther und ergänzt: „Ich nehme mir immer wieder die Jungs zur Seite und rede sie stark. Wir sind alle hier, weil wir etwas können. Wir dürfen uns jetzt nicht einreden, dass hier nur Blinde herumlaufen, bloß weil wir das eine oder andere Spiel nicht gut bestritten haben“, betont der gebürtige Hesse, der weiß, dass das Vertrauen in die Qualität der Mannschaft von Fans und Umfeld mit jeder weiteren Niederlage mehr und mehr schwindet. Die nackten Zahlen sprechen schließlich eine deutliche Sprache: 13 Spiele, sechs Punkte und mit mageren acht erzielten Toren die schlechteste Offensive der Liga.

Eine Qualitätsfrage sei diese „ausnahmslos schwierige Situation“, wie es Gonther umschreibt, aber nicht. Vielmehr sei es eine mentale Blockade, die dazu führt, dass man derzeit immer einen Weg finde, ein Spiel nicht erfolgreich zu beenden. Die beiden entscheidenden Eigentore in den letzten beiden Spielen gegen Würzburg und Düsseldorf sind ein Paradebeispiel dafür. Derzeit scheint es so, als würde alles, was sich St. Pauli vornimmt, schiefgehen. Der gesamte Verein ist in einem Negativstrudel gefangen. „Es belastet, wenn man merkt, dass die ganze Welt jede Woche damit rechnet, dass wir die nächste Niederlage kassieren. Aber wir haben uns alle diesen Beruf ausgesucht. Dass es da nicht nur gute Seiten gibt, haben wir vor zwei Jahren erlebt.“

Damals, in der Saison 2014/15, stand St. Pauli schon einmal am sportlichen Abgrund. Mit einer Energieleistung schaffte das Team von Trainer Ewald Lienen damals am letzten Spieltag den Klassenerhalt. Dieses Beispiel hält sich Gonther immer wieder vor Augen. „Resignation ist bei keinem in der Mannschaft zu spüren. Wenn wir hinfallen, stehen wir wieder auf. Jeder kann sagen, dass der Klassenerhalt immer unrealistischer wird und alles düster ist, aber wir wurden auch vor zwei Jahren schon oft totgeredet“, erinnert sich Gonther und nennt Pluspunkte: „Es ist Feuer im Training. Wir nehmen das, was vorgegeben wird, gut an. Aber jetzt müssen wir dahin kommen, dass wir es auch in den Spielen umsetzen.“

In der Tat war es am Mittwoch ungewohnt laut und lebendig auf dem Platz. Die Spieler unterstützten sich lautstark, gaben sich Kommandos. Mittendrin: Sören Gonther. In den Spielen hat man oft den Eindruck, dass eben diese Kommunikation auf dem Platz kaum stattfindet, weil jeder mit sich selbst zu tun hat. „Wir kommunizieren schon sehr viel. Aber bei 30.000 Zuschauern im Stadion bekommt man das vielleicht nicht so mit. Ich bin nach den Spielen nicht umsonst heiser. Das kommt nicht davon, dass ich erkältet bin“, sagt der Defensivstratege.

Ohnehin macht der ehemalige Paderborner keinen Hehl daraus, wie dankbar er ist, dass es trotz des brutalen Abstiegskampfes im Verein und bei den Fans ruhig bleibt. Außer ein paar Frotzeleien beim Einkaufen gibt es im privaten Alltag fast ausschließlich Aufmunterung für Gonther. In der Mannschaft ist man sich des Privilegs einer fürsorglichen Behandlung bewusst, und dennoch warnt Gonther: „Wir sollten uns nicht in den Armen liegen, weil wir uns keine Sorgen um unsere Autos machen müssen oder es keine Sitzblockaden gibt.“ Was er sich nach dem Heidenheim-Spiel (Sonnabend, 13 Uhr) wünscht: „Wir wollen in die Kurve gehen, mit den Fans abklatschen und in freundliche Gesichter schauen.“

Der Glaube an das Saisonziel Klassenerhalt ist ungebrochen. An das Horrorszenario Dritte Liga will St. Paulis Kapitän keine Gedanken verschwenden. „Ich beschäftige mich nur mit der Dritten Liga, wenn ich meinen alten Freunden in Paderborn zuschaue, ansonsten ist das zu keiner Zeit aktuell.“