Barsinghausen. Im abgeschiedenen Fuchsbachtal in Barsinghausen bereiten sich die Hamburger auf das Nordderby gegen Werder Bremen vor. Ein Ortsbesuch

Der Weihnachtsbaum vor dem Hotel wird gerade mit silbernen Kugeln geschmückt. Im Foyer bastelt ein Mitarbeiter der Firma MatchIQ eilig die Willkommenspakete für den HSV zusammen. An der Rezeption ist es unruhig. „Wer bekommt noch ein Einzelzimmer? Holtby? Ostrzolek?“, ruft eine Mitarbeiterin. Es ist Dienstagmittag, und im Sporthotel Fuchsbachtal im niedersächsischen Barsinghausen laufen die letzten Vorbereitungen. Am Mittwoch kommt der HSV für drei Tage zu Besuch. Es herrscht Hektik. Dabei sucht der Bundesligist in der beschaulichen Anlage am Rande der Erholungslandschaft Großer Deister vor allem eins: Ruhe.

„Ich will die Mannschaft eng zusammen haben“, sagte HSV-Trainer Markus Gisdol über das Kurztrainingslager in der Woche vor dem existenziell wichtigen Nordderby gegen Werder Bremen am Sonnabend (15.30 Uhr) im Volksparkstadion. Auf dem Hügel der 34.000-Einwohner-Stadt im Südwesten von Hannover will sich der HSV fernab von Hamburg zurückziehen. „Wir werden viele Stunden miteinander verbringen und konzentriert arbeiten“, sagt Gisdol. „Wenn sich das Team an einem anderen Ort befindet, erzeugt das noch mal eine andere Stimmung.“

Nach nur drei Punkten aus elf Spielen soll es jetzt der Teamgeist richten beim Tabellenletzten. Gisdol setzt dafür auf einen ganz besonderen Geist: den von Sepp Herberger. Der frühere Bundestrainer war 1951 der erste Fußballlehrer, der mit einer Mannschaft in das damals neu gebaute Sporthotel zog. Für fünf Tage holte Herberger die deutsche Nationalmannschaft in Barsinghausen zusammen. Herberger liebte die Ruhe an diesem Ort. Immer wieder traf sich der Weltmeistertrainer von 1954 hier mit der DFB-Auswahl. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte. 65 Jahre nach der Eröffnung stehen im Gästebuch des Hauses die berühmtesten Namen der Fußballgeschichte. Pelé, Franz Beckenbauer, Bobby Charlton, Uwe Seeler. Heute folgen Dennis Diekmeier und Pierre-Michel Lasogga.

„Das Fuchsbachtal ist ein erholsamer Rückzugsort“, sagt Martin Mohs. Der 41-Jährige arbeitet als Cheftrainer für den niedersächsischen Fußballverband, der nur wenige Hundert Meter vom Sporthotel entfernt seinen Hauptsitz hat. Mohs steht jeden Tag mit Nachwuchsmannschaften auf den beiden Trainingsplätzen direkt hinter dem Hotel. „Die kurzen Wege und das Abgeschiedene machen diesen Ort aus“, sagt Mohs, der sich auf Gisdols Besuch freut. Mit dem HSV-Trainer hat Mohs vor fünf Jahren gemeinsam die Lizenz zum Fußballlehrer bestanden. Den Sprung in die Bundesliga hat er Gisdol schon damals zugetraut. „Markus hatte immer schon eine ganz klare Vorstellung von seinem Fußball. Er ist ein konzeptioneller Trainer, der weiß, was er tut“, sagt Mohs.

Schon wenige Monate nach ihrem gemeinsamen Lehrgang trafen sich die beiden in Barsinghausen. Mohs behielt seine Stelle beim Verband, Gisdol kam als Co-Trainer von Huub Stevens mit dem FC Schalke 04 in das Fuchsbachtal. Zuvor war Schalke mit Felix Magath mehrfach zu Besuch in Barsinghausen gewesen. Der frühere HSV-Spieler und -Trainer schätzt die Anlage vor allem aufgrund der Nähe zum Wald – mit den vielen Hügeln. Direkt hinter den beiden Trainingsplätzen beginnt das Forstgebiet. Von den kleinen Wanderwegen aus haben die Fußgänger einen guten Blick auf die Plätze. Das dürfte sich allerdings ändern, wenn der HSV erscheint. Gisdol will im Geheimen trainieren. Dafür werden die Wege zur Hotelanlage überwacht.

Die Barsinghausener kennen das. Die deutsche Nationalmannschaft ist seit Jahren Dauergast am Deister. Im Jahr 2000 bereitete sich Rudi Völler hier auf sein erstes Länderspiel als Bundestrainer vor. Damals hatten die Fans sogar noch Zugang zur Hotellobby. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Vor ziemlich genau einem Jahr erlebten die Anwohner das genaue Gegenteil. Wenige Tage nach dem Terroranschlag am Rande des Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland in Paris bezogen Bundestrainer Joachim Löw und das DFB-Team das Sporthotel. Bewaffnete Polizisten bewachten die Anlage großräumig, während die Nationalmannschaft sich auf das Länderspiel in Hannover gegen die Niederlande vorbereitete. Als die Partie wegen einer Terrorwarnung abgesagt wurde, kehrte der DFB-Tross nach Barsinghausen zurück.

Der Ort brauchte etwas Zeit, um zur Normalität zurückzukehren. Hotelchef Bernd Dierßen, ehemaliger Profi bei Hannover 96 und Schalke 04, hat mit seinem Team dafür gesorgt, dass wieder Ruhe eingekehrt ist in Barsinghausen. Nichts hat der HSV in seiner Situation nötiger.