Hamburg. Ex-Profi des Kiezclubs schaffte 1982/83 mit Wattenscheid den Klassenerhalt – mit fünf Punkten nach 13 Spielen

Waldemar Steubing ist überrascht. „Wie komme ich zu der Ehre?“, fragt der 56-Jährige, den das Abendblatt telefonisch in seinem Büro erwischt hat. Seit mittlerweile 21 Jahren arbeitet der ehemalige St.-Pauli-Profi in der Finanzbuchhaltung eines Schraubengroßhandels in Mannheim. Der Grund des Anrufs ist schnell erklärt, und Steubing freut sich. „Ich habe gerade nicht so viel zu tun, es passt perfekt“, sagt er.

Nach 13 Spieltagen ist sein Ex-Club mit nur sechs Punkten Tabellenletzter – so schlecht war St. Pauli zu diesem Zeitpunkt noch nie. Der Blick in die Vergangenheit ist ähnlich erschreckend: Seit Einführung der eingleisigen Zweiten Liga im Jahr 1981 gab es 16 weitere Mannschaften, die nach derselben Anzahl von Spielen sechs oder sogar weniger Punkte auf dem Konto hatten. Bis auf die SG Wattenscheid 09 in der Saison 1982/83 sind alle abgestiegen. Steubing war damals zweitbester Torschütze der SG, erst sechs Jahre später wechselte er ans Millerntor. Wie ist das Wunder gelungen?

Der Mittelstürmer wurde 1982 nach dem siebten Spieltag als Hoffnungsträger aus Uerdingen nach Wattenscheid geholt. Das Team von Fahrudin Jusufi, Vater des ehemaligen HSV-Profis Sascha Jusufi, hatte damals alle Partien verloren. Auch die achte blieb trotz der Verstärkung erfolglos. Die Stimmung war am Tiefpunkt angelangt. „Wo bist du hier nur gelandet, habe ich mich gefragt. Im Training klappte gar nichts. Kein Pass kam an, niemand konnte den Ball richtig stoppen“, erinnert sich Steubing. „Das war alles eine Folge der Verunsicherung.“ Das mangelnde Selbstvertrauen sieht er auch bei St. Pauli als Ursache der Misere. „Selbstbewusstsein kann eine Mannschaft nur durch Siege bekommen. Dafür gibt es keinen Ersatz“, sagt der gebürtige Neulußheimer, der nebenbei Amateurmannschaften trainiert, seit Juni aber vereinslos ist.

Als 22 Jahre alter Neuzugang appellierte er in ähnlich aussichtsloser Lage an den Kampfgeist des Teams. Obwohl Steubing erst eine Woche im Team war, marschierte er als Führungsspieler vorneweg. „Dann gab es plötzlich den Urknall, als wir 5:3 gegen Greuther Fürth gewonnen haben“, sprudelt es aus Steubing heraus: „Ich habe damals drei Tore geschossen.“ Wattenscheid, heute Regionalligist, stand am 13. Spieltag mit fünf Zählern am Tabellenende – sogar noch einer weniger, als St. Pauli derzeit aufweist. Am Ende schaffte es das Team, sich mit 46 Punkten auf Platz 15 zu retten und die Klasse zu halten. „Die Voraussetzung für den Ligaverbleib ist Zusammenhalt. Jeder Spieler muss das Letzte aus sich herausholen“, sagt Steubing und lässt dabei erahnen, was für ein Spielertyp er gewesen ist.

„Wichtig ist, dass sich St. Pauli erreichbare Ziele setzt. Es müssen nicht sofort drei Punkte sein, dann wird der Druck auf die Spieler zu groß“, sagt Steubing, der die St.-Pauli-Spiele heute im Fernsehen verfolgt. „In Heidenheim am Sonnabend hat das Team nichts zu verlieren. Es kann nur überraschen.“ Dass der Club, für den Steubing 66 Spiele in der Bundesliga absolvierte, an Trainer Ewald Lienen festhält, ist seiner Meinung nach richtig. „Geduld zahlt sich aus. Wenn der Verein vom Trainer überzeugt ist, dann sollte er mit ihm durchs Feuer gehen.“ So wie Wattenscheid damals mit Jusufi.