Hamburg. Vor dem Duell gegen Werder versammelt der HSV-Trainer die Profis drei Tage lang in einem Vier-Sterne-Hotel. Mathenia hört es knistern.

Die Homepage des Niedersächsischen Fußballverbandes klingt verlockend: „Die Sportschule Barsinghausen bietet durch ihre Vielseitigkeit optimale Bedingungen für ein Trainingslager sämtlicher Sportarten sowie dank neuer Seminarräumen mit modernster Technik den geeigneten Rahmen für eine erfolgreiche Tagung“, steht dort geschrieben. Und: „Genießen Sie, umgeben von der malerischen Landschaft des Deisters, die professionellen Strukturen der Sportschule.“

Auf diese malerische Landschaft dürfen sich in diesen Tagen also die HSV-Profis freuen. „Ich möchte die Mannschaft mal ganz eng beieinander haben“, erklärt Trainer Markus Gisdol am Morgen nach dem 2:2 in Hoffenheim, warum er mit seinem Team von Mittwoch bis zum Freitag ins Kurztrainingslager ins Sporthotel Fuchsbachtal im Westen Hannovers zieht. „Mal ein anderer Ort, mal eine andere Stimmung – das wird uns guttun“, sagt Gisdol, der auf mehrfache Nachfrage verneint, dass diese besondere Maßnahme mit dem besonderen Umstand des bevorstehenden Nordderbys gegen Werder einen kausalen Zusammenhang habe: „Das hat nichts miteinander zu tun“, so Gisdol. „An das Derby denke ich noch gar nicht. Die Idee für das Kurztrainingslager hatte ich schon vor zwei Wochen.“

Mathenia spürt die Brisanz

Selbstverständlich würde es niemand wagen, Markus Gisdol der Lüge zu bezichtigen. Zumindest ein ganz kleines Bisschen geflunkert haben dürfte der HSV-Coach bei seinen Ausführungen aber sehr wohl. Denn wie jedes der vorangegangenen 104 Derbys wird natürlich auch dieses Duell der beiden Nordclubs am kommenden Sonnabend ein besonderes sein. Mehr noch: Das 105. Bundesliga-Aufeinandertreffen von Hamburg und Bremen darf wohl mit Fug und Recht mit der Überschrift: „Das Schicksalsderby“ versehen werden.

„Natürlich ist eine ganze Menge Brisanz in diesem Derby drin“, sagte Torhüter Christian Mathenia, der bislang nur das Hessenderby zwischen Darmstadt 98 und Eintracht Frankfurt kennt. „In der Stadt wird es bestimmt in der ganzen Woche knistern.“

Hamburg gegen Bremen, der HSV gegen Werder. Was noch vor Jahren wie ein Versprechen auf einen packenden Fußballleckerbissen klang, ist in diesem Jahr nichts anderes als purer Existenzkampf. Der schlechteste Sturm gegen die schlechteste Abwehr der Liga, Tabellenplatz 18 gegen Rang 16, Rote Laterne gegen Relegationsplatz. Wohl auch deswegen werden die HSV-Profis vom matheniaschen Knistern nur sehr bedingt etwas mitbekommen. „In dieser Situation zählt nur noch die Mannschaft“, sagt Gisdol. „Alles andere drumherum müssen wir ausblenden.“

Matz ab nach dem 2:2 gegen Hoffenheim

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    Derby-Sieg für Beiersdorfer überlebenswichtig

    Das diesjährige Nordderby hat nicht nur angesichts der Tabellensituation und der Rahmenumstände – der HSV trifft in den kommenden drei Wochen mit Werder, Darmstadt und Augsburg auf drei direkte Konkurrenten im Abstiegskampf – eine besondere Bedeutung. Ein Sieg im Spiel der Spiele wäre nach dem 2:2 in Hoffenheim nicht nur für den abgeschlagenen HSV ein echtes Lebenszeichen, es wäre auch für den unter Dauerbeschuss stehenden Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer – vorsichtig formuliert – überlebenswichtig. Beim Aufsichtsratstreffen vor einer Woche hatten sich die Kon­trolleure nach Abendblatt-Informationen geeinigt, dass über die Zukunft Beiersdorfers nicht noch einmal vor dem Nordderby debattiert werden soll.

    „Wir dürfen uns nicht mehr ablenken lassen“, hatte Trainer Gisdol bereits wenige Minuten nach dem Schlusspfiff am Sonntag in Hoffenheim angekündigt. Nach dem Punktgewinn im Kraichgau versucht es Gisdol atmosphärisch nun mit dem Labbadia-Rezept: die totale Fokussierung auf die Gemeinschaft. Auch am Montag war kaum ein Satz von dem Schwaben zu hören, in dem der Fußballlehrer nicht von Geschlossenheit, der Mannschaft oder dem Team sprach. Ähnlich wie Gisdol jetzt hatte sich auch Bruno Labbadia direkt nach seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren – kurioserweise ebenfalls vor einem Spiel gegen Werder Bremen – für ein Kurztrainingslager entschieden. Damals ging es nach Rotenburg an der Wümme, diesmal heißt das Ziel Barsinghausen.

    HSV logiert in Vier-Sterne-Hotel

    Allzu große Sorgen über das eigene Wohlergehen müssen sich die Fußballprofis in den drei Tagen bis zum Wochenende allerdings nicht machen. Denn wo Sportschule draufsteht, ist nicht zwangsläufig auch Sportschule drin. Längst ist aus dem spartanischen Bau von anno dazumal ein modernes Vier-Sterne-Hotel geworden. „Wir haben uns für Barsinghausen entschieden, weil wir dort die besten Bedingungen für diesen Kurztrip haben“, sagt Gisdol.

    Ähnliches hat auch Labbadia seinerzeit vor dem Kurztrainingslager in Rotenburg gesagt. Das damalige Ergebnis: Ein bitteres 0:1 gegen Werder Bremen. Einerseits. Der umjubelte Klassenerhalt fünf Wochen später. Andererseits.